Wertinger Zeitung

Sind bald alle Schäfchen ausgezählt?

Landwirtsc­haft Harte Arbeit für wenig Geld – der jahrtausen­dalte Beruf droht auszusterb­en. Im Augsburger Land gibt es immer weniger Schäfer. Der sinkende Wollpreis ist nur ein Grund

- VON FELICITAS LACHMAYR

Landkreis Augsburg Noch stehen die Schafe im Stall. Aber in wenigen Wochen, wenn es wärmer ist und das erste Gras auf den Wiesen wächst, geht es für Wolfgang Seifert und seine 400 Tiere raus auf die Weide. Bei Zusmarshau­sen hat der Schäfer mehrere Flächen gepachtet. Seit 30 Jahren hütet er Merinoscha­fe. Er lebt für seinen Beruf. Doch davon leben kann er kaum.

„Die Situation ist schlecht“, sagt Seifert. Es gebe zu wenige Weidefläch­en im Augsburger Land. Mit normalen Pachtpreis­en könnten Schäfer nicht mehr mithalten. Mit seinen 400 Merinoscha­fen liegt Seifert an der Untergrenz­e dessen, was für einen Vollbetrie­b überhaupt noch möglich ist, sagt er. Um seinen Betrieb rentabler zu machen, müsste er sich vergrößern. Doch dafür fehlen ihm die Flächen.

Robert Drexel vom Landesverb­and bayerische­r Schafhalte­r kennt das Problem. Er ist seit 35 Jahren Schäfer und hütet auf seinem Betrieb in Walkertsho­fen 70 Tiere im Nebenerwer­b. Auch er sagt: „Es gibt nur noch wenige zusammenhä­ngende Hütegebiet­e.“Landwirtsc­haftliche Flächen würden kaum noch sekundär genutzt. „Früher konnten Schäfer den letzten Schnitt im Herbst nutzen, der landet heute in der Biogasanla­ge“, sagt Drexel.

Für Schäfer wird das immer mehr zum Problem. Nach Angaben des Statistisc­hen Landesamte­s ging die Zahl der Schafe in den vergangene­n 20 Jahren zurück. Standen 1999 noch 6005 Tiere auf den Weiden, waren es 2016 nur noch 3634.

Einen Grund für den Rückgang sieht Drexel in der mangelnden finanziell­en Förderung. Bis 2005 erhielten Schäfer eine Mutterscha­fprämie. Diese tierbezoge­ne Förderung entfiel mit der Agrarrefor­m. Seitdem werden Subvention­en für Schäfer wie für andere Landwirte nach der Betriebsfl­äche berechnet. Das trifft vor allem kleinere Betriebe. Denn nur wenige Schäfer besitzen eigene Flächen. Schäfer Wolfgang Seifert pachtet seine Weiden teils von Privatleut­en, teils vom Er wünscht sich, dass der Einsatz von Schafen in der Landschaft­spflege im Landkreis stärker unterstütz­t wird.

Neben staatliche­n Förderunge­n ist der Verkauf von Lammfleisc­h die wichtigste Einnahmequ­elle für Schäfer im Landkreis. Doch auch das reicht oft nicht aus. Es gebe wenige Metzgerbet­riebe, die noch im Kleinen schlachten, sagt Drexel.

Mit der Wolle machen die Schäfer so gut wie keinen Gewinn mehr. Der Erlös decke gerade einmal die Schurkoste­n, sagt Drexel. Zwar habe die Outdoor-Industrie Merinowoll­e als wertvollen Rohstoff für sich entdeckt. Aber die Schäfer würden davon kaum profitiere­n. Drexel nennt ein Beispiel: Während ein 30 Gramm schweres T-Shirt für 40 Euro im Verkauf landet, bekommt ein Schäfer höchsten 1,50 Euro für ein ganzes Kilo Rohwolle. „Manchmal wäre es besser, die Wolle einfach anzuzünden“, sagt Schäfer SeLandscha­ftspflegev­erband. bastian Holler, der auf seinem Betrieb in Vogelsang bei Neusäß 260 Tiere hält. Denn geschert werden müssen die Tiere, egal ob es sich finanziell lohnt oder nicht.

Jeden Tag schuften die Schäfer, um über die Runden zu kommen. Bei Wind und Wetter stehen sie auf der Weide, hüten ihre Schafe, pflegen deren Klauen, trainieren die Hunde oder leisten Geburtshil­fe. Mit romantisch­er Schäferidy­lle hat der Alltag nur noch wenig zu tun.

Einige Schafrasse­n sind vom Aussterben bedroht, weil ihre Haltung schlicht nicht mehr rentabel ist, weiß Schäfer Robert Drexel, der selbst die gefährdete Rasse der Krainer Steinschaf­e züchtet.

Neben finanziell­en Schwierigk­eiten sieht er die Schafhaltu­ng auch durch den Wolf bedroht. Bisher habe es keine offiziell bestätigte­n Angriffe im Landkreis gegeben. „Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir ein betroffene­s Gebiet sind“, sagt Drexel. Auch Hundebesit­zer machen den Schäfern zu schaffen. Manche Hunde würden die Schafe am Zaun entlang jagen, sagt Drexel. Nicht selten landen deren Hinterlass­enschaften auf der Schafwiese.

Zudem haben die Schäfer ein Nachwuchsp­roblem. „Die Altersstru­ktur liegt bei 50 Plus“, sagt Drexel. Auf dem Betrieb von Wolfgang Seifert in Zusmarshau­sen gibt es einen Nachfolger. „Mein Sohn ist mit Begeisteru­ng dabei“, sagt Seifert. Aber bei der Größe lohne es sich fast nicht, den Betrieb zu übernehmen. Aufgeben will er trotz aller Schwierigk­eiten nicht. Schäfer gebe es schon seit 2000 Jahren. Der Beruf dürfe nicht aussterben.

„Wir stehen auf der roten Liste“, sagt Schäfer Sebastian Holler. Doch auch er hat die Begeisteru­ng für seinen Beruf nicht verloren. Der Betrieb bringe nicht viel ein, aber es mache Spaß. Ein Leben ohne Schafe kann sich Holler nicht vorstellen: „Wir Schäfer sind zäh.“

Mit der Wolle machen die Schäfer so gut wie keinen Gewinn mehr

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Auf seinem Betrieb in Walkertsho­fen hütet Robert Drexel 70 Merinoscha­fe im Nebenerwer­b. Für die Wolle bekommt er gerade so viel Geld, dass es die Schurkoste­n deckt.
Foto: Marcus Merk Auf seinem Betrieb in Walkertsho­fen hütet Robert Drexel 70 Merinoscha­fe im Nebenerwer­b. Für die Wolle bekommt er gerade so viel Geld, dass es die Schurkoste­n deckt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany