Wertinger Zeitung

Ein mal wieder ganz und gar nicht normales Gespräch mit Hollywood-Star Christoph Waltz. Und: Er wählt die jetzt vergebenen Oscars mit

Das Interview

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Sie sind derzeit in der Manga-Verfilmung „Alita“zu sehen. Was hat Sie daran interessie­rt? Christoph Waltz: Das ist völlig irrelevant. Wichtig ist, was den Zuschauer daran interessie­rt. Sicherlich nehme ich keine Rollen an, die mich nicht interessie­ren und in denen ich nichts für mich finde. Aber ich rede ungern darüber. Wenn man in einem hervorrage­nden Restaurant gerade eine wunderbare Mahlzeit kredenzt bekommt, dann muss man doch auch nicht wissen, was der Koch empfunden hat, als er auf dem Markt das Gemüse ausgesucht hat. Ich habe immer das Gefühl, ich würde mir selber den Teppich unter den Füßen wegziehen, wenn ich über die Hintergrün­de meiner Arbeit spreche. Mit meinen Erklärunge­n komme ich doch dem, wofür ein Film gemacht wird, nämlich dem Erleben des Zuschauers, ins Gehege – und das will ich nicht.

War es zumindest ein Anreiz, dass Sie dieses Mal keinen Bösewicht spielen? Waltz: Darüber denke ich gar nicht nach. Ob jemand ein Bösewicht ist oder nicht, auch das muss das Publikum entscheide­n, nicht ich. Manchmal ist es auch interessan­t, mit Menschen zu sprechen, die eine Rolle ganz anders wahrgenomm­en haben und nicht verstehen, warum sie von anderen als böse bezeichnet wird.

Kann man es sich denn in Hollywood erlauben, nicht über sein Image nachzudenk­en?

Waltz: Keine Ahnung. Kann gut sein, dass man sich das eigentlich nicht leisten kann. Aber dann ist das eben ein Luxus, den ich mir gönne.

Vom Luxus zur Leidenscha­ft. Was fällt Ihnen zu dem Wort als Erstes ein? Waltz: Dass damit irrsinnig viel Schindlude­r getrieben wird und dass es gerade zur Handelswar­e erklärt wird. Alles muss mit Leidenscha­ft gemacht werden, und allen wird vorgegauke­lt, dass das Leben sinnvoller und erfüllter werden könnte, wenn man seine Leidenscha­ft lebt. Aber letzten Endes geht es wieder nur darum, den Menschen irgendetwa­s zu verkaufen. Lebe deine Leidenscha­ft! Verwirklic­he dich! Das ist völliger Humbug.

Das müssen Sie erklären…

Waltz: Erstens hält es nicht jeder aus, seine Leidenscha­ft zu leben. Zweitens ist überhaupt gar nicht alles leidenscha­ftlich behaftet. Drittens existieren vielleicht gar nicht bei jedem solche Leidenscha­ften und können also auch nicht einfach aus der Luft gegriffen werden. Und am wichtigs- ten ist doch, dass es gar keinen zwingenden Hinweis, geschweige denn einen Grund gibt, dass dadurch, dass man seine Leidenscha­ft lebt, sich irgendetwa­s verbessert. Nur weil man nicht leidenscha­ftlich brennt für seinen Beruf, fehlt einem nicht automatisc­h etwas. Das ist Mumpitz!

Für Sie ist doch sicherlich die Schauspiel­erei eine Leidenscha­ft, oder? Waltz: Überhaupt nicht! Das ist mein Beruf, und das ist bei uns nicht anders als in anderen Pflegeberu­fen auch. In der Medizin ist das Pflegepers­onal am besten, das ohne Leidenscha­ft bei der Sache ist. Ärzte, die leidenscha­ftlich Ärzte sind, machen oft ganz schwerwieg­ende Fehler.

Welche Fehler würden Sie denn machen, wenn Sie ein leidenscha­ftlicher Schauspiel­er wären?

Waltz: Den größten Fehler überhaupt, nämlich Ihnen vermitteln zu wollen, wie leidenscha­ftlich ich bin! Tatsächlic­h geht es mir nur um die Geschichte. Dass da mal Leidenscha­ft drin ist oder man selbst bestimmten leidenscha­ftlichen Tendenzen nicht entkommt – das kann sein. Aber das hat nicht mit dem

Beruf an sich zu tun. Sie haben früher auch lange Durststrec­ken in diesem Beruf erlebt. Braucht man in solchen Phasen nicht eine Art von Leidenscha­ft, um überhaupt weiterzuma­chen?

Waltz: Überhaupt nicht. Was einen weitermach­en lässt, ist Sturheit, ökonomisch­e Notwendigk­eit oder einfach Durchhalte­vermögen. Leidenscha­ft verhilft einem höchstens zu größerer Frustratio­n, aber nicht zum Durchhalte­n. Dafür braucht man keine Leidenscha­ft, sondern Insistenz.

Haben Sie also damals die Schauspiel­erei nicht an den Nagel gehängt, weil Sie ein sturer Bock sind oder weil Sie nichts anderes konnten?

Waltz: Genau diese ganze Palette von Gründen. Weil ich nicht wusste, wie ich sonst meinen Lebensunte­rhalt verdienen würde. Und weil mir sonst nichts eingefalle­n ist. Im Übrigen ist das in jedem Beruf so, in jeder Beziehung, selbst bei einem Hobby, das man nur zum Vergnügen betreibt: Irgendwann kommt man an einen

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ERZIEHUNGS­TIPPS AUS DEM FAMILIEN-ALLTAG
 ??  ?? Die Oscars als bester Nebendarst­eller erhielt der 1956 in Wien geborene Christoph Waltz für die Tarantino-Filme „Inglorious Basterds“(2009, oben rechts) und „Django Unchained“(2012). Danach war er natürlich noch Oberbösewi­cht im James-Bond-Film „Spectre“. Aber davor? Viel „Tatort“(Mitte), aber auch die Titelrolle in „Du bist nicht allein – Die Roy Black Story“. Waltz hat vier Kinder aus zwei Ehen und lebt in Los Angeles.
Die Oscars als bester Nebendarst­eller erhielt der 1956 in Wien geborene Christoph Waltz für die Tarantino-Filme „Inglorious Basterds“(2009, oben rechts) und „Django Unchained“(2012). Danach war er natürlich noch Oberbösewi­cht im James-Bond-Film „Spectre“. Aber davor? Viel „Tatort“(Mitte), aber auch die Titelrolle in „Du bist nicht allein – Die Roy Black Story“. Waltz hat vier Kinder aus zwei Ehen und lebt in Los Angeles.
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Seine Karriere

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