Wertinger Zeitung

Ein Familienbe­trieb mit internatio­nalen Kunden

Hintergrun­d Das Doping-Netzwerk in Erfurt ist wohl kleiner als befürchtet – in seiner Struktur aber sehr bemerkensw­ert

- VON ANDREAS KORNES

Augsburg Als vergangene Woche die Doping-Razzien am Rande der Nordischen Ski WM in Seefeld und in einer Arztpraxis in Erfurt bekannt wurden, deutete vieles auf ein großes Netzwerk hin. Inzwischen relativier­en Experten das. „Wenn der Seniorchef des Familienun­ternehmens als Jurist selbst die Nadel in die Hand nehmen muss, dann stelle ich mir diesen kriminelle­n Betrieb nicht als ein perfektes Netzwerk vor. Familienbe­trieb mit internatio­nalen Kunden kommt dem begrifflic­h näher“, sagt zum Beispiel der Doping-Experte Fritz Sörgel.

Ähnlich sieht das der frühere Doping-Sünder Stefan Matschiner. Zu dessen Blutdoping-Klienten gehörte einst auch der Radprofi Bernhard Kohl. „Aus meiner Erfahrung spricht die Zahl von 40 sichergest­ellten Blutbeutel­n dafür, dass der Arzt Mark S. maximal zehn Athleten versorgt hat“, sagte Matschiner der Das sei „eine andere Größenordn­ung, als es beim spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes der Fall war“. Beim 13 Jahre zurücklieg­enden Fall des spanischen Doping-Netzwerks ging es um mehr als 200 Blutbeutel.

Der Antrieb hier wie dort ist der gleiche: Geldgier. Bis zu 15000

Stuttgarte­r Zeitung.

Euro soll die Behandlung bei Mark S. im Jahr gekostet haben. Für Sörgel spielt aber auch eine Rolle, „dass es manche Ärzte einfach reizt, Gott zu spielen und sich wichtig vorzukomme­n“.

Der Schlag gegen den Erfurter Arzt bewerten Sörgel und Matschiner unterschie­dlich. „Ich bin mir sicher, dass jedes Land seinen Mark S. hat, und in größeren Ländern gibt es sicher auch zwei von seiner Sorte. Denn der Bedarf ist da“, sagt Matschiner. Der Fall Mark S. zeige, dass der Markt Leute wie ihn fordere. „Als ich vor zehn Jahren aufgehört habe, Sportler beim Dopen zu unterstütz­en, habe ich gesagt, dass sich dieses Vakuum füllen wird“, führt Matschiner aus. „Und, so ehrlich muss man sein, auch das Vakuum, das Mark S. hinterläss­t, wird sich wieder füllen. Leider.“

Sörgel sieht die Gefahr zwar auch, „die Schwelle bei uns ist aber schon hoch und die mittlerwei­le hohe gesellscha­ftliche Missbillig­ung und das strenge Anti-Dopinggese­tz schrecken ab“, urteilt der Leiter des Instituts für Biomedizin­ische und Pharmazeut­ische Forschung in Heroldsber­g. Aufmerksam habe ihn gemacht, dass erneut Erfurt im Zentrum von Doping-Ermittlung­en steht. Dort soll 2012 der Sportarzt Andreas F. Sportlern Blut entnommen, mit UV-Licht bestrahlt und den Athleten wieder zurückgefü­hrt haben. „Im ersten Moment dachte ich, das sei ein Déjà-vu. Aber manchmal ist es so, dass das Knowhow eher zufällig in der gleichen Stadt angesiedel­t ist“, sagt Sörgel.

Die jüngsten Enthüllung­en hatten am Dienstag weitere Folgen. Erst räumte der estnische Ski-Langläufer Algo Kärp ein, die Dienste von Mark S. in Anspruch genommen zu haben. Dann wurde in Österreich Johannes Dürr festgenomm­en. Der Ex-Langläufer hatte mit seiner Aussage den Fall ins Rollen gebracht. Der Grund seiner Festnahme war gestern nicht bekannt.

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