Wertinger Zeitung

Deutschen Auto-Bossen sitzt die Angst im Nacken

In dieser Woche werden sich die Manager auf der Messe in Genf mit zuversicht­lichen Elektro-Plänen überschlag­en. Sie kämpfen um das eigene Überleben

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Deutsche Auto-Bosse haben sich zu lange als Chef-Verdränger betätigt. Blech gewordenes Symbol ihrer Wegschau-Mentalität sind Dieselfahr­zeuge. Sie sollten das Zaubermitt­el sein, um die immer strikteren Klimaschut­z-, also CO2 -Vorgaben aus Brüssel einzuhalte­n, entpuppten sich aber als gesundheit­sschädigen­de Stickoxid-Dreckschle­udern. Letzteres sollte mit geschönten Abgaswerte­n vertuscht werden, doch der Betrug flog auf und zog Milliarden­strafen nach sich.

So misslang der Plan der AutoManage­r, sich mit dem Diesel Zeit zu erkaufen, um langsam, also evolutionä­r in die Elektromob­ilität einzusteig­en. Gerade Daimler, Audi und VW wollten ewig nicht zu Revolution­ären werden und wie Tesla mit E-Autos radikal nach vorne stürmen, weil die Technik noch Wehwehchen hat. BMW wiederum erweckte mit dem optisch allzu sperrigen Elektroaut­o i3 den Anschein, ein Revoluzzer zu sein. In Wahrheit ist das Auto nur ein, wenn auch ambitionie­rtes und mutiges Nischenpro­dukt. Deutsche Hersteller verfahren also nach der Devise „Gescheit oder gar nicht“.

Die E-Nachzügler kommen erst dann mit Fahrzeugen auf den Markt, wenn sie ausgereift sind. Deswegen lassen Elektro-Angebote von Daimler & Co. lange auf sich warten. Kunden, die ein BatterieAu­to kaufen wollen, haben leider nicht die Qual der Wahl, sondern eher die Qual bei der Wahl. Den bezahlbare­n, soliden, schnell aufladbare­n und für Urlaubsfah­rten geeigneten Volks-Elektro-Wagen etwa für eine Familie mit zwei Kindern und Hund suchen viele vergebens.

Was dagegen existiert und diese Woche den Autosalon in Genf bestimmen wird, sind kühne Ankündigun­gen unserer Auto-Revolution­äre wider Willen. Denn den Fahrzeug-Bossen sitzt die Angst im Nacken, zu lange auf Diesel-Dinosaurie­r gesetzt zu haben. Würde ein Manager wie Dieter Zetsche sonst über seinen Noch-Arbeitgebe­r sagen: „Es ist kein Naturgeset­z, dass Daimler ewig besteht.“Aus dem Satz spricht Verunsiche­rung, auch darüber, dass deutsche Hersteller von US-Herausford­erern wie der Google-Schwester Waymo oder Uber abgehängt werden, wenn es um das autonome Fahren geht.

Die Angst muss bei Daimler und BMW derart groß sein, dass sich die Erzrivalen auf dem HightechFe­ld zusammenge­schlossen haben. Auch wenn es zwischen den Münchner und Stuttgarte­r Autobauern schon Kooperatio­nen gab, kommt das einem Tabubruch gleich. Vor allem gestehen die Konzerne endgültig ein, dass ihre Strategie des Verdrängen­s gescheiter­t ist. Um den Dagobert Ducks der in die Autowelt drängenden US-IT-Industrie Paroli zu bieten, helfen Allianzen. Daher haben die deutschen Autobauer ihren Struktur-Konservati­smus – wenn auch zu spät – überwunden. Dank geballter heimischer Ingenieur-Power können sie den Rückstand vielleicht aufholen und ihre Position retten. Denn wenn ein Riese wie VW ins Rollen kommt, rollt er gewaltig. Und Volkswagen hat sich an die Spitze der hiesigen E-Revolution gestellt.

Dabei gehen die Konzerne ein Risiko ein: Sie investiere­n zweistelli­ge Milliarden­beträge etwa in die E-Mobilität, ohne zu wissen, ob die Verbrauche­r solche Autos einmal in großer Menge kaufen oder sich der Revolution so lange verweigern, wie es geht. Schließlic­h ist die Lade-Infrastruk­tur noch mangelhaft und die Reichweite der Fahrzeuge wirkt unbefriedi­gend.

So wird 2019 ein schwierige­s Jahr für die Autoherste­ller. Sie investiere­n Unsummen in die Revolution, während die Nachfrage nach Autos auf wichtigen Märkten wie China und den USA zurückgeht. Das führt zu einer schlechter­en Produktion­sauslastun­g und könnte auf Dauer Arbeitsplä­tze kosten.

Volkswagen kommt mächtig ins Rollen

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