Impfen: ja oder nein?
Gesundheit Nicht alle Eltern lassen ihre Kinder impfen. Das sagt eine Expertin aus dem Landkreis Dillingen
Nach dem Vorfall in Hildesheim stellt sich die Frage nach einer Impfpflicht. Doch im Landkreis Dillingen gibt es auch Impfgegner. » Lokales
Landkreis In einer Gesamtschule in Hildesheim wurden Schüler wegen fehlender Masernimpfungen vom Unterricht ausgeschlossen (wir berichteten). Eine Masernerkrankung kann tödlich verlaufen. Das und die hohe Ansteckungsgefahr führten zu der Entscheidung des Gesundheitsamtes in Niedersachsen. Diese ernste Lage lässt die Überlegungen einer Impfpflicht in Deutschland wieder aktuell werden. Im Landkreis Dillingen gibt es dazu klare Meinungen. Impfbefürworterin Karina Frenzel-Dorschner, Fachärztin für Öffentliches Gesundheitswesen des Gesundheitsamtes Dillingen, und Impfgegnerin Ulrike Greiner aus Hinterried beschreiben ihre sehr unterschiedlichen Haltungen.
Was die Ärztin von einer Impfpflicht hält und welche Risiken und Chancen damit verbunden sind, beantwortet sie so:„Impfungen schützen den Geimpften vor Krankheiten und komplizierten Verläufen. Heute liegt es in der persönlichen Verantwortung jedes Einzelnen, diese Entscheidung abzuwägen. Die Impfpflicht bietet uns die Möglichkeit, bestimmte Infektionskrankheiten weltweit auszurotten. Das ist eine riesige Chance für die Menschheit. Als Mediziner mit Blick auf die Öffentlichkeit, finde ich die Impfpflicht wünschenswert.“
Impfgegnerin Ulrike Greiner aus Hinterried glaubt nicht an die Wirkung der Impfungen. Sie führt die bessere Gesundheit der Bevölkerungen auf die fortgeschrittenen Hygienebedingungen zurück, nicht auf das Impfen. Zudem ist für sie das Risiko zu groß, weil die Inhaltsstoffe der Impfungen verschwiegen würden und die Nebenwirkungen bislang nicht dargelegt seien.
Frenzel-Dorschner sagt: „Die Entscheidung über das Für und Wider eines solchen Schutzes vor Infektionskrankheiten ist ein persönlicher Reifeprozess. Wichtig ist es, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Viele stehen bei der Planung einer großen Reise oder der Geburt eines Kindes zum ersten Mal vor dieser großen Verantwortung. Hier kommt zusätzlich der Aspekt der Fürsorge in die Überlegung.“
Genau diese Fragen stellte sich auch die Familie Greiner aus Hinterried bei Buttenwiesen. Ihr erstes Kind Nina impfte sie, bis es circa zweieinhalb Jahre alt war. Danach entschieden sich die Eltern aufgrund der Gefahren, das nicht weiter zu machen. Die drei darauffolgenden Kinder wurden von Beginn an nicht geimpft. Greiner argumentiert weiter, dass ihre älteste Tochter an einem Gehirntumor erkrankte. „Da überlegt man schon, woran es liegen könnte.“Die Vermutung, dass die Erkrankung von den Impfungen ausgelöst wurde, ist von den Ärzten zwar nicht bestätigt, jedoch sind die andern drei ungeimpften Kinder laut der Mutter gesund. Eine Impfpflicht hält sie für eine „Katastrophe“.
Sie spricht sich klar dagegen aus und würde gegebenenfalls „Schlupflöcher“suchen. Zu dem Fall in Hildesheim hat Greiner eine deutliche Meinung: „Ich würde des- wegen meine Kinder nicht nachimpfen.“Fachärztin Frenzel-Dorschner begründet das Verhalten der niedersächsischen Stadt so: „Hierbei handelt es sich um Vorgaben, welche im Infektionsschutzgesetz geregelt sind.“Dieses Gesetz sei die Grundlage zum Schutz vor einer Weiterverbreitung von Infektions- krankheiten. Diese Maßnahmen würden nach Rücksprache mit dem Gesundheitsamt getroffen werden. Dabei gelten bundesweite gesetzliche Regelungen. Laut der Expertin wird zum ersten Mal gegen MMR (Mumps, Masern, Röteln) ab dem vollendeten elften Lebensmonat geimpft. Um den Schutz gewährleisten zu können, soll ab dem vollendeten 15. Lebensmonat die Impfung wiederholt werden. Danach ist der Impfschutz lebenslänglich gewährleistet. Der Gesetzgeber sieht seit 2015 vor Aufnahme in eine Kindertageseinrichtung einen schriftlichen Nachweis einer Impfberatung vor, seit 2017 muss bei fehlender Beratung eine Meldung an das Gesundheitsamt erfolgen.
Die Impfmoral im Landkreis Dillingen lag laut Frenzel-Dorschner im Schuljahr 2016/17 bei den Schulanfängern unserer Region unter dem bayerischen Durchschnitt. In der sechsten Jahrgangsstufe würden im Verhältnis weniger Impfbücher vorgelegt, bei der zweiten MMR-
Dieser Bub bekommt eine Impfung – intramuskulär in einen Oberarmmuskel.
Dunkelziffer ist höher
Impfung lag die Impfquote bei fast 95 Prozent. Die Dunkelziffer der nichtgeimpften Kinder sei allerdings höher (etwa 77 bis 79 Prozent vorgelegter Impfbücher) als bei den Schuleingangsuntersuchungen. Hier werden in der Regel über 90 Prozent aller Impfbücher zur Einsicht vorgelegt.
Bei Masern reichen zwei Impfungen laut der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch Institut für einen lebenslangen Impfschutz. Die Fachärztin des Gesundheitsamtes Dillingen weist darauf hin, dass auch dieses Jahr vom 24. bis 30. April die Europäische Impfwoche stattfindet, in der über Infektionskrankheiten und deren Schutz durch Impfungen informiert wird. Des Weiteren betont sie, dass das Gesundheitsamt ganzjährig zur Verfügung steht, um Beratungen und Impfbuchkontrollen durchzuführen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) habe das Ziel, dass 95 Prozent der Menschen geimpft sind, um Masern auszurotten. Dieses Ziel sei nicht erreicht worden.
Wenn genügend Menschen geimpft sind, könnten Masern, so wie die Polio-Viren, aussterben – erklärt Frenzel-Dorschner. „In den vergangenen zehn Jahren gab es sieben Masernfälle im Landkreis Dillingen.“