Europas Zentralbank öffnet den Tresor
Sammlung Wie viele andere Geldhäuser besitzt auch die EZB Kunst. Darüber soll die Öffentlichkeit künftig mehr erfahren
Frankfurt am Main Auf dem Weg zu den großen Konferenzsälen der Europäischen Zentralbank (EZB) wird der Besucher von leuchtendem Orange und Violett geblendet. Auf einem zwei Meter hohen Ölgemälde sitzt inmitten einer asiatisch anmutenden Landschaft ein glatzköpfiger Mann. Er scheint bei der Gartenarbeit ganz in sich zu ruhen. „Landschappeling“(Landschaftsgestaltung) hat der belgische Künstler Hans Vandekerckhove sein Bild genannt. Mit seinem meditativen Charakter kann es durchaus als Symbol für die zahlreichen Konferenzen im EZB-Hauptquartier im Frankfurter Ostend verstanden werden.
Das Werk haben die Eurobanker bereits vor 18 Jahren gekauft, als die EZB noch ein Hochhaus im Frankfurter Bankenviertel in der Innenstadt angemietet hatte. Vor fünf Jahren hat sich die EZB für 1,3 Milliarden Euro einen spektakulären Doppelturm direkt am Mainufer hingestellt. In dem mit viel Stahl und Glas umgebauten 250 Meter langen Eingangsbereich, der aus der denkmalgeschützten früheren Großmarkthalle entstanden ist, bieten sich ganz andere Möglichkeiten zur Präsentation von Kunst. Doch bisher haben das nur wenige mitgekriegt. Führungen, die es nach der Eröffnung des Doppelturms schon gegeben hatte, sollen nun wieder regelmäßig angeboten werden.
Das hängt mit der TransparenzOffensive der Euro-Banker zusammen. Nach anhaltender Kritik an ihrem abgeschotteten Dasein bringt die EZB eine eigene App heraus, die das Leben in den fast 200 Meter hohen Türmen transparenter machen soll – zumindest digital. Im SpätFrühjahr soll die App zum Herun- terladen zur Verfügung stehen. Neben der Architektur geht es in der App auch ausführlich um die Kunstsammlung, inklusive Interviews mit Künstlern.
Gesammelt wird von der EZB nur zeitgenössische europäische Kunst – mit Fokus auf die EU-Länder. Jedes Jahr widmet die Bank im Eingangsfoyer eine Ausstellung einem anderen Land. Im vorigen Jahr war es Estland, dieses Jahr wird es Kroatien sein. In der Regel werden dann zehn bis 15 Werke aufgekauft, wie Art Consultant Britta von Campenhausen sagt. Zusammen mit einer Kollegin betreut sie die Sammlung. Was aufgekauft wird, darüber entscheidet ein spezielles Gremium in der Europäischen Zentralbank. Das letzte Wort haben dann EZB-Präsident Mario Draghi und Benoît Coeuré. Der französische Banker ist im EZB-Direktorium für die Kunstsammlung zuständig. Durch die Ankäufe haben sich inzwischen fast 500 Werke angesammelt – von Bildern über Zeichnungen und Fotografien bis zu Skulpturen und Kunstobjekten. Wie hoch der jährliche KaufEtat ist, will Kunstberaterin von Campenhausen nicht verraten. Die Mittel sind aber begrenzt. Daher sieht die EZB ihren Schwerpunkt vor allem in der Nachwuchsförderung. „Bei uns sind auch viele Künstler vertreten, die in ihrer Heimat nicht so bekannt sind“, sagt von Campenhausen.
Schafft es ein Künstler aus Zypern oder Estland in eine Ausstellung in den EZB-Turm, dann ist das für die Karriere als Sprungbrett bestimmt förderlich. Es ist aber eine Kunst, der Grenzen gesetzt sind. „Die Kunstwerke halten die Waage zwischen einer Vielfalt von Themen, sind jedoch nie von explizit politischer Natur“, sagt die Kunstberaterin. Ganz offensichtlich will die EZB mit ihrer heterogenen Mitgliedschaft nicht anecken – weder politisch noch gesellschaftlich. So wird man in den Kunstwerken auch keine offenen sexuellen Bezüge finden. Privatbanken scheinen da weniger Berührungsängste zu haben – schließlich sind (gesellschafts-)politische Statements in der Kunst heute fast so etwas wie ein Gütesiegel.