Die Frage der Woche Online Bewertungen abgeben?
Wer auf diese Frage eindeutig mit Nein antwortet, muss sich zweierlei Fragen stellen. Erstens: Klar, da gibt es nachweislich diese Flut an gekauften und automatisiert erstellten Bewertungen im Netz – aber richten Sie sich selbst überhaupt nicht nach Stimmen und Sternchen? Mit Anschlussfrage: Falls halt dann doch irgendwie ein bisschen – wären
Sie da nicht besonders froh um möglichst viele Leute, die mit aufrichtigen Urteilen und ihrem Einsatz für ein erkennbares Gegengewicht zum Betrug sorgen?
Und zweitens, weiterführend: Klar, da gibt es die Datenschutzund Manipulationsprobleme – aber haben Sie das Internet als basisdemokratischen Freiheitsraum wirklich schon komplett abgeschrieben, als Ort, in dem auch der Konsument seine Macht gegenüber Konzernen entfalten kann? Mit Anschlussfrage: Sind Sie sich im Klaren darüber, was das für Ihr tägliches Verhalten im Umgang mit dem Internet eigentlich bedeuten müsste? Es bliebe nur noch, sich zwischen zwei Extremen zu entscheiden. Entweder: Raus aus den Netzen, weg mit dem Smartphone, zurück in die analoge Welt. Oder: Nach Gusto alle möglichen Freuden aus dem Netz ziehen und die Schattenseiten halt als unvermeidlich in Kauf nehmen.
Weil aber wohl die meisten irgendwo in den Grauschattierungen dazwischen herumrudern, sind Bürger, Verbraucher und Menschen gerade im Digitalen aufeinander angewiesen. Freiräume behaupten, die Macht des Verbrauchers in Kraft setzen…: Das sind wie die Demokratie alles fortwährende Prozesse, die von irgendjemandem betrieben werden müssen oder einfach nicht stattfinden. Und ja, das kann schon durch die Vergabe von Sternchen beginnen, mit Kommentaren weitergehen und muss bei Petitionen noch lange nicht enden.
Gerade aus dem Hotel ausgecheckt, den Zimmerschlüssel fast noch in der Hand, schon ploppt auf dem Handy eine Mail auf: „Bitte bewerten Sie unser Hotel.“Oder spätestens nach einem „Auf Wiedersehen“an der Rezeption bekommen Sie noch ein „Bitte geben Sie eine Bewertung ab“mit auf den Heimweg. Puh! Schon wieder Lebenszeit investieren, indem ich beim großen Internetbewertungszirkus mitmache? Nicht mit mir!
Bewertungen, Likes, Sternchen vor großem Publikum – das sind die neuen Währungen im Internetzeitalter. Die Folge: Dauernd will irgendjemand etwas von einem im Internet. Freilich: Der Kunde hat nun eine neue Macht bekommen, digitale Bewertungen können analoge Gewinne und Verluste bewirken. Man könnte auch meinen, dass dieses System Transparenz fördert. Aber in Zeiten von Bots und gekauften Informatikerkompanien, die Informationen streuen, Meinung machen und beeinflussen können, ist doch überhaupt nicht mehr klar, ob hinter den Bewertungen echte Menschen und Kunden stehen oder bloß gekaufte. Ob also die Empfehlung authentisch ist oder nicht. Viel kann man also nicht drauf geben. Würden real existierende Online-Bewerter überhaupt das, was sie da unter Nickname schreiben, dem Rezeptionspersonal auch ins Gesicht sagen? Bei manchen Beiträgen wage ich das stark zu bezweifeln. Einige Bewertungen lesen sich wie ein genüssliches Nachtreten aus der Anonymität heraus und vor großem Publikum. Da wird sich dann etwa in der Hotelbewertung sogar über bretonisches Wetter beklagt. Puh!
Und wer profitiert am meisten vom Bewertungseinsatz? Die großen Portale. Die freuen sich über Millionen Hilfsarbeiter und dazugehörige Daten. Und alles for free. Daher: Mein Urlaub gehört mir!