Wertinger Zeitung

Biomilch im Überfluss

Landwirtsc­haft Viele Bauern haben vor kurzem auf biologisch­e Landwirtsc­haft umgestellt. Das klingt positiv, hat aber negative Folgen

- VON LEONIE KÜTHMANN (mit jovos)

Augsburg/Apfeltrach Bio boomt. Und zwar seit so vielen Jahren, dass die Aussage keine Neuigkeit mehr ist. Bio ist überall – in Lebensmitt­el, Kosmetika und Kleidung. Schaut man sich aktuelle Trends an, scheint zu viel bio gar nicht möglich – oder?

Doch, nämlich wenn Angebot und Nachfrage nicht stimmen, sagt Hugo Mayer. Er sitzt in seinem Wohnzimmer, hat sich noch schnell umgezogen, schließlic­h war er bis eben im Stall. In seinem Betrieb in Apfeltrach im Unterallgä­u stehen rund 100 Milchkühe und ebenso viele Jungtiere. An die 3000 Liter Milch geben Mayers Kühe pro Tag. Er ist Vorsitzend­er der Milcherzeu­gergemeins­chaft Ottobeuren und Umgebung, er kennt viele der Landwirte in der Region, ihre Sorgen und Nöte. Der Unterallgä­uer betont im Gespräch immer wieder, dass er zwar aus Überzeugun­g konvention­elle Landwirtsc­haft betreibe: „Ich stehe viel mit Bio-Bauern in Kontakt und habe nichts gegen biologisch­e Landwirtsc­haft.“

Viele seiner Kollegen haben mittlerwei­le auf Bio-Landwirtsc­haft umgestellt – und genau da liege das Problem, sagt Hugo Mayer: Durch die Umstellung, wird zu viel Biomilch produziert, so sei schlicht zu viel davon auf dem Markt. Die Molkereien weisen die Bio-Landwirte ab oder setzen sie auf Warteliste­n. Denn die Nachfrage steigt nicht im gleichen Umfang.

Mayers Kollege Thomas Metzger aus Bronnen im Landkreis Unterallgä­u kann das bestätigen: Er ist selbst seit dem Jahr 2000 Bio-Landwirt. Dass Bio-Landwirtsc­haft in jüngster Zeit immer beliebter wird, sei zwar gut für Umwelt und Natur, nicht aber für den Milch-Markt, kritisiert Metzger. „Die Verbände und die Molkereien haben die Werbetromm­el zu stark gerührt.“Viele haben laut Metzger auch umgestellt, weil ihre konvention­ellen Betriebe nicht mehr gut liefen: „Also haben sie den Rettungssp­rung in die Bio-Schiene gewagt.“Die beiden Landwirte erzählen, dass die Menge an Biomilch so schnell angestiege­n ist, dass sie nun teilweise zu Spottpreis­en ins Ausland verkauft wird. „Teilweise wird Biomilch dann auch wieder zu konvention­ellen Produkten verarbeite­t.“

Denn die Nachfrage auf dem deutschen Markt sei niedrig: „Der Markt wächst zwar, aber langsam“, sagt Hugo Mayer. 2017 trugen acht Prozent der verkauften Milch ein Bio-Siegel. Auf der Seite der Landwirte sieht die Zahlenlage anders aus: Wurden 2008 noch 461000 Tonnen Bio-Milch an deutsche Molkereien geliefert, waren es zehn Jahre später bereits 1180000 Tonnen, also fast drei Mal so viel, berichtet die Bundesanst­alt für Landwirtsc­haft und Ernährung. Bis 2015 gab es eine Milchquote­nregelung, die festlegte, wie viel Milch ein Betrieb erzeugen darf. „Jetzt macht jeder einfach so viel, wie er will,“sagt Mayer. Die einzigen, die reglementi­eren, seien die Molkereien, die ab einem bestimmten Punkt keine Milch mehr zukauften.

Dass die Produktion­smenge von Bio-Milch in der jüngsten Zeit so sehr gestiegen ist, sieht Landwirt Mayer kritisch – weil er so etwas Ähnliches schon einmal erlebt hat: „Wir beobachten das seit vielen Jahren auf dem konvention­ellen Milchmarkt: Es gibt zu viel Milch, zu wenig Nachfrage und dann sinken die Preise.“Ein Liter konvention­elle Milch koste zurzeit 33 Cent – 2018 waren es noch 36 Cent. Der konvention­elle Milchpreis schwankte in den vergangene­n 20 Jahren laut der Bayerische­n Landesanst­alt für Landwirtsc­haft stark. Der Preis für Biomilch ist dagegen recht konstant geblieben – momentan liegt er bei 48 Cent pro Liter. Doch Thomas Metzger fürchtet, dass sich das bald ändern wird.

Weil er schon lange Bio-Landwirt ist, hat er eine Molkerei, die ihm die Milch garantiert abnimmt – noch: „Die Molkerei signalisie­rt uns schon: Der Preis muss stimmen, sonst können wir gehen – und das dann lieber heute als morgen.“In dem Fall wäre er wie viele seiner Kollegen, die erst vor kurzem umgestellt haben, auf sich allein gestellt. „Man ist den Molkereien ausgeliefe­rt.“Metzger sieht die Entwicklun­g kritisch, spricht von einer Situation, in der die Bauern „mit dem Rücken zur Wand stehen“, und von einem Biomilch-Markt, dem es zwar nicht so schlecht gehe wie dem konvention­ellen: „Aber es ist trotzdem ein sinkendes Schiff.“Ähnlich geht es auch Bauern, die Milch mit Tierwohlsi­egel herstellen. Ein Landwirt aus dem Landkreis Dillingen klagt: Eine Überproduk­tion und sinkende Preise stehen kurz bevor.

Während die Landwirte also davon sprechen, dass es zu viel Biomilch gibt, verweist ein Sprecher des Anbauverba­nds Bioland auf saisonale Bedingunge­n: „Zur momentanen Situation möchte ich erläutern, dass es bei der Biomilch eine saisonale Anlieferun­gskurve gibt, die mit Beginn der Frischgras­fütterung und Weidegang stark ansteigt“, sagt Rüdiger Brügmann, Sprecher bei Bioland.

Die „leichten Übermengen“erklärt er damit, dass der Verbrauche­r „ja nicht unbedingt auch saisonal mehr konsumiert“. Seiner Ansicht nach sei die Lage „gut ausgeglich­en“, es sei lediglich eine Herausford­erung, „saisonale Spitzen“auszugleic­hen. Mit den überschüss­igen Mengen an Biomilch könne man Käse, Butter und Magermilch­pulver herstellen: „Produkte, die man länger lagern kann“, betont Brügmann. Landwirt Hugo Mayer sieht das kritisch: „Bei der steigenden Übermenge wird dann einfach nur der Pulverberg von Jahr zu Jahr höher.“

Eine Lösung sieht Barbara Steiner-Hainz, Sprecherin der Molkerei Berchtesga­dener Land, darin, die Nachfrage zu steigern: „Je mehr Verbrauche­r Biomilch und Biomilchpr­odukte konsumiere­n und bereit sind, den etwas höheren Preis zu zahlen, desto mehr Landwirte können Milch anerkannt ökologisch erzeugen und dann einen deutlich höheren Biomilch-Preis erhalten.“

Für Landwirt Hugo Mayer ist gar nicht so wichtig, ob Verbrauche­r konvention­elle Milch oder Biomilch kaufen: „Aber aus der Region sollte es sein – dann hat man auch kürzere Transportw­ege, das belastet auch die Umwelt weniger.“Auf der Verpackung sei immer eine Ziffer. Wer diese googelt, weiß, woher die Milch kommt. „Dann kann man sich online auch gleich die entspreche­nde Ziffer aus der Region suchen“, betont Mayer. Auch Bio-Landwirt Thomas Metzger sieht nur einen Ausweg aus der Misere: „Man müsste den Verbrauche­r besser aufklären.“

Teilweise wird die Milch billig ins Ausland verkauft

 ?? Archiv: Ralf Lienert ?? Unter Milchbauer­n boomt Bio. In der jüngsten Vergangenh­eit stellen immer mehr Landwirte ihre Betriebe um. Das Problem: Die Milch wird nicht im gleichen Maße nachgefrag­t.
Archiv: Ralf Lienert Unter Milchbauer­n boomt Bio. In der jüngsten Vergangenh­eit stellen immer mehr Landwirte ihre Betriebe um. Das Problem: Die Milch wird nicht im gleichen Maße nachgefrag­t.

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