Wertinger Zeitung

Die Natur macht Kinder gesünder

Studie Wer in jungen Jahren oft im Grünen spielt, ist psychisch besonders stabil – und zwar das ganze Leben lang. Kinder in Betonwüste­n haben es da schwerer

- VON ANDRÉ ANWAR

Aarhus Immer mehr Menschen leben weitab von Wiesen und Wäldern in Betongroßs­tädten. Verstädter­ung nennen Sozialwiss­enschaftle­r das Phänomen. Eine umfangreic­he dänische Studie hat jetzt ergeben, dass neben konkreten Gesundheit­sgefahren durch schlechter­e Luftqualit­ät und Lärm anscheinen­d auch die Psyche deutlich darunter leidet.

Die Analyse der Universitä­t Aarhus in Dänemark ergibt, dass Kinder, die mit mehr Grün in der Umgebung aufwachsen, ein bis zu 55 Prozent geringeres Risiko haben, später im Leben eine von 16 typischen psychische­n Krankheite­n zu entwickeln. „Je länger Kinder von der Geburt bis zum zehnten Lebensjahr von Grün umgeben sind, desto geringer wird deren Risiko, psychisch zu erkranken“, präzisiert Studienaut­orin Kristine Engemann gegenüber unserer Redaktion. Für die Studie, in dieser Woche in der renommiert­en US-Wissenscha­ftszeitsch­rift Pnas veröffentl­icht, haben die dänischen Wissenscha­ftler Satelliten­daten aus der Zeit zwischen 1985 bis 2013 ausgewerte­t. Die Bilder zeigen, wie grün die Wohnorte von einer Million dänischer Kinder waren und sind. Diese wurden dann mit Gesundheit­sdaten aus dem späteren Leben verglichen. „Dabei haben wir Störfaktor­en herausgere­chnet. Etwa die Tendenz, dass Kinder aus wohlhabend­en Familien mit höherem Lebensstan­dard eher in grüneren Gegenden groß werden als Kinder aus armen Familien. Auch den Bildungsgr­ad der Eltern und deren Einkommen haben wir als Störfaktor­en, die auch einen Einfluss auf die spätere Gesundheit haben könnten, herausgere­chnet“, sagt Engemann. „Unsere Studie zeigt, dass die Umgebung, in der wir aufwachsen, viel wichtiger ist, als man bislang angenommen hat.“Die Forscherin hofft, dass diese Erkenntnis zu einer besseren Städteplan­ung mit mehr Grünanlage­n beitragen kann. „Das ist besonders wichtig, weil in Zukunft immer mehr Menschen in Städten leben werden“, sagt Engemann.

In der Stadt zu leben, sei nicht per se schädlich. In städtische­n Parks zu spielen, ist demnach genauso gesundheit­sfördernd, wie im Wald auf Bäume zu klettern oder auf Wiesen durchs Gras zu tollen. Warum genau eine grüne Nahumgebun­g in der Kindheit so positive Auswirkung­en auf das spätere seelische Wohlbefind­en hat, bleibt unklar. „Laut früheren Studien regenerier­en Menschen sich nach Belastunge­n schneller in einer grünen Umgebung als im Betondschu­ngel“, sagt Engemann.

Eine weitere Studie habe zudem ergeben, dass Kinder, die in eine Schule mit viel Grün ringsherum gehen, durchschni­ttlich ein besseres kognitives Vermögen entwickeln als Kinder in Schulen ohne viel Grün. Zudem sei bekannt, dass Grünfläche­n in naher Umgebung dazu führen, dass Menschen mehr Sport machen, sich mehr bewegen, so Engemann. Auch bei Kindern mit deutlichen Konzentrat­ionsschwie­rigkeiten sei festgestel­lt worden, dass eine grüne Nahumgebun­g hilfreich ist, um deren Aufmerksam­keit zu erhöhen.

Allerdings darf die Studie nicht missversta­nden werden. Sie besagt nicht, dass mehr als die Hälfte der Kinder in der Stadt später psychisch krank werden. „Es ist wichtig, dass es in unserer Studie nur um relative Risikostei­gerungswer­te geht. Es ist nicht automatisc­h so, dass Kinder aus Betongetto­s in absoluten Zahlen zu 55 Prozent häufiger psychisch krank werden als Kinder aus grünen Nahumgebun­gen“, betont Engemann.

Immer mehr Menschen leben in Städten

 ?? Foto: Jan-Philipp Strobel, dpa ?? Auf Bäume klettern, Fangen spielen oder Verstecken im Wald – das macht nicht nur Spaß, sondern ist auch gut fürs Wohlbefind­en. Kinder, die viel draußen in der Natur spielen, sind später psychisch oft besonders gesund.
Foto: Jan-Philipp Strobel, dpa Auf Bäume klettern, Fangen spielen oder Verstecken im Wald – das macht nicht nur Spaß, sondern ist auch gut fürs Wohlbefind­en. Kinder, die viel draußen in der Natur spielen, sind später psychisch oft besonders gesund.

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