„Meine Türe steht immer offen“
Interview Staatsanwalt Kai Gräber leitet die Ermittlungen im jüngsten Dopingskandal. Er hofft jetzt auf weitere Kronzeugen aus dem Sport und sagt, wie es mit dem verhafteten Arzt weitergeht
Wie weit sind Sie mit der Auswertung der in Erfurt sichergestellten Blutbeutel?
Gräber: Die Blutbeutel sind gerade erst in München angekommen. Nun werden erst einmal die Spezialisten der Spurensicherung an die Arbeit gehen. Das muss alles sehr sensibel gehandhabt werden.
Wie geht es dann weiter?
Gräber: Erst einmal wird das Blut selbst analysiert. Und dann werden wir versuchen, das Blut einem Sportler zuzuordnen.
Wie wird diese Zuordnung umgesetzt?
Gräber: Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Zum einen den Abgleich mit Datenbanken. Die zweite Möglichkeit ist, die Kürzel auf den Beutel zu dechiffrieren. Den betreffenden Sportlern wird dann über eine richterliche Anordnung eine Speichelprobe entnommen, um die Zuordnung zu bestätigen.
Wie wird mit dem in Erfurt verhafteten Arzt verfahren?
Gräber: Der Arzt ist inzwischen in der JVA in München.
Haben Sie schon mit ihm gesprochen?
Gräber: Nein. Der Anwalt hat jetzt erst einmal Akteneinsicht bekommen. Mein Ziel wäre, im Laufe der kommenden Woche eine Vernehmung anzusetzen, um zu sehen, ob und was er sagen will.
Es hieß vonseiten seines Anwaltes, Mark S. wolle vollumfänglich mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten ...
Gräber: Das habe ich auch gehört. Mal schauen, was er darunter versteht.
verwickelt seien. Er wisse das aus Ermittlerkreisen. Können Sie das bestätigen?
Gräber: Dahingehend habe ich noch keine Erkenntnisse. Aus meinem Ermittlerkreis kann er das nicht haben.
Anstoß der jüngsten Ermittlungen und Verhaftungen in Erfurt und Seefeld waren die Aussagen des ehemaligen österreichischen Ski-Langläufers Johannes Dürr. Warum war das für Sie als bayerischer Staatsanwalt so entscheidend?
Gräber: Johannes Dürr hat Hajo Seppelt in dessen Dokumentation über Blutentnahmen und Rückführungen berichtet, die unter anderem auf bayerischem Boden stattgefunden haben – nämlich am Irschenberg, in einem Hotel in München und am Flughafen München. Mit diesen Informationen war die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft München I gegeben. Gleichzeitig hat die Nada, die den Bericht ja auch gesehen hat, bei uns eine Anzeige erstattet. Wir haben zunächst ein Verfahren gegen Unbekannt eingeleitet, weil Dürr in dem Bericht ja nichts zu seinen Hintermännern gesagt hat. Ich habe dann Kontakt mit der Staatsanwaltschaft Innsbruck aufgenommen und an der Zeugenvernehmung des Herrn Dürr teilgenommen. Dort hat er dann den Namen des Arztes genannt. Ab da konnten wir gegen eine bekannte Person ermitteln und entsprechend Beschlüsse erwirken. Ohne die Aussage von Herr Dürr hätten wir das alles nicht erfahren.
Kritiker werfen Dürr vor, er wolle nur Werbung für sein Buch machen. Haben Sie das auch so empfunden?
Gräber: Er wurde ja extrem angefeindet nach diesem Schritt – aus Österreich, aber auch aus Deutschland. Rückblickend muss da der eine oder andere sicherlich Abbitte leisten. Ich denke nicht, dass es ihm nur um den Verkauf seines Buchs ging. Und er ist kein Einzelfall. Es hat mich ein bisschen gefreut, dass er da ein Stück weit rehabilitiert ist.
Wie wichtig ist er als Beispiel für andere potenzielle Kronzeugen?
Gräber: Es ist extrem wichtig, dass alle sehen, wie effektiv man Sachverhalte ermitteln kann, wenn die Verfolgungsbehörden eingeschaltet werden. Natürlich gehört auch ein bisschen Glück dazu. Aber das Signal ist: Wenn ihr wirklich etwas unternehmen wollt, dann redet doch mal mit den Ermittlungsbehörden, am besten bevor ihr an die Öffentlichkeit geht.
Hoffen Sie auf einen Domino-Effekt?
Gräber: Das Verfahren zeigt einfach, was möglich ist. Die Reaktionen, die wir bekommen, sind durch die Bank positiv. Wenn man an die Wurzel ran will, geht es vielleicht auch gar nicht ohne die Hilfe der Strafverfolgungsbehörden. Ich würde mich freuen, wenn mehr Leute zu mir kommen. Meine Türe steht immer offen.