Plötzlich Prinzenpaar
Titel-Thema Sonja und Joachim Jakob wurden vor 35 Jahren zum Faschingsprinzenpaar gekürt. Völlig überraschend. Sie erzählen, was sie in dieser Zeit erlebt haben und wie sehr sich die fünfte Jahreszeit mittlerweile verändert hat
Gerolsbach Dick und schwer liegt das Fotoalbum mit dem braunen Ledereinband auf dem Wohnzimmertisch von Sonja und Joachim Jakob. Darin eingeklebt hat das Ehepaar aus Gerolsbach im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm hunderte Fotos und Zeitungsausschnitte. Sie zeigen die beiden mal auf einer Bühne vor vielen Menschen, mal auf großen Festen, als Scheich und Haremsdame verkleidet und in eleganter Abendrobe. Es sind Aufnahmen aus den Jahren 1984 und 1985, als die beiden zum Faschingsprinzenpaar gekürt wurden.
35 Jahre ist das mittlerweile her, jetzt erzählen Sonja und Joachim Jakob, die seit 51 Jahren verheiratet sind, was sie in den 80ern erlebt haben und wie sehr sich der Fasching seither verändert hat. Sie sagt: „Wir waren schon ein ungewöhnliches Prinzenpaar.“
Das Fotoalbum, in denen alle Faschingsbilder eingeklebt sind, halten die beiden zwischen sich, aufgeschlagen sind die Seiten mit einem Zeitungsausschnitt und mehreren Fotos. Darauf zu sehen ist Sonja Jakob in einem silbernen Kleid mit weiten Puffärmeln und einem Glitzerstirnband, ihr Ehemann trägt einen hellen Smoking und dazu eine Prinzenkappe. Sonja Jakob erzählt: „Meistens sind es ja junge Erwachsene, die im wahren Leben gar nicht zusammen sind. Mit 38 und 45 Jahren waren wir dagegen schon älter und seit vielen Jahren verheiratet.“
Im Herbst 1984 kam die Vereinsvorsitzende der Narhalla Bad Füssing – damals lebte das Ehepaar in Niederbayern – unerwartet auf sie zu und fragte, ob die beiden sich zum nächsten Prinzenpaar küren lassen wollten. Sonja Jakob: „Es wollte niemand anderes machen. Doch damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet.“Für Joachim Jakob war die Entscheidung klar: „Ich habe mir gedacht: Nur jetzt haben wir die Gelegenheit und können so etwas noch machen. Wenn wir erst mal im Altenheim sind, dann ist es zu spät.“
Doch die Jakobs sagten nur unter einer Bedingung zu: In den Jahren davor hätten die Paare oft über 10000 Mark für ihre Garerobe ausgegeben. Doch dagegen habe sich Sonja Jakob gesträubt. „Ich habe nur zugestimmt, weil wir unsere Abendkleider und Smokings, die wir früher in der Oper anhatten, tragen durften.“
Am 11. November um 11.11 Uhr im Jahr 1984 beginnt die Amtszeit von Joachim I. und Sonja I. in einem Lokal. Für das Paar werden es Monate voller Reden, Ordensverleihungen, Honorationen, Balleröffnungen und mit jeder Menge Bussis. „Viele Männer waren immer sehr aufdringlich. Ein Kuss auf die Wange, wenn wir eine Auszeichnung überreicht haben, war ja in Ordnung. Aber viele wollten immer direkt auf den Mund.“Sonja und Joachim Jakob ziehen von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf. Sie werden von den Buben und Mädchen im Kindergarten als „Königin und Kö- nig“gefeiert. Die Fahrt beim Faschingsumzug in einem roten Mercedes-Cabrio bei minus 20 Grad Celsius haben sie heute noch genau in Erinnerung. Jedes Wochenende und viele Abende unter der Woche sind die beiden damals unterwegs. „Da brauchte man eigentlich gar keinem Beruf nachgehen, so zeitintensiv war das“, sagt Joachim Jakob.
Als wunderschön und ein einzigartiges Erlebnis beschreibt das Ehepaar die Wochen als Prinzenpaar. Sie sitzen an einem ovalen Esstisch in ihrem stilvoll eingerichteten Wohnzimmer. Sie trägt die blonden Haare streng zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden, dazu ein rosafarbenes Oberteil mit bunten Pailletten an den Schultern. Er hat einen weißen Pullover mit beigefarbenen Flicken an den Ellenbogen an, darunter ein blau-weiß gestreiftes Hemd. Beide sind sich einig: „Unser absoluter Höhepunkt was der Besuch in Köln im Februar.“Ihr Faschingsverein pflegte in den 80er Jahren eine Partnerschaft mit der Kölner Karnevalsgesellschaft AltLindenthal. „Mit Köln kann man unseren Fasching gar nicht vergleichen. Karneval ist dort einzigartig.“Sonja und Joachim Jakob halten auf einer Veranstaltung ihre Rede, erfüllen ihre üblichen Pflichten. Doch als die beiden ihre Jacken anziehen und sich verabschieden wollen, gibt es eine Überraschung. Das Kölner Dreigestirn – Prinz, Bauer und Jungfrau – ehrt das bayerische Prinzenpaar mit dem besonderen Dreigestirnsorden. „Der Prinz war so aufgeregt, er konnt mir die Nadel gar nicht anstecken, das musste ich dann selber machen“, erinnert sich Joachim Jakob.
Gern denkt das Ehepaar an dieses Erlebnis zurück. „Aber wir waren auch froh, als es vorbei war.“In der Nacht zum Aschermittwoch beerdigten die beiden den Fasching, am nächsten Tag ging es noch zum Fischessen, dann war alles vorbei. Zwei Jahre später traten die beiden aus dem Verein aus. Heute sagen sie: Der Fasching habe sich ziemlich ins Negative entwickelt.
Sonja Jakob erzählt: „Die Zeiten haben sich geändert. Wir gingen noch in Abendgarderobe, später hatten alle Jogginganzüge an.“Auch mit dem Alkohol seien die Faschingsfreunde ganz anders umgegangen. „Als Prinzenpaar haben wir nie einen Schluck getrunken. Und sonst nur ein Glas Champagner.“Heutzutage sei das ganz anders, auch der Drogenkonsum habe zugenommen. Doch Sonja Jakob ist der Meinung: „Ich finde, Fasching sollte dazu da sein, dass man den Alltag vergisst, sich maskiert und man Freude hat. Aber bitte nicht mit Alkohol und Drogen, da empfindet man ja nichts mehr dabei.“Joachim Jakob ergänzt: „So etwas haben wir nie gebraucht. Unsere Droge war die Musik.“