Wertinger Zeitung

Wem gehören die Blutbeutel?

Doping Alle fünf bei der WM in Seefeld festgenomm­enen Langläufer sind geständig. Die Ermittler erhoffen sich durch die Aussagen neue Spuren – auch in andere Sportarten

- VON STEPHAN SCHÖTTL

Seefeld Das Video ist nur wenige Sekunden lang, aber es hat sich gestern über die sozialen Netzwerke verbreitet wie ein Lauffeuer. Es zeigt den österreich­ischen Langläufer Max Hauke, wie er auf dem Sofa eines Hotelzimme­rs in Seefeld sitzt, die Nadel der Bluttransf­usion steckt noch im linken Arm. Im Hintergrun­d steht ein Polizeibea­mter. In flagranti haben sie den Sportler mitten im WM-Ort beim Blutdoping erwischt. Er wird angesproch­en, antwortet aber nicht. Sein Blick ist in diesem Moment völlig leer. Verzweifel­t. Ertappt. Die Staatsanwa­ltschaft Innsbruck ermittelt nun zwar wegen des Verdachts der Verletzung des Amtsgeheim­nisses auch gegen den Polizisten, der das Video erstellt und veröffentl­icht hat. Der 26-jährige Hauke wurde dadurch aber zum tragischen Gesicht der Weltmeiste­rschaft im eigene Land. Zur Hauptfigur des modernen und verlogenen Leistungss­ports.

Sportmediz­iner sitzt in Stadelheim in Haft

Insgesamt waren bei der DopingRazz­ia am Mittwoch neun Verdächtig­e festgenomm­en worden, sieben in Seefeld und zwei in Erfurt. Darunter waren neben Hauke und dessen Teamkolleg­e Dominik Baldauf mit den Esten Andreas Veerpalu und Karel Tammjarv sowie dem Kasachen Alexei Poltoranin weitere Langläufer. In Erfurt wurde unter anderem der Sportmediz­iner Mark S. abgeführt. Seitdem läuft die Ermittlung­smaschiner­ie auf Hochtouren.

Alle fünf Sportler haben mittlerwei­le Eigenblutd­oping eingeräumt und umfangreic­he Angaben gegenüber der Staatsanwa­ltschaft gemacht. Unter anderem über Treffen mit dem Doping-Arzt, über Regelmäßig­keit und über Orte, an denen Blut entnommen und wieder zugeführt worden sei. Sie sind nach ihren Aussagen vorerst wieder auf freiem Fuß. Nach österreich­ischer Rechtslage ist Doping nur strafbar, wenn man es bei jemand anderem anwendet. Dopt sich ein Sportler selbst, verstößt er hingegen nicht gegen das Dopinggese­tz, sondern begeht Sportbetru­g. Ausgeschlo­ssen wurde das Quintett dennoch: Der Internatio­nale Skiverband hat die beiden Esten und den Kasachen proviso- mit sofortiger Wirkung gesperrt. Die österreich­ische Anti-Doping-Agentur belegte ihre beiden betroffene­n Athleten ebenfalls mit Sperren. Die beiden in Seefeld festgenomm­enen mutmaßlich­en Komplizen des Sportmediz­iners bleiben vorerst in Haft. Das weitere Verfahren gegen sie soll von München aus geführt werden. Auch der Sportmediz­iner, der als zentrale Figur in diesem Doping-Netzwerk gilt, soll in die Justizvoll­zugsanstal­t MünchenSta­delheim gebracht werden. Dem Sportmediz­iner war in seiner früheren Rolle als Radsport-Teamarzt schon die Verwicklun­g in DopingPrak­tiken vorgeworfe­n worden. Er hatte dies aber stets bestritten. Nun wolle er wohl umfänglich kooperiere­n, ließ sein Anwalt verlauten.

Die Ermittler hoffen auf weitere Erkenntnis­se durch die Auswertung der Blutbeutel, die bei den Hausdurchs­uchungen sichergest­ellt wur- den. Mehr als 40 waren es wohl, kühl gelagert, alle versehen mit Tarnnamen. Experten gehen davon aus, dass Sportler nach einer Eigenblutb­ehandlung um bis zu 15 Prozent leistungsf­ähiger sind. Ein Wert, der im Kampf um Sieg oder Niederlage schon den entscheide­nden Unterschie­d ausmachen kann.

Hinter den Kulissen wird der Skandal auch zu einem Duell zwischen Deutschlan­d und Österreich. Peter Schröcksna­del, Präsident des Österreich­ischen Skiverband­s, wird nicht müde, immer wieder die Bedeutung Deutschlan­ds in diesem Fall hervorzuhe­ben. In einem Interview mit dem Kurier sagte er: „Die Zentrale ist schon in Deutschlan­d, aber auf die Österreich­er wird jetzt hingehaut. Die WM in Seefeld ist ja auch ein guter Aufhänger. Aber die Gauner sitzen schon woanders.“In seinem Land gebe es keine Dopingzent­rale. Alfons Hörmann, Präsirisch dent des Deutschen Olympische­n Sportbunds, schließt die Verwicklun­g deutscher Spitzenspo­rtler in die Affäre weiter aus.

Der sportliche Fortgang der WM bleibt davon nahezu unberührt. Gestern ging es um Medaillen auf der Normalscha­nze und um den Titel in der Langlaufst­affel der Männer. Das österreich­ische Team war bei diesem Rennen nicht dabei. Die ÖSV-Oberen hatten bereits am Mittwoch entschiede­n, kein Quartett an den Start zu schicken. Fast 13 000 Fans kamen trotzdem ins Stadion und jubelten den Sportlern zu. Schattense­iten hin oder her. Seefelds Bürgermeis­ter Werner Frießer, zugleich Chef des WM-Organisati­onskomitee­s, sagte: „Unsere Aufgabe ist es, weiter eine tolle Veranstalt­ung für die enthusiast­ischen Besucher und die sauberen Sportler durchzufüh­ren. Für Idioten sind wir nicht verantwort­lich.“

 ?? Foto: Symbolbild, dpa ?? Die Ermittler sind bei ihren Hausdurchs­uchungen auf mehr als 40 solcher Blutbeutel gestoßen. Alle waren mit Tarnnamen versehen.
Foto: Symbolbild, dpa Die Ermittler sind bei ihren Hausdurchs­uchungen auf mehr als 40 solcher Blutbeutel gestoßen. Alle waren mit Tarnnamen versehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany