Eine Wertingerin feiert mit dem „Söder von Tirol“
Fasching Wo die Unterschiede und Parallelen zu den Umzügen in der Region liegen
Wertingen/Nassereith Kehrer, Roller, Scheller und Spritzer: So heißen die Figuren, die beim Nassereither Schellerlaufen den sogenannten „schönen Zug“anführen. So wie die Masken zum venezianischen Karneval gehören, so bestimmen farbenprächtige Figuren seit Jahrhunderten auch die Tiroler Fasnacht. Marion Buk-Kluger, die am vergangenen Wochenende das Nassereither Schellerlaufen zum ersten Mal miterleben durfte, konnte sich der Energie dieses Spektakels kaum entziehen: „Unglaublich, mit wie viel Liebe und Traditionsbewusstsein die Menschen dort das Brauchtum leben.“In Erinnerung bleiben ihr vor allem die farbenprächtigen Kleider und Masken. Zur Einladung ins österreichische Tirol zählte unter anderem ein Museumsbesuch, berichtet sie weiter. Dort habe sie einen Eindruck des bodenständigen Brauchs gewonnen. Im Mittelpunkt des Schellerlaufens steht der Sieg des Frühlings über den Winter. „Ich wollte schon immer einmal so etwas Archaisches miterleben“, erzählt die Wertinger Faschingsaktivistin.
Dass nur Männer das Spektakel zelebrieren dürfen, hat sie anfangs irritiert. Doch der Brauch lasse nichts anderes zu. Jeder Nassereither bekomme seine eigene Maske, ein jeder müsse im Ort geboren sein und dort leben. So läuten männliche Scheller, Roller, Kehrer und Spritzer den Kampf zwischen Bärentreiber (Winter) und Bär (Frühling) ein. Lediglich in der Nähstube hätten die Frauen das Sagen. Mit glanzvollen und in Seide gehaltenen Gewändern und Kostümen sorgen sie für eine unvergleichliche Farbenpracht des Umzugs. Die handverarbeiteten und mit Stickereien versehenen Kleider seien allesamt Unikate und verliehen jeder einzelnen Fasnachtsfigur eine unverwechselbare Note.
„Die Tiroler Fasnacht folgt ihren eigenen Regeln und hat mit unserem Fasching auf den ersten Blick nichts gemein“, sagt die 50-Jährige. Beim Umzug des Schellerlaufens habe sie allerdings Parallelen zu den Lauterbacher Wagenbauern entdecken können.
Im Gegensatz zu hiesigen Umzügen verkleiden sich in Nassereith jedoch nur Männer und Buben. „Man brachte mir bei, dass Frauen und Mädchen das närrische Treiben aber gerne konsumieren dürfen.“Für Marion Buk-Kluger, die einige Jahre Faschingsumzüge in Wertingen organisiert hat, war das Thema Alkohol ein Aspekt, auf den sie in Tirol besonders achtete: „Hier spielt er tatsächlich nur eine nebensächliche Rolle.“Zwar gebe es auf den Wagen eine Bar, doch in erster Linie wollten die Besucher die einzigartigen Fasnachtsfiguren sehen. Die Aktiven seien sehr auf die Erhaltung des Brauchs bedacht. Seit September 2012 ist das Nassereither Schellerlaufen, das nur alle drei Jahre stattfindet, Kulturerbe der Unesco.
Marion Buk-Kluger hat wohl mit ihrem schwäbischen Charme erreicht, dass sie zusammen mit dem Tiroler Landeshauptmann Günther Platter – er entspricht unserem Ministerpräsidenten Söder – zum Schellerlaufen „eingeführt“wurde. Eine Ehre, die nicht jedem zuteilwird, erzählt sie nicht ohne Stolz. Bei dieser Zeremonie werde man von den Akteuren abgeholt, zu einem Stand gebracht, an dem ein Obolus zu entrichten sei, und mit Wein, einer gesottenen Breze sowie einer kleinen Maske zum Umhängen ausgestattet.
Am Faschingssonntag will sie einen Abstecher zum Lauterbacher Umzug machen. Buk-Kluger: „Hier setzen die Akteure lokalpolitische Themen genial um und nehmen dabei die Obrigkeit aufs Korn – das ist der Sinn des Faschings.“