Wertinger Zeitung

„America first“floppt fürs Erste

Bilanz Donald Trump hat den Abbau des Handelsdef­izits versproche­n. Stattdesse­n produziert­e er das größte in der Geschichte

- VON THOMAS SPANG

Washington Die Nachricht von dem Rekorddefi­zit konnte aus Sicht der gerade in der amerikanis­chen Hauptstadt eingetroff­enen Delegation von EU-Handelskom­missarin Cecilia Malmström kaum zu einem ungünstige­ren Zeitpunkt kommen. Trotz zwei Jahren Protektion­ismus wuchs das Handelsdef­izit der USA um zehn Prozent auf genau 891,3 Milliarden Dollar. Mit dieser Differenzs­umme zwischen Importen aus dem Ausland und Exporten stehen die Amerikaner so tief in den roten Zahlen wie seit Beginn der statistisc­hen Erfassung vor 243 Jahren nicht.

Gemessen an seinem eigenen Maßstab, ist das eine Hiobsbotsc­haft für US-Präsident Donald Trump. Denn nach Lesart des Präsidente­n bedeutet ein hohes Defizit den Transfer von Wohlstand aus den USA in fremde Länder. Vergangene­n März beschwerte er sich via Twitter noch über ein damals erst rund 800 Milliarden Dollar hohes Defizit. Dies sei das Ergebnis „unserer sehr dummen Handelsabk­ommen“. Die USA verlören Jobs und Wohlstand „an andere Länder, die uns seit Jahren ausnutzen“.

Dazu gehören in Trumps Weltsicht neben China und den NaftaStaat­en auch die Europäisch­e Union, aus denen die USA mehr als die Hälfte aller Waren importiert. Zusammen macht die Außenhande­lsbilanz dieser Staaten 86 Prozent des amerikanis­chen Defizits aus. In der Logik Trumps dienen Strafzölle als Drohkeule und Instrument zum Abbau des Defizits zugleich. Deshalb verhängte er sie auf Stahl- und Aluminium-Produkte und drohte den Nafta-Staaten Mexiko und Kanada sowie China mit der vollen Bandbreite an Zöllen. Die EU versucht er mit Einfuhrste­uern auf Automobile auf Kurs zu bringen.

Aus Sicht der allermeist­en Ökonomen liegt Trump mit seiner Analyse des Handels ziemlich weit daneben. „Die Tatsache, dass es der USWirtscha­ft sehr gut geht, ist der Hauptgrund, warum das Handelsdef­izit gewachsen ist“, meint etwa der Harvard-Ökonom und ehemalige Chef-Volkswirt des Internatio­nalen Währungsfo­nds, Kenneth Rogoff. US-Konsumente­n und Unternehme­n hätten dadurch mehr Geld zur Verfügung, Güter und Produkte nachzufrag­en.

Darüber hinaus spielen andere Faktoren eine Rolle, wie etwa der überteuert­e Dollar. Heute bewegt sich der Außenwert der US-Währung um 19 Prozent über dem Preis im Zehnjahres­durchschni­tt des Währungsko­rbs der wichtigste­n Handelspar­tner der USA. Der hohe Dollar macht Einkäufe im Ausland billiger und amerikanis­che Produkte und Dienstleis­tungen teurer.

Aus Sorge vor einer Überhitzun­g der Wirtschaft steuerte die amerikanis­che Bundesbank FED gegen und erhöhte 2018 vier Mal die Leitzinsen. Andere Zentralban­ken, allen voran die Europäisch­e Zentralban­k, lassen sich mehr Zeit. Zölle spielen angesichts dieser makroökono­mischen Einflüsse aus Sicht der meisten Volkswirte beim Defizit keine Rolle. Interessan­terweise versucht auch Trumps Wirtschaft­sberater, Kevin Hassett, das Rekorddefi­zit so zu erklären. Er argumentie­rt, der Wert der neu verhandelt­en Abkommen werde sich erst auf lange Sicht zeigen.

Mit einer Kursänderu­ng Trumps rechnen deshalb nur wenige. Bei den Gesprächen mit Malmström beharrt Handelsbea­uftragter Robert Lighthizer darauf, jede Vereinbaru­ng mit der EU müsse den Landwirtsc­haftssekto­r miteinschl­ießen. Die Amerikaner sehen darin ihre beste Chance, Defizite im Handel mit Europa abzubauen. Für Malmström und ihr Team kommt das nicht in Frage. Unter Bezug auf die von EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker erzielte Grundsatze­inigung mit Trump im Juli beharrt sie auf dem vereinbart­en Rahmen. „Es geht um industriel­le Güter – und dabei bleibt es.“

Damit stehen die Aussichten für einen Durchbruch denkbar schlecht. Bereits im Mai könnte Trump die angedrohte­n Autozölle verhängen. „Wenn einseitige Zölle verhängt werden“, warnte der scheidende EU-Botschafte­r in Washington, David O’Sullivan, die Amerikaner vor einem solchen Schritt, „werden die Gespräche beendet.“

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Foto: dpa Donald Trump wollte das Handelsdef­izit eigentlich abbauen.

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