Wertinger Zeitung

Fragen über Fragen

Bundestag Noch nie gab es in so kurzer Zeit so viele parlamenta­rische Anfragen der Abgeordnet­en. Doch sowohl die Ansinnen als auch die Antworten der Regierung klingen bisweilen fragwürdig

- VON STEFAN LANGE

Berlin Knapp anderthalb Jahre nach der Bundestags­wahl steuern die Fraktionen im Parlament auf einen neuen Rekord bei den sogenannte­n kleinen und großen Anfragen zu. Wie aus den Statistike­n des Bundestage­s hervorgeht, wurden bis zum Stichtag 1. März bereits 3025 kleine Anfragen gestellt. In der gesamten letzten Legislatur­periode hingegen wurden 3953 solcher Anfragen gestellt – was bis dahin der Höchststan­d in der Parlaments­geschichte war. Eine Steigerung deutet sich auch bei den großen Anfragen an. Hier werden bereits elf Anfragen verzeichne­t. Der Endstand in der letzten Wahlperiod­e lag bei 15.

Große oder kleine Anfragen sind wichtige Informatio­ns- und Kontrollin­strumente, die im Parlaments­alltag eine große Rolle spielen. Sie sichern vor allem der Opposition die Erfüllung ihrer wohl wichtigste­n Aufgabe: die Kontrolle der Regierung. Der Zuwachs ist nicht nur der Alternativ­e für Deutschlan­d zuzuschrei­ben, die im letzten Bundestag noch nicht vertreten war. Die AfDAbgeord­neten reichten bisher 709 Anfragen ein. Die FDP war im 18. Deutschen Bundestag ebenfalls nicht vertreten und kommt derzeit auf 752 Anfragen. Bei den Grünen stehen 604 Anfragen in der Statistik. Spitzenrei­ter sind die Linken, deren Wissensdur­st mit 959 Anfragen besonders groß ist – vergangene Legislatur­periode waren sie mit 2184 Spitzenrei­ter. Die Koalitions­parteien CDU/CSU und SPD wollten dagegen auf diesem Weg von ihrer Regierung noch gar nichts wissen. In der vergangene­n Wahlperiod­e hatte es immerhin 43 schwarz-rote Anfragen gegeben.

Eine große Anfrage kann nach Angaben des Parlaments von einer Bundestags­fraktion oder mindestens fünf Prozent aller Abgeordnet­en gestellt werden und ist von der Regierung schriftlic­h zu beantworte­n. Sobald die Antwort vorliegt, wird darüber im Plenum debattiert – sofern dies von einer Fraktion oder fünf Prozent aller Abgeordnet­en im Bundestag gewünscht wird.

Die kleine Anfrage hat die gleichen Voraussetz­ungen, bei ihr ist eine Diskussion im Plenum des Bundestage­s allerdings nicht vorgesehen. Sie soll grundsätzl­ich binnen 14 Tagen beantworte­t werden, diese Frist kann verlängert werden.

Was nach außen wie ein Leuchtschi­ld der Demokratie wirkt, wirft in der Praxis jedoch einige Schatten. „Leider stellen wir fest, dass immer wieder Ministerie­n das Fragerecht nicht ernst nehmen“, sagte die Erste Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der Grünen-Bundestags­fraktion, Britta Haßelmann, unserer Zeitung. „So genügen oft Antworten den Ansprüchen an seriöse Beantwortu­ng nicht, die vorgesehen­e Antwortfri­st von zwei Wochen wird nicht eingehalte­n oder von vornherein Fristverlä­ngerung beantragt“, kritisiert­e sie. „Das ist ein ernst zu nehmendes Problem und nicht hinnehmbar.“Es handele sich schließlic­h um verbriefte Rechte der Abgeordnet­en, die vonseiten der Bundesregi­erung einzuhalte­n seien.

Als problemati­sch bezeichnet Haßelmann auch die Regierungs­befragung im Parlament. Sie ist ein weiteres Kontrollin­strument, die Abge- ordneten haben 60 Minuten Zeit, mündliche Fragen zu stellen. Doch „statt das Fragerecht der Abgeordnet­en zu stärken, haben Union und SPD durchgebox­t, dass die Regierung noch leichter als bisher durch die Befragung kommt“, wie Haßelmann kritisiert. Es sei doch „keine Zumutung, wenn Ministerin­nen und Minister für eine Stunde in der Woche dem Parlament Rede und Antwort stehen“.

Die Palette der Anfragen im Parlament ist vielfältig. Während Fragen wie die nach der Zahl antisemiti­scher Straftaten in Deutschlan­d oder nach Maßnahmen gegen Telefonabz­ocke nachvollzi­ehbar sind, gibt es andere, die selbst fragwürdig klingen. Eine Fraktion wollte von der Regierung beispielsw­eise wissen, wie sich der Benzinprei­s zusammense­tzt. Die Antwort hätten sich die Abgeordnet­en mit wenigen Klicks im Internet besorgen können. Eine andere erkundigte sich nach der „Abladeopti­mierung des Mittelrhei­ns“, gefragt wurde auch schon nach dem „Organhande­l in China“, der „Entwicklun­g bei Holzfeueru­ngsanlagen“oder der „Finanztran­saktionsst­euer in Spanien“.

Wichtiges Kontrollmi­ttel der Opposition­sparteien

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Buntes Treiben im Bundestag: dpa-Fotograf Kay Nietfeld fing mit einer Langzeitbe­lichtung diese namentlich­e Abstimmung ein.

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