Die Frage der Woche Andere mit Zetteln belehren?
Manchmal muss man etwas befürworten, was man eigentlich ablehnt. Keine Hände, keine Kekse. So ist das in diesem Fall. Das Belehren als Haltung schätze ich nicht. Aber ich mag seine Ausgeburten: Zettel, handgefertigte Botschaften, Aufforderungen und Ansagen aller Art. Diese wunderbare Schriftlichkeit von anonym zu anonym.
Und die gibt es eben meistens nur, weil sich jemand bemüßigt fühlt, andere zurechtzuweisen, zu tadeln, anzupflaumen oder zu maßregeln. „Dies ist kein Parkplatz!“„Dreckiges Geschirr bitte in die Spülmaschine!“„Bitte Haustüre nicht so laut zuknallen.“Man kennt diese Ansagen. „Wenn Sie Ihren Köter behalten wollen: Hier nicht kacken lassen.“Manchmal sind sie wetterfest und ordentlich wie deutsche Spielplatzbeschilderung ausgedruckt und laminiert. Am schönsten aber sind die spontan auf gerade verfügbare Papierfetzen – und sei es ein Tempotaschentuch – mit dem gerade verfügbaren Kugelschreiber hingeworfenen Notizen, denen man die Wut noch ansieht, in der sie verfasst und beispielsweise unter den Scheibenwischer geklemmt wurden. „Ignorant. Das ist ein Parkplatz für Mütter mit Kinderwagen.“Wer solche Botschaften schriftlich verfasst und öffentlich „zustellt“, ist zwar einerseits ein Schattentyp, ein Heckenschütze des Zwischenmenschlichen. Andererseits aber vertraut er auf alte Kulturtechniken und darauf, dass Geschriebenes ein anderes Gewicht hat als Gemaule und Angeraunze. Es gibt ganze Blogs und Instagram-Accounts mit belehrenden und motzenden Zettelbotschaften, die meistens im nachbarschaftlichen Reizklima entstehen. Wie sie ergänzt und kommentiert werden, das ist oft große Alltagspoesie. Also: Wem danach ist, der schreibe bitte weiter Zettel an seine Mitmenschen!
Nein, es ist kein freundlicher Hinweis auf dem Zettel an der Klotüre, dass ich bei Bedarf auch gerne die Bürste benutzen darf. Es ist auch kein wohlgemeinter Tipp, dass im Flur keine Schuhe zu stehen haben. Nein, die Zettel, die an Wänden, Schränken oder Türen hängen, geben eben keine hilfreichen Ratschläge. Was sie tun: Sie nerven. Sie sind überflüssig.
Vor allem aber sind sie eines: mitleiderregend.
Denn wer schreibt solche Zettel? Der ausgeglichene Bürger, der seine Liebe zur Welt ausdrücken will? Wohl kaum. Vielmehr verbirgt sich hinter dem meist anonymen Verfasser eine klägliche Gestalt – der nörgelnde Nachbar, der kleinkarierte Senior oder der vor Wut schnaubende Kollege im Büro.
Es mag Ausnahmen geben. Aber was auf den allermeisten Exemplaren geschrieben steht, folgt einem gewissen Muster – dem Versuch, seine Mitmenschen zu gängeln. Weil sie ja nicht selber wissen, wie sie sich zu verhalten haben. Dem gnädigen Verfasser bleibt dann ja offenbar nichts anderes übrig, als den anderen zu sagen, wie man es richtig macht, sich konform verhält. Sicher könnten Sie an diesem Punkt einwenden, dass einige der Botschaften sinnvoll sind und sogar das Zusammenleben befrieden. Etwa wenn das Schriftstück die Kollegen darauf hinweise, das benutzte Geschirr doch bitte in die Spülmaschine und nicht auf das Gerät zu stellen.
Auch wenn ich mich wiederhole: Nein, selbst ein nett gemeinter Zettel hilft niemandem! Weil der Verfasser sich eben nicht hinstellt und sagt, was ihn stört. Sondern sich lieber feige hinter einem Papier versteckt. Und das nutzt keinem. Auch dem Schreiber nicht. Denn die Probleme mit dem faulen Kollegen löst selbst der beste Zettel nicht. Also: Stift weglegen, miteinader reden.