Analyse Die Politik wird ehrlicher sein müssen
Ein spannender Wahlsonntag steht bevor. In Brandenburg und Sachsen wird sich zeigen, welche Strategie im Kampf gegen AfD-Rechtsausleger erfolgreicher ist. Die Stunde der Wahrheit für SPD und CDU
Nach Monaten der Spekulation ist es endlich so weit. Am Sonntag werden in Sachsen und Brandenburg neue Landtage gewählt. Deutschland und das Ausland haben dann Klarheit, wie weit sich das Land politisch nach rechts bewegt hat. Nach der Wahl wird die deutsche Politik hoffentlich ein Stück ehrlicher geworden sein.
Nachdem es zuletzt so ausgesehen hatte, als ob die Alternative für Deutschland in beiden Landesparlamenten den Sieg davontragen würde, sprechen neueste Umfragen eine andere Sprache. In Sachsen liegt die CDU wieder ziemlich weit vorne. Mit 32 Prozent hat sie einen Vorsprung von knapp acht Punkten vor der AfD. Die Fleißarbeit von Spitzenkandidat Michael Kretschmer hat offenbar Früchte getragen. Unermüdlich tourte der sächsische Ministerpräsident in den letzten Wochen durch den Freistaat und sprach offen und ehrlich mit den Wählerinnen und Wählern. Wenn seine Taktik bis zum Wahlsonntag hält und die CDU vorne bleibt, dann avanciert Kretschmer zum Helden seiner eigenen Partei und der sogenannten Volksparteien insgesamt.
Er wird dann allen gezeigt haben, dass der Osten wohl doch gar nicht so am rechten Rand steht wie vielfach vermutet. Er wird dann gezeigt haben, dass viele Wählerinnen und Wähler einfach mal glaubwürdig dort abgeholt werden möchten, wo sie mit ihren Alltagssorgen stehen – in Sachsen sind das beispielsweise die Ängste vor Arbeitsplatz
verlust, wenn der Kohleabbau eingestellt wird. Kretschmer wird vor allem der Bundespolitik in ihrer Berliner Blase bewiesen haben, wie weit sie sich schon vom Volk entfernt hat.
Die Entwicklung in Brandenburg stützt diese Auffassung. Denn der dortige Spitzenkandidat Dietmar Woidke vom bisherigen Dauerwahlsieger SPD wird deutlich weniger öffentlich wahrgenommen. Während Kretschmer gradlinig Tacheles redet – gut zu beobachten kürzlich bei seinem Aufeinandertreffen mit sächsischen Bergbaukumpels –, flüchtet sich Woidke ins Theoretische. Sein Wahlkampfauftreten und das seiner Partei wirken phasenweise wie eine unfreiwillige Einschlafhilfe. Die Folge der mangelnden Wahrhaftigkeit: Woidke hat die AfD direkt im Nacken sitzen. Den Umfragen zufolge liegen beide Parteien entweder gleichauf oder nur ganz knapp auseinander.
Woidke kann sich kaum darauf herausreden, dass die SPD-Bundespartei nicht aus den internen Turbulenzen herausfindet. Klar, die Suche nach einer Doppelspitze gestaltet sich so kompliziert, dass es schon fast peinlich ist. Besonders unehrlich ist die NRW-SPD. Da sorgt die Tatsache, dass gleich drei Bewerberpaare kandidieren, für ordentlich Zoff hinter den Kulissen.
Doch so richtig rund läuft es bei den Christdemokraten bekanntlich auch nicht. Die Debatte über Annegret Kramp-Karrenbauer und ihre Befähigung, Kanzlerin zu werden, mäandert praktisch seit ihrer Wahl zur Vorsitzenden. Und die war vor knapp neun Monaten.
Schwierig wird es sowohl für Kretschmer wie für Woidke mit der Regierungsbildung. Beide können ihre Zweier-Koalitionen den Umfragen zufolge nicht fortsetzen. Sie sind darauf angewiesen, noch mindestens eine dritte Partei ins Boot zu holen.
In beiden Bundesländern haben die bisher Regierenden Bündnisse mit der AfD ausgeschlossen. Es bleibt abzuwarten, ob sie angesichts knapper Ergebnisse und dem zu erwartenden Druck von der Basis dabei bleiben. Auch hier wird sich deutsche Politik am Wahlsonntag und in den Tagen danach ehrlich machen müssen.