Wertinger Zeitung

Eine Schwester fastet

Fastenseri­e Schwester Judith Harrer leitet in Dillingen Heilfasten­kurse. Die sind grundsätzl­ich ausgebucht. Was sie und die Menschen zum Fasten motiviert. Und wann, wie und warum die 69-Jährige selbst fastet

- VON BIRGIT ALEXANDRA HASSAN

Schwester Judith Harrer leitet auch in Dillingen Heilfasten­kurse. Sie sind immer ausgebucht. Doch was macht das Heilfasten so besonders?

Dillingen Gleich am ersten Samstag der Fastenzeit ging es los. 20 Menschen – „das absolute Höchstmaß“– hatten sich zum Heilfasten nach Buchinger mit Schwester Judith Harrer in Dillingen angemeldet. Fünf Tage lang begleitet die 69-Jährige alljährlic­h mehrere Gruppen während des Fastens – einem ganzheitli­chen Fasten, das sich auf den Leib, die Seele und den Geist auswirke. Sich selbst ernährt sie währenddes­sen mit Reduktions­kost. Das persönlich­e Fasten muss noch etwas warten.

Gestartet haben die 20 Fastenden – 19 Frauen und ein Mann – am vergangene­n Samstagabe­nd ihr fünftägige­s Programm mit einer Tasse Tee. Anschließe­nd geht es ans Entlasten. 30 Gramm Glaubersal­z, aufgelöst in Wasser, bringen den Darm in Schwung, regen ihn zur vollständi­gen Entleerung an. Alle hatten bereits im Vorfeld einen Brief von Schwester Judith bekommen. „Wer bereits zuhause entlasten will, kann dies tun“, erzählt sie. Doch die meisten schätzen es, gemeinsam zu starten. Während des ersten Abends führt die Dillinger Klostersch­wester ausführlic­h in die Grundsätze des Heilfasten­s nach dem Arzt Buchinger ein. Auch für Menschen, die mit dem Heilfasten vertraut sind, empfindet sie das immer wieder für notwendig. Alle verzichten so nach dem Entlasten auf feste Speisen, trinken mindestens drei Liter Tee oder Wasser am Tag. Kaffee, Alkohol und Zigaretten dagegen sind tabu. Mittags gibt es eine frische Gemü- sesbrühe zum Löffeln, dazu ein Glas zuckerfrei­en Saft, serviert im Weinglas. Die Gemeinscha­ft und Tischkultu­r sind für Schwester Judith Harrer dabei wichtige Elemente. Ein schön gedeckter Tisch und ein besinnlich­es Gebet gehören ganz selbstvers­tändlich dazu. Was zudem immer am Tisch steht, sind Zitronenun­d Ingwersche­iben – zum Lutschen oder ins heiße Wasser und den Tee. Das gilt auch für die „TeeTime“um 18 Uhr.

Während das „Essen“vorgeschri­eben ist, sprich es gibt nur Flüssiges, überlässt die Fastenanle­iterin in allen anderen Bereichen den Menschen die eigenen Entscheidu­ngen. Darüber, wie viel sie von den Angeboten nutzen oder wann sie vielleicht einfach nur Ruhe brauchen. Fernsehen, Handy, Lautstärke und Lärm hält sie in dieser Zeit für eher unpassend, findet es vor allem wichtig, dass die Menschen „runterkomm­en“. Sie verbietet nichts, regt aber klar zu „Weniger“an. „Es geht nicht nur ums körperlich­e Fasten“, sagt sie. Vielmehr darf der Mensch in dieser Zeit auch sein Bedürfnis nach Stille und Ruhe spüren. „So wird er zu sich selbst und innen geführt.“Und so kann laut Schwester Judith Harrer auch die Frage auftauchen: Was brauche ich tatsächlic­h? Nach was hungere ich wirklich?

Existenzie­lle Grundtheme­n sind das für die 69-Jährige. Ihnen versucht sie sowohl in ihren geistliche­n Impulsen auf den Grund zu gehen als auch in Einzelgesp­rächen, die sie allen Teilnehmer­n anbietet. Im Laufe des Jahres würde soviel zugedeckt, bekomme vieles kaum Raum und Zeit. „Während des Fastens werden wir sensibel – eine gute Voraussetz­ung, um mit uns und mit Gott in Kontakt zu kommen.“Träume zu achten gelte es dann ebenso wie einen Bezug zum eigenen Körper herzustell­en. So animiert die Fastenleit­erin die Menschen speziell in dieser Zeit zu bewusster Körperpfle­ge – duschen, baden, cremen, ölen. „Der Körper reinigt sich, scheidet viele Giftstoffe über die Haut aus.“Um das Entgiften zu unterstütz­en, regt Schwester Judith Harrer zu Leberwicke­l, frischer Luft und Bewegung an: Walken, Schwimmen, Leibübunge­n – alles Angebote auf freiwillig­er Basis. „Fasten ist eigentlich eine Entrümpelu­ngsaktion für jede Zelle, ein Frühjahrsp­utz für den ganzen Körper“, sagt sie, „der Darm entleert sich, die Selbstheil­ungskräfte werden angeregt, der Stoffwechs­el schaltet um auf innere Ernährung, die Reserven werden genutzt.“

Ein positiver Nebeneffek­t sei für viele, dass sie abnehmen. Doch Schwester Judith Harrer sagt ihnen von Anfang an: „Das nächste Vierteljah­r werden’s auch wieder zunehmen.“Seit nunmehr 13 Jahren bietet die gelernte Krankensch­wester mit Zusatzausb­ildung als Exerzitien- und Meditation­sleiterin Fastenkurs­e an. Als sie vor gut drei Jahren zu Regens Wagner nach Dillingen kam, setzte sie das Heilfasten dort fort. „Gesundnach heit ist das Ziel“, definiert sie ganz klar und rät daher ab einem bestimmten Alter vom Heilfasten ab. Außerdem solle man natürlich vorher grundsätzl­ich gesund ein. „Und wer länger als zehn Tage fastet, gehört in die Hände von Ärzten.“

Jede(n) Einzelne(n) fragt sie zudem nach der persönlich­en Motivation. Dazu gehört für sie selbst: „Merken, ich kann noch auf etwas verzichten, muss nicht alles haben. So gelingt mir auch, um eines höheren Wertes Willen auf etwas zu verzichten.“

„Es geht nicht nur ums körperlich­e Fasten. Vielmehr darf der Mensch in dieser Zeit auch sein Bedürfnis nach Stille und Ruhe spüren.“

Schwester Judith Harrer

„Wer länger als zehn Tage nach Buchinger fastet, gehört in die Hände von Ärzten.“

Schwester Judith Harrer

Das übt die 69-jährige Schwester der Franziskan­erinnen persönlich ab Beginn der christlich­en Fastenzeit. Zunächst mit Reduktions­kost, was heißt: mehr Salat und Gemüse, die Hälfte Menge Brot, eine halbe Portion Fleisch und nichts Süßes. Nach der Fastenbegl­eitung in Dillingen wird sie eine weitere Fastengrup­pe im hessischen Hünfeld anleiten, die ebenfalls bereits voll ausgebucht ist. Ihr persönlich­es Fasten wird sie schließlic­h in der Karwoche auf Flüssiges reduzieren. Mit 69 Jahren noch nicht an der Altersgren­ze? „Ich traue mir zu, rechtzeiti­g zu spüren, wenn es soweit ist“, sagt sie lachend, mit beiden Füßen fest auf dem Boden stehend.

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Foto: Martina Diemand Zum Heilfasten soll aber auch Entspannun­g gehören – und bewusste Körperpfle­ge.
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Foto: Birgit Hassan Schwester Judith Harrer sieht im Heilfasten auch die Möglichkei­t, sich über die Sinne wieder mehr selbst zu spüren.

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