Wertinger Zeitung

Hier zu viele, dort zu wenige Besucher

Tourismus Ein neues Zentrum an der Hochschule Kempten soll unter anderem erforschen, wie Besucherst­röme besser zu lenken sind. Im Vorfeld gab es Streit um die Finanzieru­ng

- VON STEFAN BINZER UND MARKUS RAFFLER

Kempten/München Schloss Neuschwans­tein im Ostallgäu quillt in manchen Monaten über vor Besuchern. München mit den Attraktion­en Hofbräuhau­s und Oktoberfes­t sowieso. Dagegen verirrt sich kaum ein Urlauber nach Oberkotzau in Oberfranke­n oder nach Schweinspo­int in Nordschwab­en. Bayern ist mit rund 40 Millionen Gästeankün­ften und über 100 Millionen Übernachtu­ngen pro Jahr die Tourismusr­egion Nummer eins in Deutschlan­d. Aber die Besucherst­röme innerhalb des Freistaate­s sind ungleich verteilt.

Doch wie mit „Übertourim­us“und „Untertouri­smus“umgehen? Das ist nur eine der vielen Fragen, die sich Tourismus-Strategen heute stellen. Antworten sollen zwei wissenscha­ftliche Einrichtun­gen geben, die sich an die Hochschule Kempten anlehnen und die 2019 gegründet werden: ein Wissenstra­nsferzentr­um in Füssen und – als Leuchtturm – das Bayerische Zentrum für Tourismus, das Kompetenze­n landesweit zusammenfü­hren und Perspektiv­en für diesen Wirtschaft­szweig entwickeln soll. Für Letzteres fiel vor kurzem der offizielle Startschus­s: Im bayerische­n Wirtschaft­sministeri­um wurde ein Trägervere­in aus der Taufe gehoben. Mitglieder sind neben der Hochschule auch die Allgäu GmbH (ein Zusammensc­hluss von Politik, Wirtschaft und Wissenscha­ft in der Region), der Bayerische Hotel- und Gaststätte­nverband, der Bayerische HeilbäderV­erband, die Bayern Tourismus GmbH, der Bayerische Industrieu­nd Handelstag sowie die Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft. Geleitet wird das Tourismusz­entrum von Professor Dr. Alfred Bauer, Dekan der Fakultät Tourismus der Hochschule Kempten.

Starten soll das neue Institut Mitte des Jahres. Dieser Termin stand jedoch einige Zeit auf der Kippe. Denn im Herbst 2018 äußerte die Hochschule Kempten mit Blick auf die Finanzieru­ng und die Laufzeit der staatliche­n Förderung lautstark Zweifel an der Umsetzbark­eit des Vorhabens. Muss die Hochschule doch zehn Prozent der jährlichen Kosten von einer Million Euro selbst aufbringen. Dieser Eigenantei­l soll nun durch die Mitgliedsb­eiträge an den Trägervere­in sowie personelle Unterstütz­ung einfließen. Gelöst ist auch die Frage der Laufzeit, die aus Sicht der Hochschule für mehrere Jahre garantiert sein muss, um qualifizie­rte Mitarbeite­r anstellen zu können.

Bei der Vertragsun­terzeichnu­ng sagte Bayerns Wirtschaft­sstaatssek­retär Roland Weigert: „Bayern muss langfristi­g Vorreiter und Trendsette­r im Tourismus bleiben.“Deshalb soll das neue Tourismusz­entrum jene bayerische­n Hochschule­n vernetzen, die Tourismus-Fakultäten haben, Fachverans­taltungen und Kongresse organisier­en, positive Tourismus-Beispiele vorstellen oder die Digitalisi­erung in der Branche vorantreib­en.

Anders die Zielsetzun­g für das ebenfalls ab 2019 geplante Wissenstra­nsferzentr­um in Füssen, das vor Ort konkrete Tourismuss­trategien entwickeln soll – etwa zu Fragen der Mobilität oder Auswirkung­en des Klimawande­ls. Hier sind 2,7 Millionen Euro Anschubfin­anzierung für fünf Jahre angesetzt. Zudem sollen erhebliche Eigenmitte­l fließen.

In Füssen sollen zudem Lenkungsme­chanismen für Besucher erarbeitet werden, damit Schloss Neuschwans­tein und der Königswink­el in den Sommermona­ten nicht von Urlauberma­ssen erdrückt wird und im Gegenzug vielleicht der eine oder andere Gast doch noch neugierig wird auf Oberkotzau oder Schweinspo­int.

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Foto: dpa Schloss Neuschwans­tein kann nicht über zu wenige Besucher klagen.

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