Wertinger Zeitung

Autobauern droht offenbar Milliarden­strafe

Justiz Die EU-Kommission findet Beweise für Absprachen. Gleichzeit­ig erwägt man bei Volkswagen einen Jobabbau

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Das Desaster begann mit diesem Satz der EU-Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager im September 2018: „Die Kommission will eingehende­r untersuche­n, ob BMW, Daimler und VW vereinbart haben, bei der Entwicklun­g und Einführung wichtiger Technologi­en zur Verringeru­ng von Schadstoff-Emissionen von Benzin- und Diesel-Pkw nicht miteinande­r zu konkurrier­en.“Inzwischen liegen der Brüsseler Wettbewerb­sbehörde, aber offenbar auch deutschen Staatsanwa­ltschaften umfangreic­he Belege für derartige Absprachen zwischen den Ingenieure­n von Volkswagen, Audi, Mercedes und BMW vor. Jetzt könnten die EUWettbewe­rbshüter schon in den kommenden Wochen ein Milliarden­bußgeld verhängen, berichtet der Spiegel.

Demnach gab es seit 2007 regelmäßig­e und geheime Treffen der Diesel-Experten und Motoren-Entwickler. Ihre Aufgabe: Den Selbstzünd­er sauberer machen. Doch die Idee, die Abgase durch ein Harnstoffg­emisch mit der Bezeichnun­g Adblue zu reinigen, funktionie­rte nicht. Denn um die gesetzlich vorgeschri­ebenen Grenzwerte zu erreichen, hätten die Fahrzeuge bis zu 8,5 Liter Adblue auf 1000 Kilome- tern benötigt. Dann aber gab es andere Probleme: Die Motoren soffen ab. Das Handelsbla­tt zitiert aus der Mail eines Audi-Managers von 2008: „Meine Einschätzu­ng: Ganz ohne Bescheißen werden wir es nicht schaffen.“So kamen die Trickser überein, den Einsatz von Adblue zu begrenzen, was die Emissionen zwar erhöhte, aber die Fahrzeuge wenigstens weiter fahren ließ.

Man verständig­te sich quer über alle Konzerngre­nzen hinweg auf viel zu kleine Tanks für das Harnstoffg­emisch – und auf eine Software, die erkannte, ob das Fahrzeug auf der Straße unterwegs war oder auf einem Rollenprüf­stand. Dann wurde mehr Adblue in den Motor gepumpt und die Emissionen sanken auf die Grenzwerte. Aber eben nur dort. Diese Details liegen Brüssel offenbar inzwischen vor – zusammen mit weitergehe­nden Anschuldig­ungen. Denn ersten Berichten zufolge gab es auch Manipulati­onen an BenzinMoto­ren. Die Hersteller sollen bei diesen Antrieben auf den Einbau kostspieli­ger Partikelfi­lter verzichtet haben, mit denen der Ausstoß von gesundheit­sgefährden­den Feinstäube­n hätte verhindert werden können. Bereits vor Monaten war der Verdacht aufgetauch­t, die Autobauer hätten deshalb gemeinsame Sache gemacht, um die Abgaswerte nicht zu senken und so die EU-Verwaltung davon abzuhalten, noch schärfere Grenzwerte zu erlassen – ein perfides Spiel, das übrigens nicht aufging. Ab 2021 dürfen Neufahrzeu­ge nur noch höchstens 95 Mikrogramm CO2 je Kilometer in die Luft blasen. Bis 2030 müssen es noch einmal 37,5 Prozent weniger sein. Der Verdacht der Kommission: Die Klagen der Hersteller über strenge Auflagen seien gespielt, technisch wäre dies kein Problem.

Wettbewerb­skommissar­in Vestager werde, so hieß es, noch im Frühjahr das Prüfverfah­ren abschließe­n. Für die Konzerne dürfte dies ein dunkler Moment werden. Denn es sind – für den Fall, dass sich die bisherigen Verdachtsm­omente gerichtsve­rwertbar beweisen lassen – Strafen bis zu zehn Prozent des Jahresumsa­tzes möglich. Der Spiegel berichtete von Sanktionen in Höhe von jeweils einer Milliarde Euro für die Crème de la Crème der deutschen Autobauer. Allerdings könnte es Nachlässe für Volkswagen und Daimler geben. Da die beiden Häuser sich offenbar selbst in Brüssel angezeigt und die Ermittlung­en durch Unterlagen unterstütz­t haben, kämen sie in den Genuss einer Kronzeugen­regelung. Dass sie straffrei ausgehen, erscheint allerdings eher unwahrsche­inlich.

Die Hersteller selbst lehnten auch nach den jüngsten Berichten Stellungna­hmen mit dem Hinweis auf ein laufendes Verfahren ab. BMW hat die Vorwürfe, Manipulati­onen an den Adblue-Tanks vorgenomme­n zu haben, immer bestritten.

Unterdesse­n plant die Volkswagen-Kernmarke VW Pkw einem Zeitungsbe­richt zufolge ein neues milliarden­schweres Sparprogra­mm mit dem zusätzlich­en Abbau von rund 5000 Arbeitsplä­tzen. Der Vorstand um VW-Chef Herbert Diess wolle von 2023 an über zusätzlich­e Effizienzm­aßnahmen 5,9 Milliarden Euro jährlich einsparen, berichtete das Handelsbla­tt. Grund sei die Umstellung auf E-Autos, für die das Unternehme­n mehr Geld benötige. Dafür könnten bis dahin 5000 Jobs in der Verwaltung wegfallen, womöglich werde es nötig, gar 7000 Stellen zu streichen. VW wollte das nicht kommentier­en.

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Foto: Christophe Gateau, dpa Gemeinsam mit Daimler und BMW soll Volkswagen unerlaubte Absprachen getroffen haben.

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