Die Bienen-Retter schwärmen aus
Hintergrund Das erfolgreiche Volksbegehren in Bayern ermutigt Artenschützer in anderen Bundesländern. Die Staatsregierung ist unter Druck. Sie hat im Kern nur noch zwei Optionen
München Einfach zustimmen oder besser machen? Auf diese beiden Alternativen, so scheint es, ist der Handlungsspielraum der Staatsregierung im Umgang mit dem Volksbegehren „Rettet die Bienen!“geschrumpft. Dem Volksbegehren einen weniger weitgehenden Gesetzentwurf zum Artenschutz entgegenzustellen, ist spätestens seit der GMS-Umfrage im Auftrag von „17:30 Bayern“keine echte Option mehr. Danach wollen 84 Prozent der Befragten bei einem Volksentscheid für eine Stärkung des Artenschutzes stimmen. Hinzu kommt, dass das erfolgreiche Volksbegehren Artenschützer andernorts in Deutschland und Europa ermutigt, eigene Initiativen voranzutreiben. Das stärkt jene Kräfte in der Staatsregierung, die in der „Flucht nach vorne“die einzige Chance sehen, umweltpolitisch wieder Tritt zu fassen und vielleicht sogar vorbildhaft zu sein.
Zu diesen Kräften gehört offenbar auch Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU). Sie hofft darauf, dass der Runde Tisch zum Artenschutz unter der Leitung des früheren Landtagspräsidenten Alois Glück (CSU) Ergebnisse bringt, die im Landtag in ein umfassenderes und praktikables Artenschutzgesetz gegossen werden könnten. „Ich möchte Herrn Glück nicht vorgreifen, aber es wäre genial, wenn wir mit seiner Unterstützung zu einem besseren und umfangreicheren Artenschutzgesetz kämen, das alle einbezieht: die Landwirte, aber auch Städte und Gemeinden, die Kirchen mit ihren Flächen und auch die privaten Gartenbesitzer“, sagt Kaniber im Gespräch mit unserer Redaktion.
Die Stoßrichtung des Arguments ist offensichtlich. Nach dem Willen der Ministerin soll klar werden, dass Artenschutz alle angeht – nicht nur die Landwirte. Das sehen auch viele Teilnehmer des Runden Tisches so. Die „fast schon depressive Stimmung in vielen Bauernfamilien“, so heißt es dort, sei weniger auf das Volksbegehren zurückzuführen als vielmehr auf eine „seit Jahren schwindende Akzeptanz ihres Berufsstands“. Bei allem Druck, den das Volksbegehren ausübe, biete sich in der Debatte jetzt auch die Chance, die Landwirte aus der Rolle des Sündenbocks zu holen.
Auf Bayern begrenzt ist diese Debatte längst nicht mehr. In vielen Bundesländern machen Artenschützer mobil. Und innerhalb der Landwirtschaft zeichnet sich ein Umdenken ab. Ludger Schulze Pals, Chefredakteur der einflussreichen Fachzeitschrift fordert als Konsequenz aus dem Volksbegehren in Bayern: „Es ist Zeit für radikalen Kurswechsel. Die Bauernverbände müssen endlich raus aus der Dauerkonfrontation mit den Tierund Umweltschutzverbänden und Teilen der Politik.“
Der Bauernverband in Bayern hat am Runden Tisch erste Schritte in diese Richtung getan. Ministerin Kaniber hofft, dass dieses Beispiel Schule macht. „Das Artensterben ist nicht bayerisch gemacht, es ist ein globales Problem. 13 Millionen Bayern werden alleine die Welt nicht retten können“, sagt sie und fügt hinzu: „Es wäre zu begrüßen, wenn sich der Deutsche Bauernverband auch so konstruktiv beteiligen würde wie der Bayerische Bauernverband. Wenn wir in Bayern bereit sind, mehr zu tun, dann muss anderswo auch etwas geschehen.“
Für ein umfassenderes Artenschutzgesetz, das den Titel „Volksbegehren plus“wirklich verdient, sind freilich viele Hürden zu nehmen. Zunächst müsste der Runde Tisch zu einem Ergebnis kommen, das vom Trägerkreis des Volksbegehrens – ÖDP, Landesbund für Vogelschutz, Grüne – und einer breiten Mehrheit der Verbände getragen wird. Dann müsste sich eine Zweidrittelmehrheit im Landtag finden, die ein entsprechendes Gesetz unterstützt und in einem Volksentscheid als Alternativkonzept zum Volksbegehren vorlegt.
Die andere Option ist für die Regierungsparteien CSU und Freie Wähler weniger attraktiv, aber möglicherweise unausweichlich: Sie könnten dem Volksbegehren einfach zustimmen, um das Thema vor der Europawahl abzuräumen, und versuchen, das Gesetz durch Ausnahmeregelungen zu entschärfen, später wieder zu ändern oder durch weitere Bestimmungen zu ergänzen. Das aber sei juristisch schwierig und politisch äußerst heikel.