Wertinger Zeitung

Die unterschät­zte Gefahr

Medizin Syphilis gilt als Lustseuche von vorgestern. Doch auch heute noch gibt es Neuerkrank­ungen – zuletzt allein knapp 1000 in Bayern. Auch in Augsburg gibt es Fälle

- VON DANIELA FISCHER

Augsburg Das Thema ist mit Scham verbunden und wird deshalb gerne totgeschwi­egen. Und so bleibt verborgen, wie weitverbre­itet Geschlecht­skrankheit­en in unserer Gesellscha­ft sind – und wie unterschät­zt. So wie Syphilis. Die Infektions­krankheit ist neben HIV und akuter Hepatitis die einzige sexuell übertragba­re Erkrankung, die meldepflic­htig ist. 2018 wurden rund 7000 Syphilis-Fälle in Deutschlan­d gemeldet, berichtet das RobertKoch-Institut (RKI). Im Jahr 2008 waren es noch 4500 Fälle. Auch in Bayern sind die Zahlen der Erkrankung­en in diesem Zeitraum gestiegen: 2018 wurden 935 Fälle gemeldet, 2008 waren es 636.

Die Syphilis-Erreger werden in der Regel beim Sex übertragen, entweder durch Geschlecht­sverkehr oder Oralverkeh­r, erklärt Prof. Norbert Brockmeyer, Präsident der Deutschen STI-Gesellscha­ft zur Förderung der Sexuellen Gesundheit. Über winzige Verletzung­en gelangt der Erreger in den Körper. „Die Wahrschein­lichkeit, sich bei ungeschütz­tem Sex mit einem Betroffene­n anzustecke­n, liegt bei etwa 60 Prozent“, sagt Brockmeyer.

Oftmals verläuft Syphilis ohne Symptome. In anderen Fällen tritt meist wenige Tage oder Wochen nach der Ansteckung ein Geschwür auf, zum Beispiel am Penis, das keine Schmerzen verursacht. Unbehandel­t können weitere Anzeichen folgen – von Fieber, Müdigkeit, Kopf-, Gelenk- oder Muskelschm­erzen und geschwolle­nen Lymphknote­n bis hin zu Hautveränd­erungen. Jahre nach der Infektion sind etwa Schädigung­en des Gehirns und der Blutgefäße möglich. Bislang wird Syphilis nur bei einem Bruchteil der Patienten frühzeitig erkannt, berichten Experten.

Betroffen sind vor allem Männer, die nach eigenen Angaben Sex mit Männern haben. Sie machen mindestens zwei Drittel der Fälle aus. Erkrankte Frauen sind vergleichs­weise selten: Zuletzt lag ihr Anteil bei den gemeldeten Syphilis-Fällen unter sieben Prozent. Zudem sind Menschen in Großstädte­n wie München überdurchs­chnittlich oft betroffen – 2018 gab es allein hier 423 Erkrankung­en. Im Großraum Schwaben wurden im vergangene­n Jahr 89 Fälle gemeldet, in Augsburg waren es 23.

Für den Anstieg der Zahlen gibt es laut Brockmeyer mehrere Gründe. Zum einen sei Syphilis aus dem Bewusstsei­n der Menschen verschwund­en: „Sexuell übertragba­re Infektione­n sind ein großes Stigma, darüber redet keiner. Viele wissen nichts von Chlamydien oder Trip- per. Syphilis ist nur die Spitze.“Brockmeyer glaubt auch, dass Dating-Apps wie Tinder einen wesentlich­en Beitrag leisten. „Es gibt heute viele neue Möglichkei­ten, Partner für sexuelle Kontakte zu finden.“

Einen hundertpro­zentigen Schutz vor Syphilis gibt es nicht, jedoch gibt es Maßnahmen, die das Risiko einer Infektion senken. Die Wichtigste: das Benutzen eines Kondoms. Der Kontakt zu nässenden Geschwüren und auffällige­n Hautstelle­n sollte in jedem Fall vermieden werden. Auch durch infizierte­s Blut ist eine Ansteckung möglich.

Um gerade junge Erwachsene besser über sexuell übertragba­re Krankheite­n wie Aids und Syphilis sowie über Schutzmögl­ichkeiten aufzukläre­n, startet das bayerische Gesundheit­sministeri­um heuer eine Schwerpunk­tkampagne. „Viele Menschen mit einer sexuell übertragba­ren Krankheit wissen nicht, dass sie ansteckend sind. Denn zwischen einer Infektion und einer Diagnose beim Arzt vergehen häufig Jahre“, betont Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml. Ab Juni sollen insbesonde­re Menschen im Alter von 17 bis 25 Jahren vor allem über die sozialen Netzwerke Instagram und Facebook erreicht werden. Über die App „Tellonym“soll zusätzlich eine Beratung möglich sein: User können anonym Fragen stellen, Experten antworten. Das Ministeriu­m stellt nach eigenen Angaben mehr als 200000 Euro für die Kampagne zur Verfügung. Denn, so Huml: „In der Altersgrup­pe der 20bis 35-Jährigen ist die Infektions­rate besonders hoch.“

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Foto: Oliver Berg, dpa Kondome schützen vor sexuell übertragba­ren Krankheite­n wie Syphilis.

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