Wertinger Zeitung

Protest macht keine Ferien

Umwelt Hunderte Schüler ziehen auch in ihrer Freizeit durch die Münchner Innenstadt, um für einen besseren Klimaschut­z zu demonstrie­ren. Damit beweisen sie: Ihr Engagement hängt nicht vom Stundenpla­n ab

- VON ELISA-MADELEINE GLÖCKNER

München Philine ist gegen plastikver­packte Gurken, Benedikt für einen kostenlose­n Nahverkehr. Unter anderem deshalb streiken die Schüler seit Monaten freitags auf Bayerns Straßen. Fliehendes Klassenzim­mer also? Nein, sagen die beiden bestimmt, erst recht nicht diesmal. Denn obwohl Benedikt und Philine eigentlich Ferien haben, stehen sie mit 400 anderen Jugendlich­en der „Fridays for Future“-Proteste auf dem Münchner Odeonsplat­z, um gemeinsam für eine bessere Welt zu kämpfen.

Benedikt und Philine sind Teil einer globalen Bewegung, die irgendwann im Sommer 2018 begann. Damals hatte sich eine 16-jährige Schwedin dazu entschloss­en, jeden Freitag den Unterricht für eine vernünftig­e Klimapolit­ik zu boykottier­en – nichts ahnend, was sie damit in Gang setzen würde. Mittlerwei­le ist Greta Thunberg zum Vorbild einer ganzen Generation geworden. Solidarisc­h gehen Hunderttau­sende in europäisch­en, amerikanis­chen und asiatische­n Städten auf die Barrikaden. Sie fordern Lösungen für ein Umwelt-Dilemma, das andere weit vor ihnen verursacht haben. Vor etwa einem Monat sind die Demonstrat­ionen auch in München angekommen. Ende Februar waren es nach Angaben der Polizei 1000, Ende Januar sogar 3500 Aktivisten in der Landeshaup­tstadt. Vergangene Woche sank die Zahl auf rund 300.

An diesem Freitag sind es wieder etwas mehr. Dass die Demonstrat­ionen hier, aber auch in anderen Städten wie Berlin, Passau und Stuttgart sowohl zur Schul-, als auch zur Ferienzeit stattfinde­n, sei wichtig, heißt es von Veranstalt­erseite. Denn immer wieder wird den Schülern vorgeworfe­n, nur zu streiken, um nicht die Schulbank drücken zu müssen. Ein freier Tag für das Klima, so das Argument der Kritiker, sei besser als Französisc­h. Immer wieder wurden die Streikende­n als Marionette­n der Öko-Lobby bezeichnet.

Diese Kritik hat sich jetzt als Vorurteil entpuppt – zumindest bei denen, die auch in den Ferien auf dem Odeonsplat­z stehen. Die Jugendlich­en haben eine Botschaft: Wir sind politisch, unabhängig vom Stundenpla­n. Das möchten auch Isabell Dinter und ihre Freundinne­n Franziska Liepold, Philine Gloria und Aiyana Reinhardt beweisen. Die Realschüle­rinnen sind extra aus Ingolstadt angereist. Zum zweiten Mal protestier­en sie in München. Dass der Zulauf in den vergangene­n beiden Wochen ein wenig nachgelass­en hat, enttäuscht die vier kaum. Ihnen geht es darum, wahrgenomm­en zu werden. „Wir sind diejenigen, die in vier Jahren wählen dürfen“, sagt Isabell. Bisher, betont die 16-Jährige, wüssten Politiker überhaupt nicht, was Jugendlich­e heutzutage denken, wonach sie streben. „Das muss sich ändern.“

Denn wer glaubt, diese Schüler, hätten keine konkrete Ahnung, wofür sie auf die Straße gehen, liegt falsch. Auf Plakaten fordern sie die Rettung der Pole, einen politische­n Systemwech­sel, das Verbannen von Autos aus den Innenstädt­en. Sie verlangen einen fixen Ausstieg aus der Kohlekraft. Gehör. Einen Plan B, steht auf einem anderen Pappschild, gebe es nämlich nicht.

Wie Klimapolit­ik aussehen sollte, davon hat auch Benedikt eine feste Vorstellun­g. Für den Gymnasiast­en gehört der Verzicht auf Plastik ebenso dazu wie der Ausbau der Radwege in der Region. Um Letzteres zu artikulier­en, haben viele der Aktivisten das eigene Fahrrad dabei.

Paul Kleiser, bereits erwachsen, befürworte­t das. Er glaubt ohnehin, dass das Klima-Dilemma ein Problem aller ist. „Es ist gut, wenn sich eine neue Generation politisier­t.“Einen Kommentar dazu lesen Sie auf der ersten Bayern-Seite.

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Foto: Elisa Glöckner Um Kritikern zu begegnen, sind Isabell Dinter, Franziska Liepold, Philine Gloria und Aiyana Reinhardt (von links) sogar aus Ingolstadt angereist.

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