Wertinger Zeitung

„Ein klein wenig Narrheit, das ist keine Schand“

Geschichte In Dillingen ist 1937 eine irre Faschings-Beilage erschienen. Die Kuriosität­en reichen von Bissinger 3000-Betten-Kurhaus bis zur Geldbeutel-Auffüllung am Aschermitt­woch

- VON BERTHOLD VEH

Dillingen Eine kuriose Entdeckung haben unsere Leser Albert und Barbara Hartmann auf dem Dachboden ihres Hauses in Bachhagel gemacht. Dort fiel den Bachtalern eine Faschingsb­eilage aus dem Jahr 1937 in die Hände. „Es stehen lauter lustige Sachen drin“, sagt Barbara Hartmann. Und in der Tat, die Schreiber ließen es im Fasching richtig krachen. Nach dem Motto: „Ein klein wenig Narrheit, das ist keine Schand. Und wer dies nicht zugibt, hat keinen Verstand!“

Ob es eine Beilage der damals im Altlandkre­is gelesenen Dillinger National-Zeitung ist, weiß Familie Hartmann nicht. Hergestell­t wurde das Acht-Seiten-Werk ebenfalls bei der Druckerei Manz. Die Beilage ist aber frei vom Nazi-Jargon dieser Zeit – und sie ist ganz voll Narretei. Für den Dillinger Faschingsu­mzug beispielsw­eise werden 41 Nummern aufgeführt.

Eine heißt: „Das

Ideal der Volksgemei­nschaft: ‚Jedem sein eigener Stammtisch’“Lustig ist auch der Titel für eine andere Umzugsnumm­er: „Die letzte Dillinger Schnake wird ins historisch­e Museum überführt.“Und nach dem Karneval sollen dann die gesamte Stadtverwa­ltung sowie das Wasser- und Elektrizit­ätswerk für acht Tage stillgeleg­t werden.

Die närrischst­en Meldungen und Übertreibu­ngen werden erfunden. In Bad Bissingen stehe der Bau eines gigantisch­en Kurhauses vor dem Start. „Ein in amerikanis­cher Stilart geplanter Hochhausba­u mit allen der Neuzeit entspreche­nden Raffinesse­n (zum Beispiel täglich drei Musikkapel­len, zwei Fahrstühle, fünf Spiegelsäl­e, in sechs Stockwerke­n Restaurati­onsbetrieb, zirka 3000 Betten, eine internatio­nale Bar im zwölften Stockwerk – in den Kellergesc­hossräumen Münchner Hofbräuhau­sbetrieb). Kurz gesagt: Weltklasse!“Die in Dillingen neugegründ­ete Baugesells­chaft „Schwarz und Samstag“müsse den Bissinger Baumeister­n für das Großprojek­t zu Hilfe kommen.

Und so geht es in einer Tour weiter. Goethes Gedicht „Über allen Gipfeln ist Ruh’“wird abgewandel­t zu „Über allen Bechern ist Ruh! Bei allen Zechern spürest Du, des Katers Hauch!“In einer Anzeige da- werden „junge, schlanke Tänzerinne­n, Mindestgrö­ße 1,65 Meter ohne Schuhe, für mein Hausballet­t gesucht“. Und „Seitenspri­nger“werden für die nächste Olympiade in Tokio eingeladen. Musikstund­en gratis gibt’s laut Anzeige „natürlich nur für Damen mit großer, schöner, schlanker Figur im Alter von 16 bis 20 Jahren“im Taxispark. Und ein Bürgermeis­ter Dr. Apfelmann lässt zum Fasching 1937 ín Dillingen eine hochintere­ssante Bekanntmac­hung abdrucken: „Ich habe nach Anhörung meiner viel geliebten Ratsherrn verfügt, dass die leeren Geldbeutel meiner Mitbürger aus städtische­n Mitteln wieder aufgefüllt werden.“

Hierzu sollen unter anderem die Überschüss­e des „verflossen­en Donaubades“und des so gut florierenr­unter den Kneippbade­s verwendet werden. Die Auszahlung werde am Aschermitt­woch den ganzen Tag über vorgenomme­n.

Und für Langschläf­er drückt der Rathausche­f auch noch ein Auge zu: „Wer am Aschermitt­woch seinen Kater noch nicht ausgeschla­fen hat, kann ruhig weiterpenn­en, ihm werden die Moneten bei genügender Menge ins Haus gebracht.“

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Repros: Veh Ein Kurhaus mit 3000 Betten und internatio­naler Bar sollte laut Faschingsz­eitung in Bad Bissingen entstehen.
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So sah das Titelblatt der Faschingsb­eilage aus.
 ??  ?? Vinzl weiß, warum er nachts um 3 noch fotografie­rt werden will.
Vinzl weiß, warum er nachts um 3 noch fotografie­rt werden will.
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Das Ende des Faschings fiel allerdings etwas traurig aus.
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