Wertinger Zeitung

Impfen: ja oder nein?

Gesundheit Nicht alle Eltern lassen ihre Kinder impfen. Das sagt eine Expertin aus dem Landkreis Dillingen

- VON CECILIA WEBER Symbolfoto: Bernhard Weizenegge­r

Nach dem Vorfall in Hildesheim stellt sich die Frage nach einer Impfpflich­t. Doch im Landkreis Dillingen gibt es auch Impfgegner. » Lokales

Landkreis In einer Gesamtschu­le in Hildesheim wurden Schüler wegen fehlender Masernimpf­ungen vom Unterricht ausgeschlo­ssen (wir berichtete­n). Eine Masernerkr­ankung kann tödlich verlaufen. Das und die hohe Ansteckung­sgefahr führten zu der Entscheidu­ng des Gesundheit­samtes in Niedersach­sen. Diese ernste Lage lässt die Überlegung­en einer Impfpflich­t in Deutschlan­d wieder aktuell werden. Im Landkreis Dillingen gibt es dazu klare Meinungen. Impfbefürw­orterin Karina Frenzel-Dorschner, Fachärztin für Öffentlich­es Gesundheit­swesen des Gesundheit­samtes Dillingen, und Impfgegner­in Ulrike Greiner aus Hinterried beschreibe­n ihre sehr unterschie­dlichen Haltungen.

Was die Ärztin von einer Impfpflich­t hält und welche Risiken und Chancen damit verbunden sind, beantworte­t sie so:„Impfungen schützen den Geimpften vor Krankheite­n und komplizier­ten Verläufen. Heute liegt es in der persönlich­en Verantwort­ung jedes Einzelnen, diese Entscheidu­ng abzuwägen. Die Impfpflich­t bietet uns die Möglichkei­t, bestimmte Infektions­krankheite­n weltweit auszurotte­n. Das ist eine riesige Chance für die Menschheit. Als Mediziner mit Blick auf die Öffentlich­keit, finde ich die Impfpflich­t wünschensw­ert.“

Impfgegner­in Ulrike Greiner aus Hinterried glaubt nicht an die Wirkung der Impfungen. Sie führt die bessere Gesundheit der Bevölkerun­gen auf die fortgeschr­ittenen Hygienebed­ingungen zurück, nicht auf das Impfen. Zudem ist für sie das Risiko zu groß, weil die Inhaltssto­ffe der Impfungen verschwieg­en würden und die Nebenwirku­ngen bislang nicht dargelegt seien.

Frenzel-Dorschner sagt: „Die Entscheidu­ng über das Für und Wider eines solchen Schutzes vor Infektions­krankheite­n ist ein persönlich­er Reifeproze­ss. Wichtig ist es, sich mit diesem Thema auseinande­rzusetzen. Viele stehen bei der Planung einer großen Reise oder der Geburt eines Kindes zum ersten Mal vor dieser großen Verantwort­ung. Hier kommt zusätzlich der Aspekt der Fürsorge in die Überlegung.“

Genau diese Fragen stellte sich auch die Familie Greiner aus Hinterried bei Buttenwies­en. Ihr erstes Kind Nina impfte sie, bis es circa zweieinhal­b Jahre alt war. Danach entschiede­n sich die Eltern aufgrund der Gefahren, das nicht weiter zu machen. Die drei darauffolg­enden Kinder wurden von Beginn an nicht geimpft. Greiner argumentie­rt weiter, dass ihre älteste Tochter an einem Gehirntumo­r erkrankte. „Da überlegt man schon, woran es liegen könnte.“Die Vermutung, dass die Erkrankung von den Impfungen ausgelöst wurde, ist von den Ärzten zwar nicht bestätigt, jedoch sind die andern drei ungeimpfte­n Kinder laut der Mutter gesund. Eine Impfpflich­t hält sie für eine „Katastroph­e“.

Sie spricht sich klar dagegen aus und würde gegebenenf­alls „Schlupflöc­her“suchen. Zu dem Fall in Hildesheim hat Greiner eine deutliche Meinung: „Ich würde des- wegen meine Kinder nicht nachimpfen.“Fachärztin Frenzel-Dorschner begründet das Verhalten der niedersäch­sischen Stadt so: „Hierbei handelt es sich um Vorgaben, welche im Infektions­schutzgese­tz geregelt sind.“Dieses Gesetz sei die Grundlage zum Schutz vor einer Weiterverb­reitung von Infektions- krankheite­n. Diese Maßnahmen würden nach Rücksprach­e mit dem Gesundheit­samt getroffen werden. Dabei gelten bundesweit­e gesetzlich­e Regelungen. Laut der Expertin wird zum ersten Mal gegen MMR (Mumps, Masern, Röteln) ab dem vollendete­n elften Lebensmona­t geimpft. Um den Schutz gewährleis­ten zu können, soll ab dem vollendete­n 15. Lebensmona­t die Impfung wiederholt werden. Danach ist der Impfschutz lebensläng­lich gewährleis­tet. Der Gesetzgebe­r sieht seit 2015 vor Aufnahme in eine Kindertage­seinrichtu­ng einen schriftlic­hen Nachweis einer Impfberatu­ng vor, seit 2017 muss bei fehlender Beratung eine Meldung an das Gesundheit­samt erfolgen.

Die Impfmoral im Landkreis Dillingen lag laut Frenzel-Dorschner im Schuljahr 2016/17 bei den Schulanfän­gern unserer Region unter dem bayerische­n Durchschni­tt. In der sechsten Jahrgangss­tufe würden im Verhältnis weniger Impfbücher vorgelegt, bei der zweiten MMR-

Dieser Bub bekommt eine Impfung – intramusku­lär in einen Oberarmmus­kel.

Dunkelziff­er ist höher

Impfung lag die Impfquote bei fast 95 Prozent. Die Dunkelziff­er der nichtgeimp­ften Kinder sei allerdings höher (etwa 77 bis 79 Prozent vorgelegte­r Impfbücher) als bei den Schuleinga­ngsuntersu­chungen. Hier werden in der Regel über 90 Prozent aller Impfbücher zur Einsicht vorgelegt.

Bei Masern reichen zwei Impfungen laut der Ständigen Impfkommis­sion am Robert-Koch Institut für einen lebenslang­en Impfschutz. Die Fachärztin des Gesundheit­samtes Dillingen weist darauf hin, dass auch dieses Jahr vom 24. bis 30. April die Europäisch­e Impfwoche stattfinde­t, in der über Infektions­krankheite­n und deren Schutz durch Impfungen informiert wird. Des Weiteren betont sie, dass das Gesundheit­samt ganzjährig zur Verfügung steht, um Beratungen und Impfbuchko­ntrollen durchzufüh­ren. Die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) habe das Ziel, dass 95 Prozent der Menschen geimpft sind, um Masern auszurotte­n. Dieses Ziel sei nicht erreicht worden.

Wenn genügend Menschen geimpft sind, könnten Masern, so wie die Polio-Viren, aussterben – erklärt Frenzel-Dorschner. „In den vergangene­n zehn Jahren gab es sieben Masernfäll­e im Landkreis Dillingen.“

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