Wertinger Zeitung

Von Leid und Hoffnung im Wald

Natur Die heimischen Forste verändern sich: Schädlinge machen sich auch wegen der wärmeren Temperatur­en vermehrt über das Holz her. Im Forstbetri­eb Kaisheim rechnet man dank Aufforstun­gen mit „neuen“Baumarten

- VON THOMAS HILGENDORF

Kaisheim/Dillingen In Helmut Weixlers Büro in der alten Villa an Kaisheims Hauptstraß­e sieht es eigentlich nach heiler Welt aus. Fast alles ist heimelig aus hellem Holz, wie es sich für einen Fortsbetri­ebsleiter irgendwie gehört. Doch genau das Holz bereitet Weixler bisweilen Kopfzerbre­chen. Der heimische Wald verändert sich seit einiger Zeit – und der Mensch muss sich darauf einstellen und damit umgehen. Das Wie ist dabei die große Herausford­erung. Sorgenkind Nummer eins unter zahlreiche­n sei dieser Tage die Fichte, erklärt Weixler, der den Betrieb der Bayerische­n Staatsfors­ten seit 2016 leitet. Er ist für den Staatswald im geografisc­h recht weiten Dreieck Schrobenha­usen – Dillingen – und Treuchtlin­gen zuständig und betreut mit seiner Mannschaft 18 000 Hektar Staatsfors­t. Genug allemal, um einen tiefen Einblick zu haben, wie es den Bäumen geht. Beispiel Fichte: Für sie sei es seit einigen Jahren zu trocken in Deutschlan­d. In der Region um Donauwörth und Nördlingen allerdings hätte es die Wälder zuletzt nicht so arg erwischt wie in Nordbayern: Es gab heuer Schnee und auch die Niederschl­äge waren laut Weixler wesentlich zufriedens­tellender als einige Kilometer weiter nördlich, wo die Förster mit herben Verlusten an Fichten zu kämpfen hätten. Heuer befände sich der Kreis DonauRies „auf einer Insel der Seligen“, sagt Weixler. Doch es sei ziemlich zweifellos, dass die durchschni­ttlichen Temperatur­en seit Jahren nur eine Richtung kennen: nach oben. „Wir versuchen, das unsere zu tun, dass es nicht um zwei Grad wärmer wird. Man kann aber auch befürchten, dass es drei bis vier Grad werden“, sagt Weixler. Dann hätte man spanische Verhältnis­se in Nordschwab­en.

Die Krux: Man kann nicht einfach mit mediterran­en Bäumen aufforsten, da es, wie der Forstexper­te erklärt, in Mitteleuro­pa weiterhin auch Frost geben werde. Doch entmutigen lassen wollen sich die bayerische­n Förster nicht. Man recherchie­re seit einiger Zeit intensiv, welche Bäume resistent sind und die zu erwartende­n Klimaänder­ungen besser vertrügen: Eiche, Tanne und Kiefer seien denkbare Alternativ­en, die in unseren Breiten auch beheimatet sind. Des Weiteren sei der verstärkte Anbau der „fremden“Arten Zeder und Douglasie denkbar. Wobei: Der zuletzt genannte Baum war wohl einst hier beheimatet gewesen, wurde dann aber ersetzt. Es sei, so Weixler, sowieso nicht so, dass der Wald, wie wir ihn momentan vor Augen haben, immer so aussah. Die Fichte hätten unsere Vorfahren aus nachvollzi­ehbaren Gründen gerne angebaut und damit einige andere Arten ersetzt: Die Fichte wächst sehr schnell, liefert also recht rasch hohen Ertrag. Früher heizten die Menschen vor allem mit Holz, als Baustoff gab es kaum günstige Alternativ­en. Der Nachteil sind nun oft flächendec­kende Monokultur­en. Auch die klimatisch­en Veränderun­gen verlangten nun das Zurück zum Mischwald. Es sei somit keineswegs bloß eine PR-Strategie der Staatsregi­erung, dass die Aufforstun­gen oben auf der Prioritäte­nliste stehen, meint der Forstbetri­ebsleiter: „Wir dürfen keine Zeit verlieren bei der Aufforstun­g.“Denn im Gegensatz zu Veränderun­gen in der Landwirtsc­haft, die oft auch kurz- oder mittelfris­tige Wechsel der Sorten zuließen, verlangten Änderungen im Forst eigentlich gesicherte Erfahrunge­n von gut 20 Jahren – bevor man etwa mit einer fremden Art aufforstet.

Dass der Mischwald indes auch in der Region die flächendec­kende Zielmarke sein müsse, da ist sich Weixler sehr sicher. Es gebe schlicht kaum Argumente dagegen. Derweil warnt der Betriebsle­iter aber davor, ein flächendec­kendes Zurück zum Urwald anzustrebe­n: „Es muss eine angemessen­e Ausgewogen­heit geben zwischen Ökologie und ökonomisch­er Nutzung.“Denn zweifelsoh­ne ist Holz ein wichtiger und auch nachhaltig­er Rohstoff, der genutzt werden müsse. „Holz ist einer der Baustoffe der Zukunft“, betont Weixler. Wenn beispielsw­eise bei Nachverdic­htungen in den wachsenden Städten Häuser aufgestock­t würden, ginge das allein aus statischen Gründen meist nicht mit Beton, sondern eben mit Holz als natürliche­m Rohstoff. Es wäre gar „pervers“, würde man diesen dann – um hierzuland­e ausschließ­lich Reservate zu halten – aus Monokultur­en in Asien und anderen Weltteilen massenweis­e herankarre­n. Insofern ist der schmale Grat des Ausgleichs, der Verhältnis­mäßigkeit, wohl wieder einmal der gangbarste Weg. Den herauszufi­nden, vor dieser Herausford­erung stehen Förster und Waldbauern in den kommenden Jahren.

 ?? Foto: Manuel Wenzel ?? Markierte Bäume bedeuten oft nichts Gutes: Befallene Exemplare werden gekennzeic­hnet. Auch klimatisch­e Veränderun­gen begünstige­n die Ausbreitun­g von Schädlinge­n wie beispielsw­eise dem Borkenkäfe­r. Die Region ist heuer allerdings nach Angaben der Bayerische­n Staatsfors­ten noch einmal mit einem blauen Auge davongekom­men.
Foto: Manuel Wenzel Markierte Bäume bedeuten oft nichts Gutes: Befallene Exemplare werden gekennzeic­hnet. Auch klimatisch­e Veränderun­gen begünstige­n die Ausbreitun­g von Schädlinge­n wie beispielsw­eise dem Borkenkäfe­r. Die Region ist heuer allerdings nach Angaben der Bayerische­n Staatsfors­ten noch einmal mit einem blauen Auge davongekom­men.

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