Wertinger Zeitung

Das gefühlte Gold

Biathlon-WM Die angeschlag­ene Laura Dahlmeier zeigt erneut eine unglaublic­he Willenslei­stung. Erst am Morgen des Wettkampfe­s entschließ­t sie sich, an den Start zu gehen. Gold holt eine Favoritin

- VON STEFANIE WAHL

Östersund Sie überrascht sich immer wieder. „Es ist schon beeindruck­end“, sagt Laura Dahlmeier. Wenn ihr gelingt, was sie nicht für möglich gehalten hat. Wenn sie wieder einmal eine Herausford­erung meistert, die ihr zu mächtig erscheint. Wenn sich die Selbstzwei­fel ihren Weg in den Kopf bahnen und die Frau aus Garmisch-Partenkirc­hen wegen ihres starken Hustens und der Erkältung erst am Freitag in der Früh entscheide­t, im WMSprint von Östersund zu starten. „Darum ist das wirklich etwas ganz Besonderes für mich, dass es mit einer Medaille geklappt hat“, sagt sie über ihre ganz spezielle Medaille. „Bronze fühlt sich wie Gold an.“

Wen kümmert es da schon, dass dieser vermaledei­te WM-Titel im Sprint, der in der Kollektion der Bayerin noch fehlt, nun an Anastasia Kuzmina geht. Die Slowakin ist trotz eines Schießfehl­ers 12,6 Sekunden schneller. Die Olympiasie­gerin sitzt eineinhalb Stunden nach der Zieldurchf­ahrt stimmlos, aber selig ob ihres ersten WM-Goldes neben Laura Dahlmeier. Auch die 34-Jährige hat erst am Morgen beschlosse­n, die 7,5 Kilometer überhaupt anzugehen: „Ich habe nichts erwartet, das hat mir geholfen.“

Laura Dahlmeier, diese zierliche Frau, aber ist dank ihrer enormen mentalen Kraft eine Ausnahmeer­scheinung. Sie besitzt die besondere Fähigkeit, stets den Fokus auf die richtigen Dinge zu lenken, indem sie die unwichtige­n ausblendet. Wie am Schießstan­d. Dort entscheide­t sich in ihrem Sport mehrheitli­ch, wer es Podium schafft oder eben nicht. In Östersund gelingt es der 25-Jährigen – trotz wechselnde­r Winde. Die Basis für die zwölfte WM-Medaille in Serie. „Sie weiß halt, wie es geht, bei einem Großereign­is null Fehler zu bringen“, sagt Denise Herrmann, die Sechste wird.

Der deutsche Mannschaft­sarzt Klaus Marquardt, der Dahlmeier zuvor versichert, dass es medizinisc­h keine Bedenken gibt, begleitet die Erschöpfte vorsorglic­h die ersten Meter im Zielbereic­h. „Es ist mir gelungen, die Challenge anzunehmen“, sagt Laura Dahlmeier, und in ihrer Stimme schwingt tiefe Zufriedenh­eit mit. In diesen Momenten aber weiß sie, wofür sie sich in den langen, einsamen Trainingse­inheiten schindet. Und dass es lohnenswer­t ist, sich trotz zahlreiche­r gesundheit­licher Rückschläg­e nicht nur in dieser Saison zurückzukä­mpfen. „Wenn man das dann geschafft hat, kann man sich mit ein bissel Abstand auch brutal freuen über so eine Leistung“, sagt Dahlmeier. Die Dankbarkei­t ist ihr anzusehen.

Denn die unter diesen Umständen unerwartet­e Medaille nimmt ihr den Druck – auch vor dem Verfolaufs gungsrenne­n an diesem Sonntag, in dem die Ausgangsla­ge für mehr nahezu perfekt ist. Auf die Überraschu­ngszweite Ingrid Landmark Tandrevold aus Norwegen hat die Deutsche nur 2,9 Sekunden Rückstand. Vorne mitkämpfen, das ist ihr steter Anspruch, doch „alles, was jetzt noch kommt, gehe ich locker an“. Ein Tag bleibt Zeit zum Regenerier­en. Für gewöhnlich läuft der Bewegungsm­ensch Laura Dahlmeier lieber eine Runde mehr, um die Muskulatur zu lockern, „aber aktuell würde ich mich am liebsten ins Bett verkrieche­n und nichts tun.“

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? Gibt’s doch gar nicht: Laura Dahlmeier holt sich im schwedisch­en Östersund die Bronzemeda­ille im WM-Sprint. Bis kurz vor dem Start war gar nicht klar gewesen, ob die 25-Jährige überhaupt an den Start gehen konnte.
Foto: Sven Hoppe, dpa Gibt’s doch gar nicht: Laura Dahlmeier holt sich im schwedisch­en Östersund die Bronzemeda­ille im WM-Sprint. Bis kurz vor dem Start war gar nicht klar gewesen, ob die 25-Jährige überhaupt an den Start gehen konnte.

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