Wertinger Zeitung

Wirtin aus Leidenscha­ft – mit 88 Jahren

Person Maria Bunk schmeißt seit 1952 den Gasthof Adler in Ballhausen. Das Geschäft ist schon lange schwierig geworden, sagt sie. Wo früher der Stammtisch zusammenka­m, sitzt Bunk heute oft alleine. Doch sie will weitermach­en

- VON ANDREAS SCHOPF

Syrgenstei­n Als Maria Bunk Wirtin wurde, hat der halbe Liter Bier genau 38 Pfennig gekostet. Das war 1952 – und ist lange her. Die Halbe kostet mittlerwei­le knapp drei Euro. Und auch sonst hat sich im Gasthof Adler in Ballhausen einiges verändert. Nur eines nicht: Hinter dem Tresen steht nach wie vor Maria Bunk. Und das mit heute 88 Jahren.

Die Leidenscha­ft als Wirtin liegt ihr in den Genen. Bunk stammt ursprüngli­ch aus Frauenried­hausen, ihre Eltern betrieben eine Wirtschaft. 1952 kam sie durch ihren Mann nach Ballhausen. Der Schwiegerv­ater besaß das Anwesen rund um das Wirtshaus Adler, wo Bunk mit ihrem Ehemann lebte und arbeitete. Damals gehörte zum Gasthof auch ein landwirtsc­haftlichte­r Betrieb. Für Bunk bedeutete dies vor allem eines: viel Arbeit. Morgens um sechs die Kühe melken, mittags aufs Feld, und abends ausschenke­n in der Wirtschaft. Je nach Geselligke­it der Runde blieben die Gäste auch mal bis frühmorgen­s um zwei oder drei Uhr sitzen. Am nächsten Morgen um sechs warteten auf Bunk wieder die Kühe. Ein Tagesablau­f, nach dem sie sich jahrzehnte­lang richtete. Und ganz nebenbei zog sie sieben Kinder groß. „Im Nachhinein bin ich selbst verwundert, wie ich das alles geschafft habe“, sagt Bunk heute.

Zumindest eines war früher leichter als heute – die Gaststube voll zu bekommen. Männer aus der Gemeinde machten sich morgens zu Fuß oder mit dem Fahrrad auf den Weg in die Arbeit, etwa nach Giengen, und kehrten auf dem Rückweg bei Maria Bunk ein. Zu den Arbei- tern gesellte sich regelmäßig die Dorfgemein­schaft. Auch für den FC Ballhausen war der Adler das Vereinslok­al. Das Wirtshaus war damals ein Treffpunkt von Bedeutung. Auch Gästezimme­r gab es dort einst. „Es war eine schöne Zeit“, sagt Bunk rückblicke­nd – trotz des Stresses. „Damals konnte ich noch ein Bierfass anstechen und es wurde aufgebrauc­ht.“

Im Laufe der Jahrzehnte hat sich viel verändert. Das Internet hat den Stammtisch als soziale Austauschp­lattform abgelöst. Sportverei­ne, auch der FC Ballhausen, haben mittlerwei­le ihre eigenen Lokale. In Supermärkt­en stapeln sich die Fertiggeri­chte. Und wer es bequem mag, der bestellt sich seine Mahlzeit direkt nach Hause. „Essen findet man heutzutage doch überall“, sagt Bunk. Im Adler kocht die 88-Jährige immer noch selbst für ihre Gäste – an einem Herd, der schon seit Jahrzehnte­n in der Küche des Loraus kals steht und der mit Feuer betrieben wird. „Der Herd ist mein Heiligtum“, sagt Bunk. Zu ihren Spezialitä­ten gehören die selbst gemachten Spätzle oder die frittierte­n Hähnchensc­henkel, die sie auf Voranmeldu­ng zubereitet. Nur: So viele Gäste kann Bunk nicht mehr bedienen. Etwa fünf Leute kommen noch täglich zu ihr, schätzt sie. Es seien meist Privatleut­e, die bei einem Bier reden wollen. Regelmäßig schaut etwa eine Abordnung des ehemaligen Altenberge­r Männerchor­es vorbei. Nur ab und zu noch kommen größere Gesellscha­ften. Dann braucht Bunk Hilfe von ihrer Tochter. Seitdem ihr Mann 1992 gestorben ist, ist die Ballhauser­in alleine für den Betrieb verantwort­lich.

Finanziell rechnen tut sich das schon länger nicht mehr. Und der Umsatz sinkt immer weiter. „So schlimm wie derzeit war es noch nie“, sagt die erfahrene Wirtin. Jede Woche ruft der Bierliefer­ant an, um zu fragen, welche Mengen er liefern soll. In letzter Zeit komme es immer öfter vor, dass Bunk sagen muss: nichts. Zweifel kämen bei ihr trotzdem nicht auf. „Ich mache das nicht wegen des Geldes“, sagt die 88-Jährige. „Es ist eine Leidenscha­ft.“Die wolle sie weiter ausleben. „Solange ich noch laufen kann und geistig fit bin“, sagt sie und lacht herzlich, wie sie es oft tut.

Hat sie keine Gäste da, liest Bunk viel in der Donau-Zeitung. Und auch dem Nachwuchs will sie sich widmen. Die 88-Jährige hat 15 Enkel und sechs Urenkel. Einer ihrer Enkel hat das in die Jahre gekommene Gebäude mit Wirtsstube und angrenzend­em Wohnhaus gekauft. „Will man die Gaststätte langfristi­g weiternutz­en, müsste man grundlegen­d sanieren“, sagt Bunks Tochter Roswitha Rau. Doch nach wie vor ist die Gaststube das Wohnzimmer von Maria Bunk – und die denkt noch nicht ans Aufhören.

Sie kocht immer noch selbst – an einem Herd mit Feuer

 ?? Foto: Andreas Schopf ?? Seit 67 Jahren ist Maria Bunk Wirtin im Gasthof Adler in Ballhausen. Obwohl die finanziell­en Bedingunge­n schwierig geworden sind, denkt die 88-Jährige noch nicht ans Aufhören.
Foto: Andreas Schopf Seit 67 Jahren ist Maria Bunk Wirtin im Gasthof Adler in Ballhausen. Obwohl die finanziell­en Bedingunge­n schwierig geworden sind, denkt die 88-Jährige noch nicht ans Aufhören.

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