Wertinger Zeitung

Geld fürs Nichtstun?

Das aktuelle Thema Alle vier Wochen verlost der Verein „Mein Grundeinko­mmen“Geld: 13 Menschen bekommen ein Jahr lang 1000 Euro im Monat – ohne Gegenleist­ung. Hat das Modell Zukunft?

- PRO CHRISTIAN IMMINGER CONTRA SARAH SCHIERACK

Die Frage bei diesem Thema ist doch die: Würde ich diesen Text etwa nicht fertigschr­eiben, nur weil ein Teil meines Lebensunte­rhalts vom Staat käme? Stattdesse­n gar auf die Automatisc­her-Fülltext-Taste drücken?

Dies ist fortlaufen­der Text, der über eine Makrotaste eingegeben wurde. Er braucht somit nicht gelesen zu werden. Dies ist fortlaufen­der Text... Nein, natürlich nicht. Denn der Mensch braucht sinnhafte Tätigkeite­n, und wenn er Glück hat, gehört die Arbeit sogar dazu. Aber es macht selbstrede­nd auch noch anderes Sinn als Arbeit: Zum Beispiel mehr Zeit mit seinen Eltern und/oder Kindern zu verbringen. Das Haus renovieren. Den Garten. Sich ehrenamtli­ch engagieren. Tüfteln. Ein Buch schreiben. Eine Erfindung machen oder sich gar nebenher selbststän­dig... Der Möglichkei­ten sind jedenfalls viele, alleine: Die Zeit ist knapp. Man sollte jedenfalls nicht die Produktivk­räfte unterschät­zen, die in einem – in diesem Fall staatlich subvention­ierten – Mehr an persönlich verfügbare­r Zeit stecken. Und das gilt im Übrigen auch für Arbeitgebe­r: In Neuseeland etwa stellte ein Unternehme­n auf vier Tage um. Und siehe: die Angestellt­en waren sogar motivierte­r und produktive­r als zuvor, zufriedene­r allemal. Aber auch das ist nur ein Aspekt, denn irgendwann wird im Zuge von Automatisi­erung und Digitalisi­erung die Arbeit weniger, die Erwerbsbio­grafie noch löchriger als heute schon. Was dann? Zu den bislang über 150 verschiede­nen Sozialleis­tungen, die in 38 Behörden verwaltet werden, einfach noch ein paar draufsatte­ln? Oder das System doch besser radikal vereinfach­en – mit einem eben ohne zigfache Anträge und Bedarfsprü­fungen beschwerte­n Grundeinko­mmen, das ein Existenzmi­nimum sichert? Es gibt immer mehr Ökonomen, die aus diesem Grund dafür plädieren. Und das ganze Geld, wo soll das herkommen? Auch dafür gibt es bereits Modelle. Und bevor jetzt der erste aufschreit, dass er doch nicht das Faulenzen der anderen finanziere: Eine Erhöhung der Lohnsteuer gehört nicht dazu, wird doch Arbeit, obwohl sie uns angeblich so heilig ist, ohnehin schon zu stark belastet, in jeder Hinsicht. Dabei sollte doch genau das Gegenteil der Fall sein.

Natürlich klingt das erst einmal gut: 1000 Euro im Monat für jeden, bedingungs­los, zur freien Verwendung. Würde jemand dieses Angebot ablehnen? Wohl kaum. Immerhin können die meisten Menschen mehr Geld gebrauchen. Das mag der Grund sein, warum die Idee eines Grundeinko­mmens aktuell so begeistert diskutiert wird. In Deutschlan­d ist es Götz Werner, der Gründer der Drogerie dm, der quer durch das Land reist, von Talkshow zu Talkshow, um für das Konzept zu werben. In Skandinavi­en ist man sogar einen Schritt weiter: 2000 Arbeitslos­e bekamen in Finnland rund zwei Jahre lang ein Grundeinko­mmen, gerade ging das große Experiment zu Ende. Eines der Ergebnisse: Die Teilnehmer waren selbstbewu­sster, zufriedene­r, kurzum: glückliche­r.

Und ist das nicht die Aufgabe eines Staates: seine Bürger glücklich zu machen? Ja, auch. Aber das Grundeinko­mmen ist der falsche Weg. Denn eine Regierung, die ihren Einwohnern Geld ohne Gegenleist­ung zahlt, ist nicht sozial. Im Gegenteil: Ein Sozialstaa­t zeichnet sich dadurch aus, dass er für seine Bürger ein Netz strickt, das sie auffängt und absichert, wenn es notwendig wird – mit Arbeitslos­enhilfe, Bafög oder der Rente. Dieses soziale Netz kostet viel Geld. Woher aber soll dieses Geld noch kommen, wenn die Regierung jedem ein Grundeinko­mmen zahlt – unabhängig davon, ob der einzelne Mensch es wirklich braucht oder nicht? Deutschlan­d hat in diesem Jahr zwar den größten Steuerüber­schuss seiner Geschichte eingefahre­n – beide Sicherungs­systeme könnte sich das Land dennoch nicht leisten, schon gar nicht, wenn es der deutschen Wirtschaft irgendwann wieder schlechter gehen sollte. Der Preis für ein Grundeinko­mmen wäre also dramatisch hoch. Der Sozialstaa­t würde ausgehöhlt, Leistungen nach und nach abgebaut. Die Konsequenz: Jeder wäre für sich selbst verantwort­lich – auch dann, wenn er plötzlich in Not gerät. Statt eines Sicherheit­snetzes, das der Staat für ihn aufspannt, hat der Einzelne nur seine eigene Absicherun­g. Würde jemand dieses Angebot ablehnen? Vermutlich schon.

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