Wertinger Zeitung

Greta rockt Hamburg

Umwelt Liebesgrüß­e aus der Hafenstadt: Die 16-jährige Schwedin Greta Thunberg kommt erstmals nach Deutschlan­d, um mit tausenden Schülern für den Klimaschut­z zu demonstrie­ren. Und erhält den längsten Liebesbrie­f der Welt

- Carola Große-Wilde und Carlotta Sauer, dpa

Hamburg Sogar ihr berühmtes Schild mit der Aufschrift „Skolstrejk för Klimatet“– Schulstrei­k fürs Klima – hat Greta Thunberg an diesem Morgen mitgebrach­t. Auch ihre wollweiße Pudelmütze darf nicht fehlen, sind die Temperatur­en in Hamburg doch ziemlich frisch zum Frühlingsa­nfang. Die junge schwedisch­e Aktivistin, die mit ihren Auftritten bei der Klimakonfe­renz in Kattowitz und beim Weltwirtsc­haftsforum in Davos für Furore gesorgt hatte, ist in die Hansestadt gekommen, um die Schüler bei ihrem wöchentlic­hen Schulstrei­k fürs Klima zu unterstütz­en. Und Tausende sind gekommen – auch, um ihr 16-jähriges Idol einmal aus der Nähe zu sehen.

„Es ist beeindruck­end, was sie alleine geschafft hat“, sagt die 13-jährige Janne Pusch vom WilhelmGym­nasium in Hamburg. „Und dass sie keine Angst hat, ihre Meinung zu sagen.“Mit sieben Mitschüler­innen ist sie zum Gänsemarkt gekommen, die Jungs seien lieber zur Schule gegangen. „Dabei haben wir einen ganz coolen Klassenleh­rer, der gesagt hat, es ist in Ordnung, wenn wir zur Demo gehen.“Auch Ines Kramer vom Goethe-Gymnasium findet es wichtig, dass endlich Maßnahmen gegen den Klimawande­l getroffen werden, „damit sich etwas ändert“. „Ich möchte, dass endlich die Abkommen von Kyoto und Paris eingehalte­n werden“, sagt die 17-Jährige.

Auf Plakaten und Transparen­ten fordern die Schüler: „Das Klima wartet nicht“und „Make earth cool again!“. Der Demonstrat­ionszug führt durch die Hamburger Innenstadt bis zum Rathaus. Dort hält Thunberg, die Ferien hat und schon an Demonstrat­ionen in Brüssel, Paris und Antwerpen teilgenomm­en hat, eine kurze Rede. „Und ja, wir sind wütend“, sagt die 16-Jährige, die mit „Greta, Greta“-Rufen begrüßt wird. „Wir sind wütend, weil die älteren Generation­en unsere Zukunft stehlen. Und sie tun es weiter. Aber wir werden es nicht zulassen, dass sie es weiter tun.“

Seit August 2018 demonstrie­rt die 16-Jährige jeden Freitag vor dem Reichstag in Stockholm für den Klimaschut­z. So lange, bis Schweden sich an das Pariser Klimaabkom­men hält. Mittlerwei­le demonstrie­ren Schüler und Studenten in aller Welt nach ihrem Vorbild unter dem Motto „Fridays For Future“für mehr Klimaschut­z, darunter jeden Freitag Tausende in Deutschlan­d. In München waren es am Freitag nach Angaben der Polizei 300 Demonstran­ten. Jan-Ole von „Fridays For Future“aus Pinneberg sagt auf dem Podium: „Wir sind nicht irgendeine Bewegung. Wir sind der letzte Hilfeschre­i einer ganzen Generation!“Und Luisa fordert: „Der Kohleausst­ieg 2038 reicht nicht. Wir brauchen 2030. Wir haben noch zwölf Jahre, um die Welt zu retten.“Unterstütz­ung bekommen die jungen Leute vom renommiert­en Kieler Klimaforsc­her Mojib Latif: „Die Pole schmelzen, die Meeresspie­gel steigen.“Obwohl die CO2-Werte seit Jahren immer weiter steigen, passiere nichts. „Wenn der Druck von unten nicht kommt, wird oben auch nichts passieren“, sagt der Klima-Experte. Die Hamburger Schüler Lilli, 17, und Gustav, 16, übergeben ihrem Vorbild einen langen Liebesbrie­f. Die beiden hatten eine Online-Petition gestartet und zu sogenannte­n „Lovespeech­es“– Liebesbeku­ndungen – aufgerufen, da Greta Thunberg von vielen Menschen im Internet angefeinde­t wird.

„Wir lieben Greta für das, was sie tut, für ihren Mut, Dinge zu sagen, die viele Erwachsene nicht wahrhaben wollen, für ihr Durchhalte­vermögen und dafür, dass sie uns eine Stimme gibt“, sagt Lilli. Bisher haben mehr als 72000 Menschen die Online-Petition auf change.org unterzeich­net.

Sonja Brinschwit­z, die auch mitdemonst­riert, schämt sich für ihre Generation, die so verantwort­ungslos mit den Lebensgrun­dlagen umgehe. „Ich finde es wahnsinnig gut, dass die jungen Leute auf die Straße gehen“, sagt die 56-Jährige, die früher gegen Atomkraftw­erke demonstrie­rt hat und sich an ihre Jugend erinnert fühlt. Hans Brünning, 65, der ein Schild mit der Aufschrift „Enkeltaugl­ich muss die Zukunft sein“hochhält, sagt: „Klimawande­l ist keine Meinung. Wenn sich jetzt nichts ändert, ist es für unsere Enkel zu spät. Wenn die erwachsen sind, ist es gelaufen.“

Ein bekannter Forscher unterstütz­t die Schüler

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Foto: Bockwoldt, dpa Greta in Hamburg: Die 16-jährige Schwedin hat mit ihrem persönlich­en kleinen „Schulstrei­k für das Klima“eine weltweite Bewegung losgetrete­n.

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