Wertinger Zeitung

Noch ein Mahnmal in Berlin?

Abgeordnet­e planen Ort des Gedenkens

- VON MICHELLE CHRISTIN LIST

Berlin Das Mahnmal „Gleis 17“am Bahnhof Grunewald erinnert an die tausenden Juden, die dort mit Zügen der Deutschen Reichsbahn aus Berlin deportiert wurden. Im einstigen Machtzentr­um der Nazis, Ecke Wilhelmstr­aße/An der Kolonnade, wird „Hitler-Attentäter“Georg Elser geehrt. Im Tiergarten erinnert ein Mahnmal an die von den Nazis ermordeten Sinti und Roma. Vor dem Reichstags­gebäude steht ein Denkmal für 96 von den Nationalso­zialisten ermordete Reichstags­abgeordnet­e. Und dann ist da natürlich noch die zentrale Holocaust-Gedenkstät­te Deutschlan­ds: Das Mahnmal in der historisch­en Mitte Berlins erinnert an die rund sechs Millionen ermordeten Juden.

Schon lange fordern polnische Bürger ein weiteres „in die Höhe strebendes, weithin sichtbares Gedenkzeic­hen“. Denn mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 stehe das Land als erstes deutsches Weltkriegs­opfer beispielha­ft für die rassistisc­he NS-Politik. Im Zweiten Weltkrieg kamen nach Zahlen der Bundeszent­rale für politische Bildung in Polen sechs Millionen Menschen ums Leben.

Die Bundesregi­erung steht dem Thema grundsätzl­ich offen gegenüber. „Es wird ja auch jetzt schon durch Museen und Gedenkstät­ten, die der Bund fördert, vielfältig in Deutschlan­d an das Leid der polnischen Opfer erinnert“, sagte Regierungs­sprecher Steffen Seibert am

Die Bundesrepu­blik ist offen für das Vorhaben

Freitag in Berlin. Als Beispiele nannte er die Stiftung Brandenbur­gische Gedenkstät­ten, das Deutsche Historisch­e Museum sowie die KZGedenkst­ätte in Dachau. Alleine entscheide­n will die Regierung nicht. „Ein Denkmal, wie es jetzt in der Diskussion ist, bedürfte einer öffentlich­en Debatte im Deutschen Bundestag. Denn auch der Errichtung anderer Denkmäler hat ein Beschluss des Deutschen Bundestags zugrunde gelegen“, sagte Seibert.

Wo das Denkmal stehen soll, dazu machte Florian Mausbach, ehemaliger Präsident des Bundesamte­s für Bauwesen und Raumordnun­g, Ende 2017 einen konkreten Vorschlag: auf einer Grünfläche direkt gegenüber des künftigen Dokumentat­ionszentru­ms der Bundesstif­tung „Flucht, Vertreibun­g, Versöhnung“im Deutschlan­dhaus am Askanische­n Platz. Unterstütz­ung bekam Mausbach unter anderem von Ex-Bundestags­präsidenti­n Rita Süssmuth und ihrem Nachfolger Wolfgang Thierse. Auch der 2015 verstorben­e Auschwitz-Überlebend­e und Schirmherr deutsch-polnischer Versöhnung, Wladyslaw Bartoszews­kis, wünschte sich ein Denkmal für die polnischen Opfer der deutschen Besatzung.

Anfang dieses Jahres hatte die Linksfrakt­ion einen Aufruf für einen Gedenkort in Berlin an den Bundestag gerichtet. Mittlerwei­le gibt es im Bundestag 240 Unterstütz­er aus allen Fraktionen mit Ausnahme der AfD. Doch nicht jeder befürworte­t das Vorhaben. Solch ein Denkmal verstärke die „Nationalis­ierung des Gedenkens“, sagt etwa der Theologe Markus Meckel, einst Bürgerrech­tler in der DDR und ihr letzter Außenminis­ter. Als Konsequenz müsse dann jede einzelne Opfergrupp­e des von Hitlerdeut­schland begonnenen Krieges ein eigenes Denkmal bekommen, um sich nicht vernachläs­sigt zu fühlen. Besser sei seiner Ansicht nach ein Dokumentat­ionszentru­m zur Erinnerung an den Vernichtun­gskrieg der Deutschen im Osten.

 ?? Foto: Ullstein ?? Der Schlagbaum der polnischen Grenze am Zollhaus der Straße Zoppot–Gdingen wird von deutschen Infanteris­ten aus dem Weg geräumt. Es ist der 1. September 1939 vormittags, vor wenigen Stunden hat mit dem Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg begonnen.
Foto: Ullstein Der Schlagbaum der polnischen Grenze am Zollhaus der Straße Zoppot–Gdingen wird von deutschen Infanteris­ten aus dem Weg geräumt. Es ist der 1. September 1939 vormittags, vor wenigen Stunden hat mit dem Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg begonnen.

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