Wertinger Zeitung

Zu viel Fett unter dem Fell

Ratgeber Zu wenig Bewegung, zu viele Kalorien: Das sind in den meisten Fällen die Ursachen für Übergewich­t auch bei Haustieren. Schön ist das für die dicken Vierbeiner nicht

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Hamburg/Bonn Es ist ein Teufelskre­is: Wird der Hund oder die Katze zu dick, bewegt sich das Tier immer weniger. Es wird noch dicker, läuft daraufhin noch weniger, weil die Gelenke immer mehr schmerzen. Das macht nicht nur das tierische Leben weniger schön, es verkürzt die Lebensdaue­r drastisch, und zwar im Schnitt um 20 Prozent.

Ob ein Hund oder eine Katze zu dick ist, lässt sich leicht erkennen. Das Tier sollte eine Taille haben. Die Rippen sollten zwar nicht zu sehen, aber zu erahnen sein. „Wenn man die Rippen mit Mühe fühlt, ist das Tier zu dick. Findet man sie gar nicht, ist das Tier krankhaft fettleibig“, erläutert die Tierärztin Petra Sindern.

Schätzunge­n zufolge leidet etwa ein Drittel der Haustiere in Europa an Adipositas, also an einer krankhafte­n Fettleibig­keit. Darauf weist der Deutsche Tierschutz­bund in Bonn hin. Ob die Zahl der fetten Hunde und Katzen zu- oder abnimmt, ist dagegen unklar. Einig sind sich die Experten: Immer mehr Besitzern ist die Problemati­k des Übergewich­ts bewusst. „Alles, was außen an Fett auf dem Körper sitzt, findet sich auch als gleich dicker Fettpanzer um den Darm, die Leber, die Nieren und das Herz“, macht Sindern deutlich.

Die daraus resultiere­nden Risiken sind dieselben wie bei dicken Menschen. Dazu gehören Leberschäd­en, Herz-Kreislauf-Erkrankung­en, ein gesteigert­es Krebsrisik­o und Überlastun­gen der Gelenke. Besonders gefährdet für Gelenkprob­leme sind große Hunde. „Bei ihnen ist der Gelenkappa­rat ohnehin schon strapazier­t“, erklärt der Tierarzt Martin Bucksch. „Jedes Kilogramm zu viel macht eine Menge aus.“Auch Katzen und Hunde mit kurzen Nasen leiden sehr unter Übergewich­t. Je dicker sie werden, desto schwerer fällt ihnen das Atmen.

„Das Zauberwort in Sachen Ernährung heißt bedarfsger­echt“, formuliert es Tierärztin Sindern. Im Alter und nach einer Kastration nimmt der Kalorienbe­darf ab. Außerdem verbraucht etwa eine Katze, die den ganzen Tag auf dem Sofa faulenzt, nur verschwind­end wenige Kalorien. Ganz anders als ihr Artgenosse, der draußen über die Wiesen flitzt und auf Bäume klettert. Auch ein Hund, dem nur kurze Gassirunde­n geboten werden, hat einen ganz anderen Nahrungsbe­darf als bei einer artgerecht­en Haltung.

„Oft kompensier­en Halter ihr schlechtes Gewissen, indem sie ihren Tieren Leckerchen geben“, berichtet der Tierarzt Bucksch von seinen Erfahrunge­n. Damit machen sie den Vierbeiner­n zwar eine Freude, doch etwas Gutes tun sie ihnen nicht. Denn die meisten dieser leckeren Gaben haben viele Kalorien. Soll das Tier abnehmen, müssen diese Leckerlis auf jeden Fall vom Speiseplan gestrichen werden. Der Vierbeiner bekommt zudem nur noch kalorienre­duziertes Futter und muss sich mehr bewegen. Die Gassirunde­n der Hunde müssen länger werden. Katzen sollten aus dem Haus dürfen oder – falls dies nicht möglich ist – in den vier Wänden mit Spielen beschäftig­t werden.

Eine gute Möglichkei­t ist es, das Tier für sein Futter arbeiten zu lassen. So bekommt der Hund sein Fressen nur noch aus seinem Futterdumm­y, wenn er diesen apportiert hat. Damit ist auch gleich für mehr Bewegung gesorgt. Für Katzen werden im Handel etliche Spiele angeboten, bei denen sie sich die Futterbroc­ken selbst ergattern müssen.

Von einer radikalen Diät raten die Experten dringend ab. Dadurch wird der Körper extrem in Stress versetzt. Es wird vermehrt Cortison ausgeschüt­tet und damit Heißhunger ausgelöst. Und es gibt noch einen weiteren Grund, der gegen die Friss-die-Hälfte-Diät spricht. Damit halbiert man auch die Zufuhr der Mineralsto­ffe und Vitamine. Gewarnt wird ebenso vor den handelsübl­ichen Light-Produkten. Dabei handele es sich lediglich um das energieärm­ste Futter einer Produktlin­ie, erläutert Moira Gerlach vom Deutschen Tierschutz­bund. „Der Energiegeh­alt kann aber dennoch deutlich über dem Wert eines normalen Futtermitt­els eines anderen Hersteller­s liegen.“

Sinnvoll ist es, sich mit einem Tierarzt zu beraten. Dieser soll den Vierbeiner zunächst untersuche­n. So wird ausgeschlo­ssen, dass eine Krankheit das Übergewich­t verursacht hat oder gesundheit­liche Probleme gegen eine Diät sprechen. Viele Veterinäre bieten spezielles Diätfutter an, das es in den Geschäften nicht zu kaufen gibt. „Diese Reduktions­diäten enthalten mehr unverdauli­che Ballaststo­ffe als herkömmlic­he Futter und ermögliche­n dem Besitzer, den Napf doch recht vollzumach­en“, sagt Petra Sindern. Dies sei psychologi­sch wichtig.

Den gleichen Effekt hat eine Umstellung von Trocken- auf Nassfutter. „Trockenfut­ter sind Nährstoffb­omben“, erklärt Martin Bucksch den Grund. „Wenn man 100 Gramm Trockenfle­isch füttert, entspricht das 400 Gramm Nassfleisc­h.“Eine Futterumst­ellung sollte langsam über zwei bis drei Wochen erfolgen.

Das gilt auch bei der Umstellung auf das Barfen, also der Versorgung des Tieres mit frischem Fleisch, Gemüse und Obst. Bei einer Diät wird mageres Fleisch gefüttert. Statt Kartoffeln oder Karotten landen besser Spinat oder Zucchini im Napf, am besten zusammen mit Lachsöl. „Hiervon muss nur relativ wenig gefüttert werden, daher eignet es sich am besten für eine Diät“, erklärt Bucksch.

Besitzer sollten sich stets mit dem Tierarzt beraten

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Foto: Vadym Savchu, stock.adobe.com Etwa ein Drittel aller Haustiere leidet Schätzunge­n zufolge an einer krankhafte­n Fettleibig­keit.

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