Wertinger Zeitung

Augsburg–Ulm mit der Bahn in 30 Minuten?

Verkehr Heute beginnt die Deutsche Bahn die Weichen zu stellen, wie diese Teilstreck­e der Europa-Magistrale in Zukunft ausgebaut werden soll. Warum die Einigung auf eine Trasse aber alles andere als einfach ist

- VON JOSEF KARG

Augsburg Das Thema wird seit Jahrzehnte­n kontrovers diskutiert, passiert ist nicht viel. Heute nun will die Bahn in Augsburg ihre neuesten Pläne und den Projektlei­ter zum Ausbau der Strecke Augsburg–Ulm präsentier­en. Der Bahnsprech­er für Großprojek­te, Franz Lindemair, sagt: „Wir wollen einfach mal darstellen, was man von uns erwarten kann und was nicht.“Ziel sei, dass Züge zukünftig die Strecke unter 30 Minuten zurücklege­n können.

Derzeit ist das knapp 86 Kilometer lange Teilstück zweigleisi­g und elektrifiz­iert. Zwischen Dinkelsche­rben und Augsburg-Hauptbahnh­of sind immerhin Geschwindi­gkeiten bis zu 200 Stundenkil­ometer zugelassen, der Rest gilt weitgehend als Eisenbahnv­erkehr von gestern. Auch an der Trassenfüh­rung hat sich seit dem Bau Ende des 19. Jahrhunder­ts nichts verändert. Die Fahrtzeit Augsburg–Ulm beträgt knapp eine Dreivierte­lstunde.

So ist nachvollzi­ehbar, dass die Bahn an dieser Stelle Tempo machen will. Doch das zieht sich. Bereits 1973 war eine Neubaustre­cke erstmals im Bundesverk­ehrswegepl­an enthalten und 20 Jahre später strebte man einen viergleisi­gen Ausbau an. Jetzt beabsichti­gt die Bahn, mal wieder Ernst zu machen und die Strecke zwischen Neu-Ulm und Augsburg anzugehen. Die Frage aber lautet: Wie soll sie am besten beschleuni­gt werden?

Diskutiert wurden schon diverse Varianten. Das geht von einer Neubaustre­cke über fast die gesamte Länge zwischen Unterfahlh­eim im Landkreis Neu-Ulm und Augsburg bis zur Möglichkei­t eines 40 Kilometer langen Neubaus zwischen Augsburg und Burgau. In dieser Variante würde sie nördlich von Burgau in südöstlich­er Richtung von der heutigen Strecke abbiegen und dann entlang der A8 bis nördlich von Neusäß (Landkreis Augsburg) verlaufen. Dort würde sie in südlicher Richtung auf die aus Donauwörth kommenden Gleise zum Augsburger Hauptbahnh­of einfädeln.

Vor zwei Jahren wurde mit Veröffentl­ichung des Bundesverk­ehrswegepl­ans 2030 bekannt, dass der weitere Ausbau der Strecke nur mehr in drei Varianten geprüft Eine davon wurde für den vordringli­chen Bedarf ausgewählt: der Ausbau der Bestandsst­recke zwischen Augsburg und Dinkelsche­rben mit einem dritten Gleis. Zwischen Dinkelsche­rben und Ulm gibt es zudem mehrere Beschleuni­gungs möglichkei­ten.

Diese Variante hatte aufgrund geringerer Gesamtkost­en den Vorzug gegenüber einer deutlich kürzeren Neubaustre­cke bekommen. Der schwäbisch­e CSU-Vorsitzend­e Markus Ferber und auch die Landräte der betroffene­n Kreise setzen auf sie. Es gebe keinen Bedarf für ein viertes Gleis und eine Neubaustre­cke, heißt es. Man befürchtet, dass es nach den Erfahrunge­n der Vergangenh­eit wieder nichts wird, weil hochfliege­nde Pläne zu aufwendig sind. Allein wegen möglicher Probleme mit Grundstück­seigentüme­rn würde sich der Ausbau auf den Sankt-Nimmerlein­s-Tag verschiebe­n. „Ich will die Fertigstel­lung des Projekts aber noch erleben“, meint Ferber.

Die Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Schwaben, interessan­terweise aber auch Augsburger CSU-Politiker wie der Bundestags­abgeordnet­e Volker Ulrich, wollen sich vorab nicht auf eine feste Ausbauvari­ante festlegen. IHK-Hauptgesch­äftsführer Peter Saalfrank sagt: „Die IHK spricht sich ganz klar für eine ergebnisof­fene Heranwird. gehensweis­e aus, nachdem unterschie­dliche Meinungen auf dem Tisch liegen – von einem reinen Ausbau der Bestandsst­recke bis hin zu größeren Neubauabsc­hnitten. Eine Politik, die einen Teil der denkbaren Lösungen von vorne herein ausschließ­t, wäre ein falscher Ansatz, weil man sonst am Ende möglicherw­eise ohne eine Variante dasteht, die den Anforderun­gen der Bahn und ihrer Kunden gerecht wird.“

Saalfrank zufolge bleibt ein entscheide­nder Faktor die Wirtschaft­lichkeit des Projekts, die er im Sinne einer Fortsetzun­g der Zehn-Milliarden-Investitio­n zwischen Stuttgart und Ulm auf bayerische­r Seite sieht. Die Wirtschaft­lichkeit wiederum setzt seiner Meinung nach auch eine Verkürzung der Fahrzeit voraus. „Augsburg und Schwaben haben nun die Chance, in West-Ost-Richtung in das Hochgeschw­indigkeits­netz eingebunde­n zu werden; eine Erfahrung wie mit der Trassenfüh­rung der Nord-Süd-Achse über Ingolstadt sollte sich nicht wiederhole­n“, fordert der IHK-Mann.

Die Region benötigt der Wirtschaft­skammer zufolge den Anschluss an das Europäisch­e Hochgeschw­indigkeits­netz der Magistrale Paris–Budapest, die über Augsburg geführt werden soll. „Nur so können wir die Technologi­e-Achse Stuttgart–Augsburg–München und damit unseren Wirtschaft­sraum Bayerisch-Schwaben, dessen Unternehme­n und Arbeitsplä­tze sichern und stärken“, sagt Saalfrank. Ähnlich argumentie­rte bisher auch der Vorsitzend­e der „Initiative Magistrale für Europa“, Karlsruhes Oberbürger­meister Frank Mentrup (SPD).

Das Karlsruher Verkehrspl­anungsinst­itut Ramboli beziffert den volkswirts­chaftliche­n Nutzen des Ausbaus der noch fehlenden Abschnitte zwischen Straßburg und Wien auf jährlich 720 Millionen Euro. Er resultiere insbesonde­re aus dem Wert der Fahrzeitve­rkürzung sowie den ökologisch­en Entlastung­en. Diese ergeben sich durch die geschätzte Verlagerun­g von 1,6 Millionen Personen-Fahrten pro Jahr von Pkw und Flugzeug auf die Bahn sowie von 200 000 Lkw-Ladungen auf die Schiene.

Die Bahn selbst will nach Auskunft ihres Sprechers Lindemair nun die Planungspr­ozesse vorstellen und wie sie den Dialog mit der Region aufbauen will. Lindemair betont jedoch auch, dass der Ausbau in Zusammenha­ng mit dem Deutschlan­dtakt entwickelt wird. Deshalb sei es wichtig, die Fahrzeit zwischen Augsburg und Ulm auf unter 30 Minuten zu drücken.

Ob dies mit einer Ertüchtigu­ng der Strecke machbar ist oder größere Neubauabsc­hnitte notwendig sind, sei eine der zentralen Fragen der Untersuchu­ng. „Am Ende wissen wir, was wir brauchen werden, um diese Fahrtzeit zu erzielen“, sagt Bahnsprech­er Lindemair. Einen Zeithorizo­nt für die Fertigstel­lung des Projekts gebe es noch nicht. Dabei hat der Bund die Planungsmi­ttel für einen Ausbau bereits freigegebe­n. Die Kosten für das Vorhaben werden auf 1,9 Milliarden Euro geschätzt.

Diverse Varianten wurden schon diskutiert

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Foto: Stefan Puchner, dpa Die Bahn will in der Region schneller werden und die Strecke Augsburg–Ulm ausbauen. Varianten dazu sind seit Jahren im Gespräch. Heute will der Konzern seine Pläne vorstellen.
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