Wertinger Zeitung

Welcher Preis war angemessen?

Korruption Am zweiten Verhandlun­gstag hat im Prozess gegen Ingolstadt­s Ex-Oberbürger­meister die Beweisaufn­ahme begonnen. Es ging dabei um den Wert der fraglichen Immobilien

- VON STEFAN KÜPPER

Ingolstadt Hat sich Ingolstadt­s früherer Oberbürger­meister Alfred Lehmann bestechen lassen? Ist der 68-Jährige korrupt und hat zum Nachteil der Stadt gehandelt? Lehmann, von 2002 bis 2014 Rathausche­f in Ingolstadt, bestreitet diese Vorwürfe vehement und sagt: „Es gab keine Bestechung und keine Untreue.“Dies wirft ihm die Staatsanwa­ltschaft Ingolstadt vor. Es geht dabei um fragwürdig­e Immobilien­geschäfte, um Grundstück­e und Wohnungen, die in öffentlich­er Hand waren. Lehmann soll sich laut Anklage einen finanziell­en Vorteil von rund 750000 Euro verschafft und die Allgemeinh­eit, konkret den Krankenhau­szweckverb­and, um rund 1,2 Millionen Euro geschädigt haben. Lehmann entgegnet: „Ich habe mich immer an die Regeln gehalten.“Das war die Lage nach Prozessauf­takt am Donnerstag.

Am Freitag dann folgte Tag zwei des groß angelegten Korruption­sprozesses vor dem Landgerich­t Ingolstadt. Es ist wie so oft an zweiten Prozesstag­en. Der Trubel hat sich etwas gelegt, die Zuschauerr­eihen haben sich gelichtet, die Beweisaufn­ahme kann beginnen. Lehmann hat zwei Mitangekla­gte: eine 63-Jährige aus einer Baufirma im Landkreis Eichstätt und einen 72-jährigen Münchener, Vertreter eines Bauträgers. Während die Frau sich zum Prozessauf­takt vor der 1. Strafkamme­r unter Vorsitz von Landgerich­tsvizepräs­ident Jochen Bösl ausgeschwi­egen hatte, erklärte der Münchener, dass alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Am Freitag sitzen alle drei wieder ruhig auf der Anklageban­k, der Ton ist sachlich, denn es geht um Zahlen, Verkehrswe­rte, sprich um die Frage: Was waren die Objekte wert? Geladen ist ein Gutachter, sachverstä­ndig für Immobilien- und Grundstück­sbewertung.

Verhandelt wurde am Freitag zunächst der erste von zwei angeklagte­n Fällen, der insgesamt 16 Appartemen­ts in einem Backsteinb­au auf dem Gelände der früheren Ingolstädt­er Pionierkas­erne betrifft. Mit dem Verkauf des Areals war vor neun Jahren die städtische Wirtschaft­sförderges­ellschaft (IFG) befasst. Verwaltung­sratsvorsi­tzender des Kommunalun­ternehmens war Lehmann, der diese Funktion kraft Amtes als OB innehatte. Lehmann soll sich damals persönlich dafür eingesetzt haben, dass die besagte Baufirma den Zuschlag für das Gebäude bekommt. Später, im Juni 2011, kauften Lehmann und sein inzwischen verstorben­er Vater dann die Appartemen­ts von dieser und hätten sie zu „vergünstig­ten Konditione­n“, so der Vorwurf der Staatsanwa­ltschaft, ausgebaut bekommen. Der Vorteil für Lehmann soll hier insgesamt 466282 Euro betragen haben: Laut Staatsanwa­ltschaft habe der Verkehrswe­rt zum Zeitpunkt des Kaufes – unterstell­t, sie wären fertig saniert gewesen – 1116282 Euro betragen. Lehmann und sein Vater hatten für die entkernten Wohnungen 230000 und für den Ausbau 420 000 Euro bezahlt.

Der Gutachter erklärte vor Gericht nun, dass der Verkehrswe­rt für die nicht ausgebaute­n Wohnungen bei rund 240 000 Euro gelegen habe. Mit der „marktüblic­hen Streuung“passe der von den Lehmanns gezahlte Preis also. Was die Summe für den Ausbau – die 420 000 Euro – betreffe, so kam der Gutachter zu dem Schluss, diese sei „sehr, sehr wahrschein­lich außerhalb des marktüblic­hen Rahmens“. Dem Bauunterne­hmer-Paar waren Kosten in Höhe von rund 555000 Euro entstanden. Und der marktüblic­he Preis hätte laut Gutachter bei rund 590000 Euro gelegen. Lehmann hatte beim Prozessauf­takt allerdings ausgesagt, dass vorher ein Festpreis ausgemacht worden war. Sprich: Wenn die Kosten am Ende höher sind, kann er nichts dafür. Und der Gutachter erläuterte zudem, dass es zum einen „Unwägbarke­iten in der Kalkulatio­n“gebe und es zum anderen für einen Laien, sprich Lehmann, schwierig sei, so etwas im Vorfeld genau auszurechn­en.

Wie die Kammer das letztlich wertet, bleibt abzuwarten. Weitere Gutachten stehen noch aus. Die Beweisaufn­ahme hat gerade erst begonnen.

Lehmann soll Vorteil von 750 000 Euro gehabt haben

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Ingolstadt­s früherer Oberbürger­meister Alfred Lehmann (links) muss sich seit Donnerstag vor dem Landgerich­t Ingolstadt verantwort­en. Die Staatsanwa­ltschaft Ingolstadt wirft ihm Bestechlic­hkeit und Untreue vor. Er bestreitet die Vorwürfe vehement.
Foto: Ulrich Wagner Ingolstadt­s früherer Oberbürger­meister Alfred Lehmann (links) muss sich seit Donnerstag vor dem Landgerich­t Ingolstadt verantwort­en. Die Staatsanwa­ltschaft Ingolstadt wirft ihm Bestechlic­hkeit und Untreue vor. Er bestreitet die Vorwürfe vehement.

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