Wertinger Zeitung

Wie Polizisten in Augsburg bei Einsätzen filmen

Sicherheit Die bayerische Polizei wird jetzt flächendec­kend mit Uniformkam­eras ausgestatt­et. Angriffe aus Beamte sollen damit verhindert werden. In der Augsburger Innenstadt testen Polizisten schon seit Längerem die neue Technik

- VON JÖRG HEINZLE

Augsburg Die Szenen spielen sich Mitte Dezember am Augsburger Königsplat­z ab. Eine Passantin sieht eine bewusstlos­e Frau auf dem Boden liegen. Sie macht Polizisten darauf aufmerksam. Während die Beamten die Vitalfunkt­ionen der 50-Jährigen überprüfen und die Frau in die stabile Seitenlage bringen, kommt deren Ehefrau hinzu. Sie ist aber nicht dankbar, dass die Beamten helfen. Im Gegenteil. Ein Polizeispr­echer erklärt hinterher: „Sie störte nicht nur die medizinisc­he Versorgung ihrer Frau, sondern beleidigte auch die eingesetzt­en Polizeibea­mten.“Die Polizisten schalteten deshalb ihre Bodycams ein – das sind an der Uniform angebracht­e Videokamer­as, die das Geschehen aus der Perspektiv­e der Beamten aufzeichne­n.

Die 35-jährige Frau beschimpft­e die Polizeibea­mten zwar trotzdem weiter. Die Polizisten konnten die Aufnahmen aber als Beweismate­rial nutzen, um der Frau die Beleidigun­gen nachzuweis­en. Der Einsatz von sogenannte­n Bodycams ist für die Polizisten in der Augsburger Innenstadt schon zur Routine geworden. Seit knapp zweieinhal­b Jahren gibt es bei der Inspektion Mitte die Uniformkam­eras. Augsburg ist eine von drei bayerische­n Städten, in denen die Technik seit Herbst 2016 getestet worden ist. Auch auf den Plärrer-Volksfeste­n gingen die Beamten mit den Kameras auf Streife. Die Erfahrunge­n waren positiv. Polizeispr­echer Michael Jakob sagt: „Es ist festzustel­len, dass sich der ein oder andere doch lieber zurückhält, wenn er weiß, dass er gefilmt wird.“Das ist auch das Hauptziel des KameraEins­atzes: Die Zahl der Beleidigun­gen und Attacken auf Polizisten soll dadurch gesenkt werden.

Die positiven Erfahrunge­n in Augsburg und in den anderen beiden Teststädte­n München und Rosenheim waren der Grund, weshalb die Polizei jetzt flächendec­kend mit den Bodycams ausgestatt­et werden. Rund 1400 Kameras sollen angeschaff­t werden, das kostet laut bayerische­m Innenminis­terium etwa 1,8 Millionen Euro. Im Augsburger Polizeiprä­sidium rechnet man damit, dass die Geräte noch in diesem Frühjahr kommen. Rund 80 Kameras seien für das Gebiet der nordschwäb­ischen Polizei vorgesehen, sagt Polizeispr­echer Michael Jakob.

Die gelbe Kamera – sie hat in etwa die Größe einer Zigaretten­schachtel – steckt an der Brusttasch­e der Jacke oder der Schutzwest­e. Per Knopfdruck kann der Beamte die Kamera einschalte­n. Es ist so geregelt, dass die Polizisten vorher darauf hinweisen, dass sie die Kamera aktivieren. Zudem tragen die Polizisten an ihrer Uniform ein Schild mit der Aufschrift „Video – Audio“. Die Polizisten sind nicht verpflicht­et, die Kameras bei Streifenfa­hrten und Einsätzen zu tragen. Michael Jakob erklärt: „Dieses Einsatzmit­tel ist nicht verpflicht­end, sondern freiwillig.“Bei der Inspektion Mitte sei die Bereitscha­ft, die Kameras zu nutzen, aber groß gewesen.

Das Augsburger Innenstadt-Revier wurde in den Pilotversu­ch mit aufgenomme­n, weil Beamte hier besonders oft von Übergriffe­n betroffene­n sind. Augsburg ist, was Attacken auf Polizeibea­mte angeht, im Vergleich mit allen anderen großen bayerische­n Städten am stärksten belastet. Laut Innenminis­terium gab es im Jahr 2017 in Augsburg 166 Übergriffe auf Beamte je 100 000 Einwohner. In absoluten Zahlen waren es 481 Fälle mit 111 verletzten Beamten. An zweiter Stelle folgt Regensburg mit deutlichem Abstand. Hier waren es 120 Übergriffe je 100 000 Einwohner. In München waren es mit 74 Übergriffe­n je 100 000 Einwohner nicht mal halb so viele Fälle wie in Augsburg.

Während der Testphase sind die Kameras in allen drei Teststädte­n rund 900-mal von Beamten aktiviert worden, um Angriffe und Beleidigun­gen zu verhindern oder zu stoppen. Laut Ministeriu­m hatten die Kameras bei gut einem Viertel dieser Fälle eine „spürbar deeskalier­ende Wirkung“. Das ist auch die Erfahrung in Augsburg. Ein Allheilmit­tel sind die Kameras aber nicht. Menschen, die stark betrunken sind oder unter Drogen stehen, bemerken die Kameras gar nicht mehr, berichten Streifenbe­amte. Manche Betroffene­n fühlten sich auch dazu animiert, dann selbst das Handy zu zücken und ebenfalls zu filmen.

Die Beamte können eine Aufnahme nur starten und sie wieder stoppen. Löschen ist nicht möglich, auch Anschauen kann man die Sequenzen mit der Kamera selbst nicht. Am Ende einer Schicht oder eines Einsatzes wird das aufgenomme­ne Material in der Inspektion gespeicher­t. Aufnahmen, die als Beweise für ein Verfahren benötigt werden, werden länger gespeicher­t. „Sie gehen an die Staatsanwa­ltschaft“, sagt Polizeispr­echer Jakob. Alle anderen Daten werden nach drei Wochen automatisc­h wieder gelöscht.

Die Uniformkam­eras wurden von Polizisten in der Augsburger Innenstadt getestet.

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Archivfoto: Annette Zoepf

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