Wertinger Zeitung

Geldwäsche: EU blockiert sich selbst

Schwarze Liste Seit Jahren will Brüssel den Kampf gegen das Verbrechen aufnehmen. Doch den Worten folgen keine Taten. Dahinter stecken handfeste politische Interessen

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Selbst langjährig­e Beobachter in Brüssel können sich nicht an einen derart heftigen Streit zwischen der EU-Kommission und ihren Mitgliedst­aaten erinnern. Im Zentrum des Konflikts steht eine schwarze Liste, auf der Länder vermerkt sind, die unter Geldwäsche­verdacht stehen. Die Kommission will die Liste als scharfes Schwert gegen Steueroase­n einsetzen, doch die EU-Länder blockieren dies in seltener Einigkeit.

Die schwarze Liste enthält die Namen von 23 Staaten – darunter Saudi-Arabien, Panama und einige US-Territorie­n wie Samoa, die amerikanis­chen Jungfernin­seln, Puerto Rico und Guam. Auch Nordkorea und Pakistan, Tunesien, Ghana und Sri Lanka gehören dazu. 54 Länder wurden überprüft, 23 blieben übrig. Ihnen wirft die Brüsseler EU-Kommission vor, an Geldwäsche und/ oder Terror-Finanzieru­ng beteiligt zu sein. Sollte die Aufstellun­g aus der Feder von EU-Justizkomm­issarin Vera Jourová von den Mitgliedst­aaten beschlosse­n werden, müssten europäisch­e Banken künftig bei Transaktio­nen mit Kunden aus diesen Ländern schärfere Kontrollen anwenden, um verdächtig­e Geldflüsse zu erkennen – und möglicherw­eise zu stoppen.

Doch das Projekt wankt. Bei einer ersten Testabstim­mung im Kreis der 28 Ländervert­reter Ende dieser Woche gab es gerade eine Zustimmung – und die kam aus Belgien, das Land hat derzeit nur eine geschäftsf­ührende Regierung ohne Mehrheit. Auch Deutschlan­d stimmte dagegen. Da die Liste nur als Ganzes angenommen werden kann – das Streichen einzelner Länder ist nicht möglich –, scheint ein Scheitern nicht ausgeschlo­ssen.

Der Grund sind handfeste politische Interessen: Die Außenminis­ter aus Riad und Panama wurden in Brüssel vorstellig, um gegen die Aufnahme auf die schwarze Liste zu intervenie­ren und diplomatis­chen Druck aufzubauen. König Salman ibn Abd al-Aziz soll zuletzt beim Gipfeltref­fen der EU mit der Arabischen Liga Drohungen ausgesproc­hen haben. Mit Washington bahnt sich ebenfalls eine heftige Auseinande­rsetzung wegen der US-Regionen an. Hinzu kommt: Die EU-Regierunge­n selbst werfen sich gegenseiti­g „politische Interessen“vor. So sprechen EU-Diplomaten hinter vorgehalte­ner Hand davon, dass Frankreich und Großbritan­nien ihre Ölgeschäft­e mit Saudi-Arabien nicht aufs Spiel setzen wollen. Inzwischen gehört auch Deutschlan­d zu denen, die die Saudis lieber nicht öffentlich brüskieren möchten. Spanien und Italien dringen darauf, Panama wieder zu streichen. Der Grünen-Finanzexpe­rte Sven Giegold erklärte: „Es ist beschämend, dass die EURegierun­gen die schwarze Liste der Europäisch­en Kommission sabotieren und ein wichtiges Instrument im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismu­sfinanzier­ung blockieren.“

Die Diplomaten der EU-Staaten wollten nun am Freitag von der Kommission wissen, nach welchen Kriterien die Liste zustande gekommen sei. Zunächst hatte die Behörde nämlich nur jene elf Staaten mit Sanktionen belegen wollen, die auch von der Financial Action Task Force, einer Anti-Geldwäsche-Organisati­on, als Schuldige geführt werden. Doch das Europäisch­e Parlament lehnte den Vorschlag ab – unter anderem deshalb, weil SaudiArabi­en und Panama ausgeklamm­ert wurden. Daraufhin bezog die Kommission Daten der Polizeibeh­örde Europol sowie des eigenen Auswärtige­n Dienstes mit ein.

Die Europa-Parlamenta­rier bestehen nun ebenfalls auf Einsicht in die Unterlagen der Kommission, was dauern könnte. Damit würde das Vorhaben auf Monate hinaus verschoben. Denn eine von der EU-Verwaltung und den 28 Regierunge­n gemeinsam beschlosse­ne schwarze Liste muss von den Abgeordnet­en gebilligt werden. Und die tagen vor der Europawahl im April zum letzten Mal. Dann könnte es bis zum Herbst dauern, bis ein neues Plenum und eine Kommission wieder arbeitsfäh­ig sind.

„Es ist beschämend, dass die EU-Regierunge­n die schwarze Liste der EUKommissi­on sabotieren.“

Sven Giegold, Abgeordnet­er der Grünen

Newspapers in German

Newspapers from Germany