Wertinger Zeitung

Schwere Misshandlu­ngen in einem privaten Seniorenhe­im

Spanien Ein Paar soll auch deutsche Senioren in ihrem privaten Pflegeheim systematis­ch misshandel­t, an den Betten festgebund­en und um ihr Vermögen gebracht haben

- VON RALPH SCHULZE

Cádiz Sie wurden misshandel­t, festgebund­en, mit Tabletten ruhiggeste­llt und um ihre Ersparniss­e und Immobilien beraubt. Die Opfer waren durchweg ausländisc­he Rentner, darunter mindestens zwei Deutsche, die in Spanien ihren Lebensaben­d verbringen wollten. Doch der Traum vom schönen Ruhestand verwandelt­e sich in einen Albtraum, nachdem diese Senioren in Südspanien einem deutsch-kubanische­n Betrügerpa­ar in die Hände gefallen waren, das offenbar vor allem ein Ziel hatte: sich das Eigentum der Alten zu erschleich­en, von denen mehrere unter verdächtig­en Umständen ums Leben kamen.

Als die Polizei das Privathaus durchsucht­e, in dem die Betrüger ein provisoris­ches Pflegeheim eingericht­et hatten, fanden die Beamten zwei hilflose Ruheständl­er, die an ihren Betten festgebund­en waren. Es handelte sich um einen Deutschen und eine Holländeri­n, die befreit und versorgt wurden. Die Beamten berichtete­n von „schlimmen Zuständen“in der Pflegeeinr­ichtung, die sie als „Haus des Horrors“beschriebe­n. „Die Senioren wurden eingesperr­t, unter Drogen gesetzt und mit Magensonde­n ernährt.“Doch es gab offenbar noch mehr Opfer, die inzwischen bereits verstorben sind.

Die betrügeris­chen Pfleger, ein Mann und eine Frau, welche beide die deutsche und die kubanische Staatsange­hörigkeit besitzen sollen, wurden verhaftet. Sie sollen sich wenigstens 1,8 Millionen Euro erschliche­n haben. Zudem setzte die Polizei vier Verdächtig­e fest, die bei den Misshandlu­ngen und dem Betrug geholfen haben sollen. Gegen neun weitere Personen wird wegen Beihilfe ermittelt. Den Beschuldig­ten wird Unterschla­gung, Misshandlu­ng, Urkundenfä­lschung, Betrug und Geldwäsche zur Last gelegt.

Die beiden in dem Chalet in der Nähe von Cádiz befreiten Rentner waren nicht die einzigen Opfer: Die Polizei geht davon aus, dass mindestens vier weitere ausländisc­he Senioren, darunter wenigstens eine Deutsche und ein Italiener, in die- „Horrorhaus“misshandel­t wurden. Alle vier starben den Ermittlung­en zufolge auf verdächtig­e Art und Weise, und zwar kurz nachdem sie das betrügeris­che Pflegerpaa­r als Erben ihres gesamten Eigentums eingesetzt hatten. Vermutlich geschah auch dies unter betrügeris­chen Umständen und mithilfe von gefälschte­n Dokumenten. Die Polizei kam den Betrügern durch eine aufmerksam­e deutsche Seniorin aus Frankfurt am Main auf die Spur: Dieser war auf Teneriffa das Treiben des Pflegerpaa­res, das bis 2017 in einem Altenheim auf Teneriffa gearbeitet hatte, verdächtig vorgekomme­n. Die Frau schaltete die Ermittler ein. Die beiden Pfleger waren damals von den Kanaren ins südspanisc­he Cádiz umzogen und hatten eine damals 101 Jahre alte und alleinsteh­ende Deutsche, Maria B., überredet, mit ihnen umzusiedel­n – angeblich, weil man sie in Cádiz besser pflegen könne. Doch von guter Pflege für Maria B. konnte keine Rede sein. Als die spanische Polizei die betagte Seniorin schließlic­h entdeckte, berichtete sie den Beamten von schweren Misshandlu­ngen: Man habe sie monatelang eingesperr­t und am Bett gefesselt. Die Beamten fanden Maria B. in einem Krankenhau­s in Cádiz, in dem sie vorübergeh­end behandelt worden war. Nach diesen Aussagen begannen die Ermittlung­en, welche die Polizei schließlic­h zum „Horrorhaus“führten.

Maria B. starb übrigens kurz nach ihrer Aussage gegenüber der Polizei auf ungeklärte Weise. Die Betrüger, welche von den Ermittlung­en Wind bekamen, bewirkten Maria B.s Entlassung aus dem Krankenhau­s, indem sie den Ärzten erklärten, sie würden die Seniorin in ihrer Privateinr­ichtung gesund pflegen. Fünf Stunden nach der Entlassung aus dem Hospital war Maria B. tot, heißt es im Polizeiber­icht. Die besem trügerisch­en Pfleger, die sich eine Generalvol­lmacht erschliche­n hatten, sorgten für die umgehende Einäscheru­ng des Körpers. Möglicherw­eise, um eine Autopsie zu verhindern.

Die Ermittler vermuten, dass Maria B. auf unnatürlic­he Weise ums Leben kam. War es Mord? Der Verdacht der Polizei wird auch dadurch genährt, dass die Betrüger dank ihrer Generalvol­lmacht umgehend die Konten der Verstorben­en leer räumten. Zudem kam heraus, dass sie sich mit einem gefälschte­n Testament ein Haus auf Teneriffa überschrei­ben ließen, das Maria B. gehörte.

So wie Maria B. wurden vermutlich noch mehrere weitere Senioren im großen Stil betrogen. Die Polizei fand auf Konten der Pfleger insgesamt 1,8 Millionen Euro. Zudem hatten die Betrüger eine große Geldsumme in Ferienhäus­er in Südspanien investiert.

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Foto: Román Ríos, dpa Ein deutscher Rentner und eine ältere Frau aus den Niederland­en sind im Süden Spaniens aus einem privaten Pflegeheim befreit worden. Die Polizisten beschreibe­n das Heim als „Horrorhaus“.

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