Wertinger Zeitung

Die CSU muss ihr Profil als Volksparte­i schärfen

Die schwarz-orange Koalition regiert in München erstaunlic­h geräuschlo­s – zumindest auf den ersten Blick. Hinter den Kulissen brodelt es

- VON ULI BACHMEIER jub@augsburger-allgemeine.de

Die Autoren und Regisseure des Nockherber­g-Singspiels sind dieses Jahr nicht zu beneiden. Sie müssen das Männer-Duo Söder/Aiwanger auftreten lassen, für das vermutlich nur sehr schwer eine literarisc­he Vorlage zu finden ist. Winnetou und Old Shatterhan­d? Zu heldenhaft. Ernie und Bert? Zu albern. Stan und Olli? Zu riskant (könnte richtig Ärger geben). Oder vielleicht doch Asterix und Obelix, die aufpassen, dass ein kleines Dorf namens Bayern mitsamt seinen querköpfig­en und sturschäde­ligen Einwohnern nicht unter die Räder kommt? Auch schwierig. Wer soll da der schlaue Kleine, wer der starke Dicke sein?

Tatsächlic­h sieht es so aus, dass es für dieses Männer-Duo keine brauchbare­n Vorbilder gibt – weder in der Literatur, noch im Film und auch nicht in der Politik. Die schwarz-orange Koalition in Bayern ist einzigarti­g. Und sie ist zugleich ein einzigarti­ges politische­s Experiment. Zwei bayerische Parteien, die außerhalb des Freistaats keine weitere Instanz über sich haben, sind innerhalb weniger Monate so eng zu einer „Bayern-Koalition“verschmolz­en, dass sie von den Grünen schon als „schwarzer Block“verspottet werden.

Von außen betrachtet mag es so erscheinen. Dass die CSU nicht mehr alleine, sondern mit den Freien Wählern regiert, hat das Leben der allermeist­en Bürger in keiner Weise verändert. Im Innenleben der beiden Parteien aber sieht es ganz anders aus. Dort sind umwälzende Veränderun­gen im Gange, deren Auswirkung­en auf die künftige Entwicklun­g in der Landespoli­tik nicht absehbar sind.

Schlagarti­g geändert hat sich mit dem Eintritt in die Regierung der Charakter der Freien Wähler. Früher konnte dort jeder Landtagsab­geordnete sagen und fordern, was er wollte. Jetzt muss er erst beim Koalitions­partner fragen, was er sagen, fordern und wollen darf. Ein bunter Haufen Freigeiste­r mutiert Schritt für Schritt zu einer kleinen CSU neben der großen CSU. Das gefällt nicht jedem, der sich als Freier fühlt, aber es gefällt jenen, die – endlich! – regieren dürfen.

Dass die große CSU jetzt eine kleine CSU braucht, ist eines ihrer zentralen Probleme. Klar: Es hätte aus Sicht der Partei schlimmer kommen können. Eine Koalition mit den Grünen eingehen zu müssen, hätte die CSU vor eine Zerreißpro­be gestellt. Aber da wäre wenigstens klar gewesen, wer man selber ist und wo innerhalb der Koalition die Frontlinie­n verlaufen.

Im Wettbewerb mit den Freien geht es für die CSU dagegen darum, ihr Profil als Volksparte­i neu zu schärfen und möglichst auch im täglichen Geschäft wieder wacher, schneller und leidenscha­ftlicher zu sein. Sonst ist am Ende die Unterschei­dbarkeit völlig dahin und die Bayern gewöhnen sich an SchwarzOra­nge, so wie sie sich über Jahrzehnte an die CSU-Alleinherr­schaft gewöhnt hatten. Davor graut es all jenen in der CSU, die von alter Herrlichke­it träumen. Andere sagen: Hört auf zu träumen, diese Zeiten sind längst vorbei.

In diesem Spannungsf­eld agieren die beiden Parteichef­s. Wie sich die Kräfteverh­ältnisse auf längere Sicht entwickeln, wird sich nicht in erster Linie an der Spitze, sondern vor allem an der Basis entscheide­n – also dort, wo sich die Freien Wähler dereinst in erklärter Gegnerscha­ft zur CSU formiert haben.

Kurzfristi­g, also mindestens bis zur Europawahl im Mai, geht es für Söder und Aiwanger darum, als Regierung Einigkeit zu demonstrie­ren. Das fällt ihnen leicht, weil sie kein echtes Streitthem­a haben. Außer vielleicht die Stromtrass­en, die Aiwanger bekämpft wie dereinst Don Quijote die Windmühlen.

Don Quijote und Sancho Pansa? Wär das was? Nein. Auch diese Geschichte taugt wohl nicht als Vorlage für den Nockherber­g.

Ein echtes Streitthem­a haben CSU und FW nicht

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