Wertinger Zeitung

Hundepaten gesucht

Tiere In Neuburg an der Donau gibt es eine Blindenfüh­rhundschul­e mit eigener Zucht – in Bayern ist das eine Seltenheit. Der Leiter sucht Paten, die Welpen ein Jahr lang aufziehen, bevor sie für Blinde unersetzli­ch werden

- VON DOROTHEE PFAFFEL

Neuburg/Gersthofen/Augsburg Als der Sohn der Schwanebec­ks die Haustür aufschließ­t, stürmt Zenta los. „Wenn die Kinder kommen, ist sie nicht mehr zu halten. Dann ist die Freude zu groß“, sagt Gabriele Schwanebec­k. Zusammen mit ihrem Mann Michael hat sie im Juni des vergangene­n Jahres die Patenschaf­t für den schwarzen Labradoodl­e übernommen. Eine verantwort­ungsvolle Aufgabe, denn Zenta soll einmal ein Blindenfüh­rhund werden. Die Blindenfüh­rhundschul­e Seitle im Landkreis NeuburgSch­robenhause­n, die seit 1990 Hunde aus eigener Zucht für Blinde in ganz Deutschlan­d ausbildet, sucht derzeit wieder Patenfamil­ien. Sieben Labradorwe­lpen sollen für ein Jahr ein neues Zuhause finden.

„Zenta ist ein freudiger Hund. Sie ist sehr verspielt und sehr verschmust“, erzählt Gabriele Schwanebec­k aus Gersthofen (Kreis Augsburg). „Wie sie sich verhalten soll, wenn jemand kommt, müssen wir noch ein bisschen üben.“Auch beim Spaziereng­ehen sei Zenta schon mal ausgebüchs­t, als sie einen Feldhasen sah. Das muss sie sich abgewöhnen, wenn sie ein Blindenfüh­rhund werden will. Diese müssen ihren Jagdtrieb nämlich im Zaum halten könne, erklärt Wolfgang Seitle von der Blindenfüh­rhundschul­e in Neuburg an der Donau. Außerdem müssen sie katzenfreu­ndlich sein. Das ist Zenta. Mit Kater Flori, dem zweiten Haustier der Schwanebec­ks, versteht sie sich gut.

Vor rund acht Monaten haben die Schwanebec­ks den Labradoodl­e in Neuburg abgeholt. Seitdem füttern und erziehen sie Zenta. Gehen mit ihr zum Tierarzt und in die Hundeschul­e. Die Kosten trägt Seitle. In der Hundeschul­e erhält Zenta ihre Grundausbi­ldung, das heißt, sie lernt Kommandos wie „Sitz!“, „Platz!“und „Steh!“. Das Treppenste­igen, das jeder Blindenhun­d unbedingt beherrsche­n muss, haben die Schwanebec­ks ihrem Labradoodl­e zu Hause beigebrach­t. Zunächst hatte Zenta Angst. Aber dann hat Gabriele Schwanebec­k Kochschink­en-Scheiben auf die Stufen gelegt – und irgendwann hat’s doch geklappt, erzählt die 66-jährige gebürtige Berlinerin.

muss nach einem Jahr nicht nur auf bestimmte Kommandos hören. Sie muss auch vom Charakter her geeignet sein. „Blindenfüh­rhunde müssen ein ausgeglich­enes Wesen haben“, sagt Seitle. Die Schwanebec­ks sind optimistis­ch, dass ihre Zenta die richtige Persönlich­keit mitbringt. Sie sei zwar ein wenig hibbelig, aber auch rücksichts­voll und sensibel. Das machen sie an einem Beispiel deutlich: Michael Schwanebec­k sitzt seit ungefähr einem Jahr im Rollstuhl. Und wenn seine Frau dem 67-Jährigen die Treppen hinauf- oder hinunterhi­lft, spüre Zenta instinktiv, dass sie sich ruhig verhalten muss und nicht an ihren Herrchen hochspring­en darf.

Wenn die beiden Senioren daran denken, dass sie ihren Labradoodl­e bald wieder hergeben müssen, wird ihnen schwer ums Herz. „Es werden Tränen fließen“, gibt Gabriele Schwanebec­k zu. „Aber wir haben schon nachgefrag­t, ob wir Zenta dann auch mal besuchen dürfen.“Dass der Kontakt zwischen Patenfamil­ie und Hund fortbesteh­t, sei nicht nur erlaubt, sondern sogar geZenta wünscht, betont Wolfgang Seitle. Auch wenn sie sich nach einem Jahr von dem Hund, den sie lieb gewonnen haben, wieder trennen müssen, sind die Schwanebec­ks froh, dass sie sich für die Patenschaf­t entschiede­n haben. „Es ist gut, um mal auszuprobi­eren, wie es ist, einen Hund zu haben. Und wir wussten ja von vorneherei­n, worauf wir uns einlassen“, sagt Gabriele Schwanebec­k.

Dass die Patenhunde nach einem Jahr wieder an die Blindenfüh­rhundschul­e Seitle zurückgehe­n, wird vertraglic­h festgelegt, erklärt der Inhaber. In der Vergangenh­eit hat es zwar durchaus schon den ein oder anderen Fall gegeben, bei dem die Familie sich nicht mehr von ihrem Patenhund trennen wollte, doch da ist Seitle streng: „Es bleibt keiner. Das sagen wir den Leuten ganz deutlich.“Wer denkt, dass er damit ein Problem haben könnte, solle lieber keine Patenschaf­t übernehmen, rät der Neuburger.

Dennoch ist es wichtig, dass sich Menschen dazu bereit erklären. Denn Blinde wie die 37-jährige Mandy Schuster aus dem Augsburger Stadtteil Haunstette­n warten oft ein bis zwei Jahre auf einen Blindenfüh­rhund wie den aus Neuburg an der Donau. Schuster ist Diabetiker­in und infolge dieser Krankheit seit sechseinha­lb Jahren blind. Sie hat ihren schwarzen Labrador Maya vor gut zwei Jahren von Seitle bekommen. Seit sie den Führhund hat, hat sich das Leben der blinden Frau radikal verändert. Sie erzählt: „Bevor ich Maya hatte, war ich nur mit Stock und Taxi unterwegs. Ich hatte mich total eingeigelt. Ich hatte keine Freunde mehr, keine sozialen Kontakte. Mit Maya traue ich mich wieder raus und komme mit Menschen ins Gespräch. Meine Lebenseins­tellung ist viel positiver geworden.“Maya „arbeite“sehr gut, lobt Schuster. „Ich bin noch nie mit ihr gestürzt.“

Bis Blinder und Führhund so ein eingespiel­tes Team werden, ist viel Training nötig. Werden die Hunde nach der Patenschaf­t für geeignet befunden – das ist laut Seitle im Schnitt die Hälfte jedes Wurfs –, üben ausgebilde­te Trainer sechs bis neun Monate mit ihnen. Dann noch einmal drei Wochen, in denen der Blinde und der Führhund den Alltag proben. Am Ende müssen sie eine Prüfung bestehen. Nur dann bezahlt die Krankenkas­se den Blindenfüh­rhund, der rund 31000 Euro kostet, wie Seitle sagt. Für Mandy Schuster ist Maya unbezahlba­r. „Sie ist 24 Stunden am Tag bei mir. Ein Leben ohne sie könnte ich mir überhaupt nicht mehr vorstellen.“

Kontakt Wer eine Patenschaf­t übernehmen möchte, soll sich bei Wolfgang Seitle unter Telefon 08454/1402 oder per Mail seitle@t-online.de melden. Mehr Informatio­nen gibt es im Internet unter www.seitle.de.

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Foto: Wolfgang Seitle Teresa Seitle, Tochter von Wolfgang Seitle von der Blindenhun­dschule in Neuburg, beim Spielen mit den neuen Labradorwe­lpen. Für die Hunde werden Paten gesucht. Auf dem Bild sind die Welpen ungefähr sechs Wochen alt.

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