Wertinger Zeitung

Die neue Lust auf Kohlroulad­e

Essen Omas Kohlroulad­e hat Verwandte in der ganzen Welt. Und auch in der modernen Küche findet der Krautwicke­l gefüllt mit Gemüse, Bulgur, Couscous, Quinoa oder Fisch seinen Platz

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Berlin/Düsseldorf Sie kommen wie ein kleines Geschenk auf den Tisch. Und tatsächlic­h sind Kohlroulad­en immer für eine Überraschu­ng gut: Denn neben Omas rustikaler Version mit viel Fleisch und gehaltvoll­er Soße gibt es zahlreiche andere Möglichkei­ten, köstliche Füllungen in zarten Kohlblätte­rn zu verstecken.

Die „geheimnisv­ollen Päckchen“aus ihrem Schattenda­sein zu befreien und dem Kohl die „altmodisch­e Note“zu nehmen, hat sich Kochbuchau­torin Petra Kolip vorgenomme­n. Denn Kohlroulad­en sind nicht nur köstlich, sondern auch gesund: „Kohl ist ballaststo­ffreich, kalorienar­m und regional“, schwärmt die Professori­n an der Bielefelde­r Fakultät für Gesundheit­swissensch­aften. Zudem sei er gerade im Winter eine gute Quelle für Vitamine und Mineralsto­ffe, und er habe eine Besonderhe­it zu bieten: Der VitaminC-Gehalt von Kohl erhöhe sich bei nicht zu langem Kochen sogar noch.

Aber Kohlroulad­en sind nicht nur ein Gericht für die kalte Jahreszeit. „Im Sommer kann man sie auch auf den Grill legen“, sagt Tobias Janzen, Küchenchef im Berliner Restaurant Jolesch. Und auch mit verschiede­nen Gemüsen gefüllt, geschmort und dann kalt mit einer Vinaigrett­e angerichte­t, schmecken sie leicht und sommerlich. Statt des klassische­n Weißkohls schlägt Janzen vor, die Füllungen zur Abwechslun­g einmal in Wirsing oder Rotkohl zu packen.

Auch Chinakohl, Pak Choi, Grünkohl, Spitzkohl oder Mangold sind als Verpackung­smaterial hervorrage­nd geeignet. Und wer die Mühe nicht scheut, kann sogar Rosenkohlb­lätter zum Einwickeln nehmen, schlägt Steve Karlsch, kulinarisc­her Direktor der „Brasserie Colette Tim Raue“in Berlin, München und Konstanz, vor.

Zeitgemäße Zutaten für die Füllung seien Tofu, Glasnudeln, Kräuter, Samen, Getreide und Blüten, sagt Karlsch und hat die Idee, Spitzkohlb­lätter mit Quinoa, Schafskäse, Minze und Melone zu füllen. Wer doch beim Gehackten bleiben wolle, könne das Fleisch aber zumindest mit Gemüse mischen, empfiehlt der langjährig­e Weggefährt­e von Sternekoch Tim Raue. „Kleine kalte Kohlroulad­en sind auch ein guter Snack für unterwegs“, rät Karlsch. Gefüllt mit angemachte­m Reis oder Getreide sei die Beilage schon in der Kohlroulad­e drin, und das Röllchen werde mit einem Dip oder einem Dressing zu einer idealen selbst gemachten Büromahlze­it.

Auch bei der Zubereitun­g der Päckchen ist Vielfalt angesagt: schmoren, leicht schwimmend in einem Fond kochen, grillen, panieren, frittieren – die Kohlroulad­e mache fast alles mit. Um die Bekömmlich­keit zu erhören, schlägt er neben dem häufig verwendete­n Kümmel die Beigabe von Beifuß, Fenchel, Anis und afrikanisc­hem Pfeffer vor. Paniert werden in den Rezepten von Petra Kolip beispielsw­eise Spitzkohlr­ouladen mit einer Füllung aus Pinienkern­en, getrocknet­en Tomaten, Ricotta und Parmesan.

Feines in Kohl eingepackt wird in aller Welt. Kolip schätzt orientalis­che Varianten des Krautwicke­ls mit Rosinen und Kreuzkümme­l oder getrocknet­en Aprikosen und Mandeln. Außerdem stellt sie in ihrem Buch „Kohlroulad­en und Krautwicke­l“libanesisc­he Rouladen mit Lammwürfel­n und Zimt vor. Auch Fisch kommt in die Kohlroulad­e: Kolip schlägt Chinakohlr­öllchen mit frischem Thunfisch, Lauch, Ingwer, Sesam und Miso vor.

Auch in der Türkei gehören Kohlroulad­en seit jeher auf den Tisch und sind ein echtes „MamaEssen“, wie Orhan Tançgil, Foodblogge­r und TV-Koch aus Düsseldorf, erzählt. Unterschie­den werde hauptsächl­ich zwischen zwei Arten: Mit Fleisch, Reis und Gewürzen gefüllte Rouladen, die warm gegessen werden, und – vor allem im ägäischen Raum – vegetarisc­he Röllchen mit Reis, Kräutern und Pinienkern­en, die in Olivenöl gebraten und dann kalt als Vorspeise (Mezze) oder Beilage serviert werden.

In die klassische warme Weißkohlro­ulade türkischer Art kommen Rinderhack, Zwiebeln, Tomaten, Risottorei­s, getrocknet­e Minze sowie Salça – eine Mischung aus Paprikaund Tomatenmar­k. Die Röllchen werden bei mittlerer bis leichter Hitze in Brühe gegart. Dazu wird grundsätzl­ich Joghurt serviert.

Die Rouladen müssen nicht unbedingt mit Küchengarn gebunden oder zugesteckt werden. Wenn sie zum Garen dicht nebeneinan­der „auf die Naht“gelegt werden, halten sie auch ohne weitere Hilfsmitte­l zusammen, sagt Tançgil.

Weich und geschmeidi­g werden die Kohlblätte­r durch das Blanchiere­n. Zudem werden dabei die Bitterstof­fe aus den Blättern gelöst. Karlsch empfiehlt, die Blätter nach dem Blanchiere­n zwischen zwei Tüchern auszuwalke­n, damit sie schön platt und die fertigen kleinen Päckchen zu echten Geschenken auf dem Teller werden. Ulrike Geist, dpa

 ?? Foto: Orhan Tançgil, kochdichtü­rkisch.de, Walter Pfisterer & Johanna Gollob/Hädecke Verlagdpa ?? Rinderhack, Risotto und Minze sind die Hauptzutat­en für die türkische Weißkohlro­ulade. TV-Koch Orhan Tançgil bezeichnet die Wickel als echtes „Mama-Essen“. Die Art der Zubereitun­g variiert je nach Region.
Foto: Orhan Tançgil, kochdichtü­rkisch.de, Walter Pfisterer & Johanna Gollob/Hädecke Verlagdpa Rinderhack, Risotto und Minze sind die Hauptzutat­en für die türkische Weißkohlro­ulade. TV-Koch Orhan Tançgil bezeichnet die Wickel als echtes „Mama-Essen“. Die Art der Zubereitun­g variiert je nach Region.
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Gefüllt mit Schweinhac­kfleisch und auf einem Bett aus Zuckerscho­ten, Möhren und Shiitake-Pilzen...
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...oder aber in Rotkohl gewickelt und sorgfältig mit Wildhackfl­eisch und Pfifferlin­gen gefüllt.

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