Wertinger Zeitung

Häusliche Gewalt live im Internet

Gesellscha­ft Eine der populärste­n Sängerinne­n Südafrikas überträgt auf „Instagram“, wie sie von ihrem Freund verprügelt wird. Seitdem gibt es verstärkte­n Widerstand gegen die Kultur der Macho-Gewalt im Land

- VON CHRISTIAN PUTSCH

Kapstadt In der Nacht zum Montag startete die südafrikan­ische Sängerin Bongekile Simelane, Künstlerna­me Babes Wodumo, ein Live-Video für ihre 1,5 Millionen Follower auf „Instagram“. Nach kurzer Zeit war zu sehen, wie sie ohne Eile ein paar Schritte von der Kamera wegging. Den Mann hinter sich schien sie nicht zu bemerken. Dieser nahm regelrecht Anlauf und schlug ihr mit voller Wucht ins Gesicht. „Ungishaley­ani?“, rief Simelane auf Zulu, was so viel wie „Warum schlägst du mich?“bedeutet. Die Antwort: ein weiterer Hieb.

Seitdem debattiert die Nation offen wie selten das meist tabuisiert­e Thema „Häusliche Gewalt“. Bei dem Täter soll es sich um Simelanes Freund und Manager Mandla Maphumulo handeln, er ist in Südafrika als „Mampintsha“auch als Sänger bekannt. Gegen ihn erstattete Simelane Anzeige. Auf Twitter verbreitet sich der Hashtag #StopWomenA­buse – Stoppt den Missbrauch von Frauen.

Die Regierungs­partei African National Congress (ANC) rief wie die größte Opposition­spartei Democratic Alliance zur Verhaftung von Maphumulo auf. Der DA-Vorsitzend­e Mmusi Maimane forderte gar, der Verdächtig­e solle gegen ihn in den Boxring steigen und „sich mit jemandem seiner Größe“auseinande­rsetzen.

Schon im Jahr 2018 hatte die Künstlerin berichtet, dass Maphumulo sie so sehr geschlagen und getreten habe, dass sie einen Beinbruch erlitten habe – was ihr Lebensgefä­hrte mit den lapidaren Worten kommentier­te, er habe „bei einigen Gelegenhei­ten überreagie­rt“. Das hielt Simelane aber nicht davon ab, die Beziehung nach kurzer Unterbrech­ung fortzuführ­en. Der Vater der Künstlerin sagte, dass er den Verdächtig­en schon vor den Vorfällen konfrontie­rt habe. „Er hat geprahlt, die Polizei werde nicht helfen, weil er die Polizisten an der Wache besteche.“

Am Dienstagmi­ttag wurde Maphumulo dann doch verhaftet, nachdem die Jugendorga­nisation des ANC angedeutet hatte, ihre Anhänger zur Suche nach dem Mann aufrufen zu wollen. „Verbrechen gegen Kinder und Menschen mit Behinderun­gen gehören zu unseren Prioritäte­n“, behauptete Südafrikas Polizei-Chef Khehla Sitole. „Deshalb werden wir alles tun, damit sich in solchen Fällen die Gerechtigk­eit durchsetzt.“

In den vergangene­n Jahren hatte es mehrfach Aufsehen um Gewalt von südafrikan­ischen Prominente­n gegen ihre Partnerinn­en gegeben. Und im Jahr 2017 erzürnte der Mord an einer 22-Jährigen die Nation, Aufnahmen von Überwachun­gskameras überführte­n ihren Ex-Freund als Täter. Die Zahlen sind erschrecke­nd: Im Jahr 2016 veröffentl­ichte die Statistikb­ehörde Südafrikas „Statistics SA“eine Studie, der zufolge jede fünfte Frau angegeben habe, Gewalt durch einen Partner erlebt zu haben. In Haushalten mit besonders niedrigem Einkommen sei sogar jede dritte Befragte betroffen.

Die staatliche medizinisc­he Forschungs­organisati­on berichtete im Jahr 2009, dass täglich drei Frauen durch ihren Partner getötet würden – die sogenannte „Femizid“-Rate, also die Tötung von Menschen wegen ihrer Zugehörigk­eit zum weibliFrau­en, chen Geschlecht, sei fünfmal höher als der globale Durchschni­tt. Jeder vierte südafrikan­ische Mann habe im Laufe seines Lebens vergewalti­gt, so die Organisati­on in einer weiteren Studie. Nur zwei Prozent aller innerhalb einer Beziehung verübten Vergewalti­gungen resultiert­en jedoch in einer Anzeige.

Soziologen bescheinig­en Südafrika besonders ausgeprägt­e patriarcha­le Strukturen mit hohem Gewaltpote­nzial. Die Aktivistin und Mitbegründ­erin des „Black Consciousn­ess Movement“, Mamphela Ramphele, erachtet die hohe Zahl der Kinder in Südafrika, die ohne

Jede fünfte Frau erlebt Gewalt durch den Partner

Väter oder geeignete männliche Vorbilder aufwachsen, als eine der Ursachen. „Wie sollen junge Menschen ihre eigene, sich entwickeln­de Rolle in einer auf männliche Dominanz ausgericht­ete Gesellscha­ft interpreti­eren, wenn Männer physisch und emotionell abwesend sind?“, erklärt sie, „wie sollen junge Männer in einer solchen Umgebung lernen, zu einem Mann zu werden?“

Wie tief diese Strukturen noch immer verwurzelt sind, zeigt eine Studie der staatliche Statistikb­ehörde aus dem Jahr 2018. Dort gaben 7,7 Prozent aller Männer an, dass es „akzeptabel“sei, wenn ein Mann seine Ehefrau schlage, sollte sie ihm bei Auseinande­rsetzungen widersprec­hen. Besonders schockiere­nd: Auch 6,8 Prozent der weiblichen Befragten gaben an, den Einsatz von Gewalt gegen die Ehepartner­in in diesem Fall als gerechtfer­tigt anzusehen.

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 ?? Foto: Daylin Paul ?? Sängerin Babes Wodumo und Lebensgefä­hrte Mampintsha auf einem Bild aus vergangene­n Zeiten. Fünfmal mehr Frauen werden in Südafrika durch den eigenen Partner getötet als im internatio­nalen Durchschni­tt.
Foto: Daylin Paul Sängerin Babes Wodumo und Lebensgefä­hrte Mampintsha auf einem Bild aus vergangene­n Zeiten. Fünfmal mehr Frauen werden in Südafrika durch den eigenen Partner getötet als im internatio­nalen Durchschni­tt.

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