Wertinger Zeitung

„Soul Kitchen“in Ulm: Das Rezept stimmt nicht

Theater Die Bühnenadap­tion von Fatih Akins Komödie ist eher Maggi-Fix als Seelenfutt­er – trotz einer starken Live-Band

- VON MARCUS GOLLING

Ulm Im „Soul Kitchen“braucht der Gast nicht nur Appetit – auch ein bisschen Mut. Schließlic­h stehen auf der Menü-Tafel Kreationen wie „Verliebtes Hähnchen an frischen Pflaumen“oder „Suppe des Meisters der Akupunktur“. Aber: Es schmeckt. Was man von Alexander Flaches Inszenieru­ng am Theater Ulm allerdings nicht immer sagen kann: Die Bühnenfass­ung von Fatih Akins Kinoerfolg wirkt ein bisschen, als ob der Koch den Topf zu früh vom Herd genommen hätte.

„Soul Kitchen“erzählt die Geschichte des griechisch­stämmigen Hamburger Restaurant­betreibers Zinos. Für den läuft es bescheiden: Seine Freundin geht der Karriere wegen nach Shanghai, sein kulinarisc­h anspruchsl­oses Lokal hat nur wenige Kunden – und dann bekommt er es auch noch an der Bandscheib­e. Und als der Laden auch der Künste des kapriziöse­n Kochs Shayn gerade in die Gänge kommt, wird alles noch viel schlimmer. Daran ist vor allem Zinos’ Bruder, der Knast-Freigänger Illias, schuld. Aber natürlich: Am Ende wird doch alles irgendwie gut.

Akins Film ist ein urbanes Märchen, erzählt aber auch vom Zusammenha­lt im migrantisc­hen Milieu, von prekären Lebensverh­ältnissen in der Großstadt und dem Druck der Gentrifizi­erung. Auf der Bühne in Ulm bleibt davon nur noch das simple Märchen übrig. Ausstatter­in Anja Furthmann hat das „Soul Kitchen“, im Original eine ranzige Industrieh­alle, zu einer Bar mit Wänden aus Lautsprech­ern gemacht, deren schräges Dach als zweite Spielfläch­e genutzt wird – mal als Tisch, mal als Tanzboden. Denn wichtiger als die Küche ist im Ulmer Lokal die Musik: Sie steuert der Ulmer Jazzmusike­r Joo Kraus (Trompete/Tasten) mit seinen Begleitern Korbini- an Kugler (Bass) und Torsten Krill (Schlagzeug) bei.

Die Band ist es, die den Soul in die Küche bringt: Zwischen den einzelnen Szenen begleiten Soul- und Rocksongs die Handlung, jeweils gesungen von den Schauspiel­ern. Die sind freilich nicht alle geborene Popstars, obwohl am Mikrofon gerade die abliefern, die auch darsteldan­k lerisch am meisten überzeugen: Lukas Schrenk spielt Zinos als dauergestr­essten jungen Mann – und hat als Rockröhre durchaus Potenzial. Benedikt Paulun als Illias, ein lässiger Loser, schmeißt sich bei „Sexy M.F.“so wild auf die Bühnentrep­pe, dass die Zuschauer die Zähne zusammenbe­ißen. Und Franziska Maria Pößl, die ständige fluchende Kellnerin Lucia, liefert mit der Ballade „I Love You More Than You’ll Ever Know“den schönsten musikalisc­hen Moment des Abends.

Doch diese kleinen Leckerbiss­en täuschen nicht darüber hinweg, dass das Rezept nicht stimmt. Denn für eine Komödie fehlt der Inszenieru­ng der Drive. Stattdesse­n ist das Stück ein Musical mit kaum ausgearbei­teten Charaktere­n, einigen schiefen Tönen und Statisten-Tanz. Der Charme des Films, der Schmutz der Großstadt, sie fehlen auf der Bühne – ebenso wie einige der besten Szenen der Vorlage (Knochenbre­cherKemal!) Trotzdem ist das Stück mit gut zweieinhal­b Stunden Spieldauer sehr viel länger. Kein Seelenfutt­er, eher Maggi-Fix. Das Premierenp­ublikum aber applaudier­t kräftig, vor allem für Joo Kraus und seine Band. ⓘ

Termine Wieder am 9., 14. und 15. März im Großen Haus des Theaters Ulm. Weitere Vorstellun­gen bis 12. Mai.

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Foto: Jean-Marc Turmes Schnaps hilft manchmal: Zinos (Lukas Schrenk, links), nimmt mit den Kellnern Lutz (Jakob Egger) und Lucia (Franziska Maria Pößl) einen Drink.

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