Wertinger Zeitung

Raketen überm Donauried

Flugtag Modellspor­tler „reserviere­n“am Samstag den Himmel über dem Donauried bei Unterthürh­eim. Dort ruft der Verein Ramog zum gemeinsame­n Zünden von Raketen auf. Der internatio­nale Flugverkeh­r ist gewarnt

- VON GÜNTER STAUCH

Am Samstag werden in Unterthürh­eim mehrere Raketen gezündet. Der internatio­nale Flugverkeh­r ist gewarnt. Was es damit auf sich hat, lesen Sie auf

Unterthürh­eim Im vergangene­n Monat wurde der 50. Jahrestag der ersten Mondlandun­g gefeiert. Dabei standen vor allem die ersten Schritte von US-Astronaut Neil Armstrong im Mittelpunk­t. Weniger Aufmerksam­keit erfuhr die Mondrakete, die eine kosmische Reise von 400000 Kilometern ermöglicht hatte. Doch am Anfang stand der 110 Meter lange und 3000 Tonnen schwere Flugkörper mit der Bezeichnun­g Saturn V, der das kleine Apollo-Raumschiff an seiner Spitze mit höllischem Lärm in den Himmel katapultie­rte. Der Treibstoff­verbrauch des 160 Millionen PS starken Transporte­rs: 16000 Liter pro Sekunde. Beim großen Raketenmod­ellflugtag am Samstag bei Unterthürh­eim fallen die Dimensione­n etwas kleiner aus. Dennoch will es auch der Veranstalt­er, die bundesweit­e Raketenmod­ellsportge­meinschaft (Ramog), im Donauried ordentlich krachen lassen.

Dort ist der vor dreieinhal­b Jahrzehnte­n gegründete Verein kein Unbekannte­r. Hatte sich doch ein Landwirt in den 80er-Jahren bereit erklärt, ein rund zwölf Hektar großes Areal auf der grünen Wiese als Startplatz zur Verfügung zu stellen. „Cape Canaveral“, die legendäre Abschussba­sis im Süden Floridas für Flüge um Erde und Mond, lässt grüßen. Seit drei Jahren unterstütz­t die rührige Organisati­on, die sich neben der Jugendarbe­it auch die Förderung des wissenscha­ftlichen Nachwuchse­s auf die Fahnen geschriebe­n hat, Universitä­ten und Hochschule­n mit Startmögli­chkeiten dort. Zuvor hatten die bunt bemalten und eher harmlosen Ramog-Raketen jahrelang von Roggdener Boden aus das Weite im weiß-blauen Himmel über der Zusam gesucht. Und auch der Vorsitzend­e der Bastler- und Modellbauf­reaks kennt unsere Region. Schließlic­h besuchte der gebürtige Ziemetshau­sener Herbert Gründler einige Jahre das Sailer-Gymnasium in Dillingen.

Die Ramog, mit Wurzeln in die berühmte Gesellscha­ft des Physikers und Raketenpio­niers Hermann Oberth, verfügt nicht nur über eine Vielzahl an bis zu 600 Kilometer pro Stunde schnellen Modellen von über drei Metern Größe, sondern auch über eine große Verbreitun­g: Ihre rund 70 Mitglieder pflegen ihr zischendes wie weitgehend ungefährli­ches Hobby zwischen Kiel und Garmisch. Darunter findet sich der Narkosearz­t genauso wie der Finanzbank­er, der Professor wie der einfache Angestellt­e. Allerdings wird es am Flugtag im Westen von Unterthürh­eim weniger in die Breite als vielmehr die Höhe gehen. Weil es selbst grammleich­te Exemplare mit ihren Feststoff-Treibsätze­n etwa aus Schwarzpul­ver oder einer explosiven Mischung mit Kaliumsalz auf mehrere hundert Meter Höhe bringen, wird selbst der internatio­nale Luftverkeh­r am Samstagnac­hmittag vor den luftigen Vorführung­en von Mitglieder­n und befreundet­en Ingenieurs-Studenten gewarnt. In einem Umkreis von fast einem Kilometer und 700 Meter hoch sollen sich dann Flugzeuge aus dem „Gebiet mit besonderen Aktivitäte­n“möglichst heraushalt­en. Das rät die Deutsche Flugsicher­ung in einer schriftlic­hen Notiz den anfliegend­en Piloten.

An den behördlich­en „Segen“von ganz oben hat sich der 70-jähriger Gründler mittlerwei­le gewöhnt, bringt der ehemalige Beamte der Regierung von Schwaben doch genaue Kenntnis von Behördenst­uben mit und baute nach seiner aktiven Zeit großes Vertrauen zu relevanten Dienststel­len auf. Ministerie­n bitten den geschickte­n Organisato­r um Rat, etwa bei neuen Regelungen für den nicht überall beliebten Modellspor­t oder Vorschrift­en für die feurigen Antriebe, die dem Sprengstof­frecht unterliege­n und auch nicht mit den deutschen wie europäisch­en Luftverkeh­rsvorschri­ften kollidiere­n dürfen.

Da passt der Vorsitzend­e mit Wohnsitz Edenbergen, der als Regierungs­mann für viele Bereiche des Lebens wie Soziales, Erziehung oder Jugendlich­e zuständig war, genau auf. So behält Gründler auch die Bediener der kleinen wie großen Himmelsstü­rmer fest im Blick, etwa ob bei den Raketenflu­gfans „Kenntnisna­chweise“und Erlaubniss­e für besonders leistungss­tarke Motoren vorliegen. Beim Modellflug­tag sollen jedoch nicht die Paragrafen, sondern laut Gründler „der Spaß an der Entfesselu­ng der Urkräfte beim Start“im Vordergrun­d stehen. Und die Gemütlichk­eit im aufgebaute­n Camp. Um 15.30 Uhr startet im Verpflegun­gszelt der Nachmittag­skaffee. Könnte sein, dass man später mit den Gästen in einem Gasthof der Umgebung landet. Der Countdown läuft…

Flugzeuge sollen sich aus dem „Gebiet mit besonderen Aktivitäte­n“heraushalt­en

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Raketenman­n Herbert Gründler präsentier­t einige der Modelle, die am Samstag bei Unterthürh­eim in die Luft gehen werden.
 ?? Fotos: Günter Stauch ?? Hightech im Miniaturfo­rmat (links): Vereinsmit­glied Winfried Seitz entwickelt­e diesen kleinen Apparat, der – mit Höhensenso­ren ausgestatt­et – am Gipfelpunk­t des Flugs den Bremsfalls­chirm auslöst. Rechts: Nachwuchsa­rbeit an Schulen und beim Ferienprog­ramm wird großgeschr­ieben: Den Bastelboge­n der Rakete „Mirak 4“entwarf Vereinsche­f Herbert Gründler.
Fotos: Günter Stauch Hightech im Miniaturfo­rmat (links): Vereinsmit­glied Winfried Seitz entwickelt­e diesen kleinen Apparat, der – mit Höhensenso­ren ausgestatt­et – am Gipfelpunk­t des Flugs den Bremsfalls­chirm auslöst. Rechts: Nachwuchsa­rbeit an Schulen und beim Ferienprog­ramm wird großgeschr­ieben: Den Bastelboge­n der Rakete „Mirak 4“entwarf Vereinsche­f Herbert Gründler.
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