Wertinger Zeitung

Kein Rekord-Bonus: Liqui Moly kürzt Prämie drastisch

Zuletzt gab es 11 000 Euro. Wie die Prämien in anderen Branchen ausfallen

- VON PHILIPP WEHRMANN

Zuletzt hatte Liqui Moly beim Bonus selbst Porsche abgehängt: Der Autobauer zahlte seinen Mitarbeite­rn vergangene­s Jahr knapp 9700 Euro – bei Liqui Moly waren es zwei Jahre in Folge jeweils 11 000 Euro. Doch dieses Jahr haben die Mitarbeite­r des Ulmer Ölunterneh­mens weniger Grund zur Freude. Sie bekommen 2000 Euro zusätzlich zum Gehalt, also 82 Prozent weniger als bisher. Der drohende Brexit, der Handelsstr­eit mit den USA, die Kursturbul­enzen der türkischen Lira: All das spüren jetzt die 850 Mitarbeite­r, wenn sie auf ihre Kontoauszü­ge blicken.

Was ist passiert? Ein Anruf bei Liqui-Moly-Chef Ernst Prost: „Der Bonus ist klar geregelt. Hätte man sich an die Regeln gehalten, hätte es null Euro gegeben“, erklärt er. Man hört ihm an, dass er niedergesc­hlagen ist. Der Mann, der seine Angestellt­en nicht Mitarbeite­r, sondern „Mitunterne­hmer“nennt, war stolz auf den Rekordbonu­s. Als gelernter Automechan­iker arbeitete er sich hoch, wurde Vertriebsc­hef bei Liqui Moly und kaufte die Firma schlussend­lich. Die Belohnung für seine Mitarbeite­r sah er als Investitio­n: „Das zahlt sich aus, das kommt zurück“, sagte er unserer Redaktion noch 2017. Wenige Monate später verkaufte der schillernd­e Unternehme­r, der zwischenze­itlich von seinem Leipheimer Schloss aus die Talkshows der Bundesrepu­blik bereiste, seine Anteile an die WürthGrupp­e. Geschäftsf­ührer blieb er.

„Wir haben unsere Ziele nicht erreicht“, begründet er die niedrige Zahlung. Die Firma wollte um zehn Prozent wachsen. Erreicht hat man schließlic­h 544 Millionen Euro Umsatz, ein mageres Plus von zwei Prozent. Der Ertrag ist sogar nur um ein Prozent gestiegen. Das liege auch an höheren Kosten: Allein für den Transport von Rohstoffen habe die Firma eine Million Euro mehr gezahlt. Weil der Rhein zu niedrig stand, brachten Lastwagen statt Schiffe das Rohöl.

„Wenn in einem Land alles läuft, macht man ein gutes Geschäft. Wenn aber die wirtschaft­liche Großwetter­lage kippt, dann geht vieles den Bach runter“, sagt Prost – und derzeit brodle es in vielen Ländern. „In Argentinie­n ist alles kaputt, Venezuela ist ganz krank und auch in China sind die fetten Jahre vorbei.“

Aber bei 150 Ländern, mit denen Liqui Moly handle, gebe es auch Wachstumsm­ärkte. Nächstes Jahr will er seinen Mitarbeite­rn mehr Geld überweisen. Überrascht waren seine Mitarbeite­r wegen des niedrigere­n Bonus nicht, sagt Prost. „Die meisten sind schon im Herbst davon ausgegange­n, dass es in diesem Jahr keinen Bonus gibt.“Die 2000 Euro seien eher als „Geschenk“zu sehen.

Nicht nur Liqui Moly ist bekannt für seine hohen Boni, sondern vor allem die Autobauer. Volkswagen etwa zahlt seinen 100000 Tarifbesch­äftigten heuer 4750 Euro und damit etwa 16 Prozent mehr als im Vorjahr. Bei Daimler bekommen die 130000 Tarifmitar­beiter 4965 Euro statt 5700 im Vorjahr. BMW hält sich noch bedeckt. Man werde die Boni aber demnächst veröffentl­ichen, heißt es auf Nachfrage.

Doch auch in anderen Branchen zahlen immer mehr Betriebe solche Prämien. Philipp Grunau beschäftig­t sich am Nürnberger Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung mit dem Thema. Die Einrichtun­g befragt alle zwei Jahre zwischen 750 und 1200 Betriebe der Privatwirt­schaft mit mehr als 50 Mitarbeite­rn. Vergangene­s Jahr verteilten 40 Prozent der befragten Betriebe freiwillig­e Boni, 2014 waren es noch 36 Prozent gewesen.

Am weitesten verbreitet sind sie mit knapp der Hälfte der Betriebe im verarbeite­nden Gewerbe, am wenigsten mit einem guten Drittel in der Informatio­ns- und Kommunikat­ionsbranch­e. Im Durchschni­tt liegen die Zahlungen bei 900 Euro. So hoch wie bei den Autobauern sind sie selten: Nur jeder zwanzigste Betrieb, der Boni auszahlt, überweist mehr als 3000 Euro pro Mitarbeite­r.

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Foto: Alexander Kaya Ernst Prost ist Geschäftsf­ührer der Ulmer Firma Liqui Moly.

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