Kirche nicht auf Missbrauch reduzieren
Um eines von vornherein klar zu sagen: Die vielen Fälle von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche und das Vertuschen dieser Verbrechen sind ein Skandal. Wenn Geistliche von der göttlichen Liebe predigen und unter dem Deckmantel der bestehenden Machtverhältnisse das Vertrauen der ihnen anvertrauten Menschen missbrauchen, rüttelt dies an den Grundfesten der Kirche. Es gibt nur einen Weg, der in dieser Situation hilft: den Opfern zuhören, sie ernst nehmen und die Täter, wenn sie noch leben, bestrafen. Die Menschen, denen schweres Leid zugefügt wurde, müssen hier im Vordergrund stehen und nicht das Ansehen der Kirche. Und es müssen Strukturen geschaffen werden, dass so etwas nicht mehr passiert. Dazu könnte auch beitragen, dass katholische Priester wie ihre evangelischen Kollegen heiraten dürfen und nicht mehr zum Zölibat verpflichtet werden.
Eines ist aber auch zu sagen: Es greift viel zu kurz, die (katholische) Kirche auf das Thema sexueller Missbrauch zu reduzieren. Auch in den Pfarreien im Landkreis Dillingen ist zu spüren, dass viele Gläubige aus dem christlichen Glauben heraus ihr Leben gestalten. Die Kirche wirkt in Kindergärten und Schulen. Das große Behindertenwerk Regens Wagner hat seine Wurzeln im Glauben. Gerade in Dillingen, das wegen seiner vielen Kirchen und der einstigen Universität immer wieder gerne Schwäbisches Rom genannt wird, ist die christliche Tradition nach wie vor in besonderer Weise präsent – auch durch das Wirken der Dillinger Franziskanerinnen.
Die Kirche kann den Menschen viel sagen. Die Botschaft, den Nächsten zu lieben wie sich selbst, könnte zu einem gelingenden Miteinander beitragen. Kirchenmitglieder versuchen, sofern sie ihren Auftrag ernst nehmen, für andere in Krisen und Not da zu sein. Der Glaube an Jesus Christus gibt Antworten auf existenzielle Fragen wie den Tod, der für Christen in ein Leben bei Gott mündet. Dies könnte die Hoffnung und Zuversicht im Alltag fördern, dass hinter diesem irdischen Dasein ein liebender Gott steht. Solche Botschaften können aber nur glaubhaft verkündet werden, wenn die Kirche das Vertrauen ihrer Gläubigen zurückgewinnt und es nicht zulässt, dass Kinder und Jugendliche von Seelsorgern missbraucht werden.