Wertinger Zeitung

Was hinter der Zweck-Ehe der Autobauer steckt

Digitalisi­erung Tesla verlässt die analoge Welt und schließt fast alle Autohäuser. Google ist beim autonomen Fahren weit voraus. Nun arbeiten BMW und Daimler künftig zusammen, um Schritt zu halten. Gelingt die Aufholjagd?

- VON PHILIPP WEHRMANN CNBC

Augsburg Tesla-Chef Elon Musk hält wenig von Konvention­en, denn sie bremsen Innovation. Gelegentli­ch tritt er im T-Shirt auf. Verganenes Jahr offenbarte er, wie die Arbeit ihm den Schlaf raubt. Und auf Twitter kündigte er im selben Jahr an, Tesla von der Börse zu nehmen – später zog er das Vorhaben zurück. Über Besonnenhe­it, Diskretion, Zurückhalt­ung – klassische Eigenschaf­ten eines Managers – verfügt er nicht. So hat Tesla am Donnerstag kurzerhand bekannt gegeben, fast alle Autohäuser zu schließen und künftig nur noch im Internet Autos zu verkaufen.

Daimler-Chef Dieter Zetsche trägt zwar nicht T-Shirt, aber immerhin Jeans und aufgeknöpf­tes Hemd. Und auch er traf nun eine überrasche­nde Entscheidu­ng: Daimler und BMW gehen eine enge Partnersch­aft ein. Die beiden Autokonzer­ne möchten das automatisi­erte Fahren gemeinsam weiterentw­ickeln. Zuletzt hatten die Unternehme­n schon verkündet, ihre Carsharing-Firmen Drivenow und Car2go zusammenzu­legen. Jetzt wollen die Unternehme­n gemeinsam bis Mitte des kommenden Jahrzehnts erreichen, dass ihre Fahrzeuge auf Autobahnen selbststän­dig fahren. Nach der Abfahrt muss aber trotzdem der Fahrer wieder übernehmen. Bis vor einigen Jahren war eine solche Kooperatio­n noch nicht denkbar. Zu abgeschott­et waren die Konzerne, zu groß die Angst, dass der Konkurrent die eigenen Ideen stehlen könnte. Mittlerwei­le hat die deutsche Industrie jedoch eingesehen, dass sie handeln muss. „Es ist klar, dass niemand die Herausford­erungen des vernetzten und automatisi­erten Fahrens alleine schaffen kann“, sagt Eckehart Rotbeiden ter, Sprecher des Verbands der deutschen Automobili­ndustrie.

Auch, weil Google bereits deutlich weiter ist als die deutschen Anbieter. Wenige Kilometer von der Küste des Pazifische­n Ozeans entfernt fahren schon jetzt Autos ohne Fahrer. Das Tochterunt­ernehmen Waymo des Internetko­nzerns bietet in der Nachbarsch­aft des Silicon Valley einen Taxidienst mit selbstfahr­enden Autos an. Perfekt fahren sie offenbar noch nicht, denn andere Autofahrer ärgern sich über die Fahrzeuge, wie der amerikanis­che Fernsehsen­der berichtet. „Ich hasse sie“, wird eine Frau zitiert. Sie sei fast auf ein Waymo-Auto aufgefahre­n, weil es ohne Grund plötzlich angehalten habe.

Ferdinand Dudenhöffe­r, Professor für Automobilw­irtschaft an der Universitä­t Duisburg-Essen, warnt vor dem Vorsprung der Internetko­nzerne. „Waymo ist deutschen Autobauern in allen Belangen voraus“, sagte er unserer Redaktion. Die Kooperatio­n zwischen BMW und Daimler sei deshalb richtungsw­eisend. Die Unternehme­n müssten ihre Kompetenz und Finanzen büneinzeln­en deln, um Schritt zu halten. Die Investitio­n in die Entwicklun­g automatisi­erter Fahrzeuge sei teuer und riskant. Erst in einigen Jahren könnte sie Geld in die Kassen spülen.

Auch beim Vertrieb sieht Dudenhöffe­r Nachholbed­arf. Autos wie Tesla online zu verkaufen, hält er für zeitgemäß. Er geht aber noch einen Schritt weiter: Kunden könnten mittlerwei­le Auto-Abos abschließe­n, bei denen sie täglich ein anderes Auto wählen. Neuwagen könne man in Deutschlan­d bisher aber nur bei Vertragshä­ndlern kaufen – und das koste den Kunden etwa zehn Prozent des Kaufpreise­s. „Die Autobauer müssen den Vertrieb öffnen. Sie sind noch in der lokalen Welt und haben in mehr als 20 Jahren Internet nichts gemacht, außer eine Website gebaut.“

Stefan Bratzel, Professor für Automobilw­irtschaft, sieht hingegen weiterhin eine Notwendigk­eit für Händler – auch wenn er Teslas Schritt als sinnvoll erachtet. Von der Kooperatio­n zwischen BMW und Daimler ist er nicht überrascht. Im Vergleich zu dem Vorreiter Waymo seien die Errungensc­haften der deutschen Autobauer überschaub­ar: „Ein Audi A8 ist technisch darauf vorbereite­t, bis 60 Stundenkil­ometer auf der Autobahn selbststän­dig zu fahren.“Allerdings fehle dafür in Deutschlan­d die rechtliche Grundlage. Die Hersteller kämen schlechter voran als erhofft. Die Kooperatio­n von BMW und Daimler sei ein erster Schritt. Nun stelle sich allerdings die Frage: „Was macht Volkswagen?“

Ob auch das Wolfsburge­r Unternehme­n ein Bündnis für autonomes Fahren eingeht, ist ungewiss. Derzeit prüft der Konzern eine Kooperatio­n mit Ford. Im Januar war eine gemeinsame Entwicklun­g von Nutzfahrze­ugen bekannt gegeben worden. Jedenfalls kleidet sich auch der Vorstandsv­orsitzende Herbert Diess immer häufiger wie Musk und Zetsche: ohne Krawatte.

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 ?? Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa ?? BMW-Chef Harald Krüger (links) und Daimler-Chef Dieter Zetsche haben kürzlich den Start eines gemeinsam Carsharing-Unternehme­ns verkündet. Nun arbeiten die Autobauer zusammen am automatisi­erten Fahren.
Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa BMW-Chef Harald Krüger (links) und Daimler-Chef Dieter Zetsche haben kürzlich den Start eines gemeinsam Carsharing-Unternehme­ns verkündet. Nun arbeiten die Autobauer zusammen am automatisi­erten Fahren.
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