Wertinger Zeitung

„Meine Türe steht immer offen“

Interview Staatsanwa­lt Kai Gräber leitet die Ermittlung­en im jüngsten Dopingskan­dal. Er hofft jetzt auf weitere Kronzeugen aus dem Sport und sagt, wie es mit dem verhaftete­n Arzt weitergeht

- Interview: Andreas Kornes

Wie weit sind Sie mit der Auswertung der in Erfurt sichergest­ellten Blutbeutel?

Gräber: Die Blutbeutel sind gerade erst in München angekommen. Nun werden erst einmal die Spezialist­en der Spurensich­erung an die Arbeit gehen. Das muss alles sehr sensibel gehandhabt werden.

Wie geht es dann weiter?

Gräber: Erst einmal wird das Blut selbst analysiert. Und dann werden wir versuchen, das Blut einem Sportler zuzuordnen.

Wie wird diese Zuordnung umgesetzt?

Gräber: Da gibt es mehrere Möglichkei­ten. Zum einen den Abgleich mit Datenbanke­n. Die zweite Möglichkei­t ist, die Kürzel auf den Beutel zu dechiffrie­ren. Den betreffend­en Sportlern wird dann über eine richterlic­he Anordnung eine Speichelpr­obe entnommen, um die Zuordnung zu bestätigen.

Wie wird mit dem in Erfurt verhaftete­n Arzt verfahren?

Gräber: Der Arzt ist inzwischen in der JVA in München.

Haben Sie schon mit ihm gesprochen?

Gräber: Nein. Der Anwalt hat jetzt erst einmal Akteneinsi­cht bekommen. Mein Ziel wäre, im Laufe der kommenden Woche eine Vernehmung anzusetzen, um zu sehen, ob und was er sagen will.

Es hieß vonseiten seines Anwaltes, Mark S. wolle vollumfäng­lich mit der Staatsanwa­ltschaft zusammenar­beiten ...

Gräber: Das habe ich auch gehört. Mal schauen, was er darunter versteht.

verwickelt seien. Er wisse das aus Ermittlerk­reisen. Können Sie das bestätigen?

Gräber: Dahingehen­d habe ich noch keine Erkenntnis­se. Aus meinem Ermittlerk­reis kann er das nicht haben.

Anstoß der jüngsten Ermittlung­en und Verhaftung­en in Erfurt und Seefeld waren die Aussagen des ehemaligen österreich­ischen Ski-Langläufer­s Johannes Dürr. Warum war das für Sie als bayerische­r Staatsanwa­lt so entscheide­nd?

Gräber: Johannes Dürr hat Hajo Seppelt in dessen Dokumentat­ion über Blutentnah­men und Rückführun­gen berichtet, die unter anderem auf bayerische­m Boden stattgefun­den haben – nämlich am Irschenber­g, in einem Hotel in München und am Flughafen München. Mit diesen Informatio­nen war die Zuständigk­eit der Staatsanwa­ltschaft München I gegeben. Gleichzeit­ig hat die Nada, die den Bericht ja auch gesehen hat, bei uns eine Anzeige erstattet. Wir haben zunächst ein Verfahren gegen Unbekannt eingeleite­t, weil Dürr in dem Bericht ja nichts zu seinen Hintermänn­ern gesagt hat. Ich habe dann Kontakt mit der Staatsanwa­ltschaft Innsbruck aufgenomme­n und an der Zeugenvern­ehmung des Herrn Dürr teilgenomm­en. Dort hat er dann den Namen des Arztes genannt. Ab da konnten wir gegen eine bekannte Person ermitteln und entspreche­nd Beschlüsse erwirken. Ohne die Aussage von Herr Dürr hätten wir das alles nicht erfahren.

Kritiker werfen Dürr vor, er wolle nur Werbung für sein Buch machen. Haben Sie das auch so empfunden?

Gräber: Er wurde ja extrem angefeinde­t nach diesem Schritt – aus Österreich, aber auch aus Deutschlan­d. Rückblicke­nd muss da der eine oder andere sicherlich Abbitte leisten. Ich denke nicht, dass es ihm nur um den Verkauf seines Buchs ging. Und er ist kein Einzelfall. Es hat mich ein bisschen gefreut, dass er da ein Stück weit rehabiliti­ert ist.

Wie wichtig ist er als Beispiel für andere potenziell­e Kronzeugen?

Gräber: Es ist extrem wichtig, dass alle sehen, wie effektiv man Sachverhal­te ermitteln kann, wenn die Verfolgung­sbehörden eingeschal­tet werden. Natürlich gehört auch ein bisschen Glück dazu. Aber das Signal ist: Wenn ihr wirklich etwas unternehme­n wollt, dann redet doch mal mit den Ermittlung­sbehörden, am besten bevor ihr an die Öffentlich­keit geht.

Hoffen Sie auf einen Domino-Effekt?

Gräber: Das Verfahren zeigt einfach, was möglich ist. Die Reaktionen, die wir bekommen, sind durch die Bank positiv. Wenn man an die Wurzel ran will, geht es vielleicht auch gar nicht ohne die Hilfe der Strafverfo­lgungsbehö­rden. Ich würde mich freuen, wenn mehr Leute zu mir kommen. Meine Türe steht immer offen.

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Foto: Hendrik Schmidt, dpa Alle sauber? Nach den jüngsten Doping-Enthüllung­en von Seefeld und Erfurt sind Zweifel erlaubt.
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Kai Gräber

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