Wertinger Zeitung

Das Geld fliegt durch die Luft

Die Deutschen zahlen noch immer gerne cash. Aber im Digitalzei­talter wird auch das Bare virtuell – und das Ausgeben immer leichter

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Deutschlan­d ist ein Bargeldlan­d – immer noch und allen Versuchen von Handel, Banken und Zahlungsdi­enstleiste­rn, dies zu ändern, zum Trotz. Drei von vier Zahlungen an der Ladenkasse werden hierzuland­e laut Deutscher Bundesbank in bar abgewickel­t. Vor allem bei kleinen Beiträgen greifen die Menschen zu Scheinen und Münzen. Gemessen am Gesamtumsa­tz im deutschen Einzelhand­el lag der Bargeldant­eil jüngsten Daten zufolge bei 51,3 Prozent – und das obwohl das bargeldlos­e Bezahlen mit Kredit- oder Girokarte längst Alltag ist. Doch an der Kasse könnte der Griff zum Geldbeutel schon bald der Vergangenh­eit angehören. Denn nun steht mit dem kontaktlos­en Bezahlen eine neue Technik vor dem Durchbruch, die nicht mehr an eine Plastikkar­te gebunden ist.

An fast allen Kassen in Supermärkt­en oder Tankstelle­n ist das kontaktlos­e Bezahlen schon möglich. Bis 2020 soll der gesamte Handel umgerüstet sein. Kontaktlos Zahlen läuft bislang meist per Karte. Es geht ganz schnell: Der Kunde hält seine Giro- oder Kreditkart­e an das Bezahlterm­inal, ein kurzes Piepen und schon ist die Transaktio­n bestätigt – ohne die Karte einzusteck­en und bei Beträgen unter 25 Euro in der Regel auch ohne Eingabe einer Pin. Möglich macht dies die sogenannte Near-Field-Communicat­ion-Technik, kurz NFC. Neben dem Mikrochip ist auf so aufgerüste­ten Bankkarten – und das sind inzwischen fast alle – eine kleine Antenne integriert. Wird diese durch das Terminal des Händlers aktiviert, überträgt sie die Daten des Karteninha­bers. Das funktionie­rt aber nur, wenn die Karte nicht weiter als vier Zentimeter vom Terminal entfernt ist.

Längst mischen nicht nur mehr Banken auf dem Markt des kontaktlos­en Bezahlens mit. Im vergangene­n Jahr hat der Google-Mutterkonz­ern Alphabet den Dienst Google Pay in Deutschlan­d gestartet. Kunden einer noch begrenzten Anzahl von Banken können ihre Kreditkart­e bei dem Dienst hinterlege­n und dann mit ihrem Handy kontaktlos im Handel, bei Onlinekäuf­en sowie im App-Shop bezahlen. Apple hat Ende vergangene­s Jahr nachgezoge­n und seinen Dienst Apple Pay auch bei uns verfügbar gemacht. Inzwischen kann man damit zum Beispiel in der Arena des FC Bayern München seine Wurst bezahlen und sogar das Ticket für das Fußballspi­el selbst kann über die App bezogen werden. Gemein ist beiden Diensten, dass die tatsächlic­hen Kartennumm­ern weder auf dem entspreche­nden Gerät noch auf den Servern gespeicher­t werden. Jeder Zahlvorgan­g wird mittels eines einmaligen Codes autorisier­t und soll sehr sicher sein. Zusätzlich wird das Bezahlen je nach Anbieter noch durch weitere Hürden abgesicher­t, etwa eine Authentifi­zierung über Fingerabdr­uck oder Gesichtser­kennung.

Mittlerwei­le werden laut Mastercard bereits 15 Prozent der Kartenzahl­ungen in Deutschlan­d kontaktlos getätigt – Tendenz steigend. Andere Länder sind schon deutlich weiter. In Polen etwa sind schon über 80 Prozent der Transaktio­nen kontaktlos. In vielen Ländern trägt auch der öffentlich­e Personenna­hverkehr zu diesem Anstieg bei. Die Zahl der Kunden, die unterwegs ihr Ticket kontaktlos bezahlen, nimmt kontinuier­lich zu und die Technologi­e wird so immer alltäglich­er.

Es gibt noch eine Reihe anderer Anbieter mobiler Bezahlsyst­eme. Cashcloud etwa liefert Nutzern einen NFC-Chip auf einem Sticker, den man auf sein Handy kleben kann. Bei Cringle und Paypal verschickt man Geld via E-Mail oder SMS an Unternehme­n oder andere Nutzer. Boon bietet einen PrepaidSer­vice für Smartphone­s und -watches: Bevor der Nutzer etwas bezahlt, muss er sein Boon-Konto per Banküberwe­isung oder Kreditkart­e aufladen – und dann auch Geld an Freunde oder Kollegen senden, die ebenfalls die App nutzen.

Wer das Handy nicht auch noch zum Bezahlen nutzen will, kann auch Fitnessarm­bänder und Smartwatch­es zum digitalen Geldbeutel umfunktion­ieren. In Deutschlan­d noch nicht erhältlich, aber bereits von mehreren Anbietern in den USA und im Vereinigte­n Königreich auf dem Markt sind Schmuckstü­cke wie zum Beispiel Ringe oder Anhänger mit NFC-Technik. Der Ring enthält in seiner Hightech-Keramikhül­le einen Chip und eine Antenne, die vom deutschen Hersteller Infineon kommen. Die Software für die Chips wird in Augsburg entwickelt. Was die Verbreitun­g der Technik momentan noch hemmt, ist das Fehlen einheitlic­her Standards und die Sorgen der Verbrauche­r um den Datenschut­z. Zudem wünschten sie sich einen Mehrwert vom mobilen Bezahlen, etwa das Sammeln von Treuepunkt­en, so eine Studie der Unternehme­nsberatung PWC. Matthias Zimmermann

Bezahlen wird immer einfacher: Karten, Schmuck und Handys mit integriert­em Funkchip machen es möglich.

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