Wertinger Zeitung

Reisch warnt vor Notlage an Bord

Seenotrett­er will Hafen ansteuern. Und dann?

- VON JONAS VOSS

Augsburg Seit Tagen befindet sich Claus-Peter Reisch mit seinem Sportboot „Eleonore“vor der Küste Maltas. Das Boot ist 20 Meter lang, hat eine Hocktoilet­te, in der geduscht werden kann, und neun Crewmitgli­eder an Bord. Normalerwe­ise. Aktuell kommen 104 Menschen dazu, die Reisch und seine Crew aus einem havarierte­n Schlauchbo­ot vor der Küste Libyens gerettet haben. Seither wartet der Seenotrett­er auf einen sicheren Hafen.

„Wir halten das hier maximal noch bis zum Ende des Wochenende­s aus“, erklärt Reisch. Dann verschlech­tere sich das Wetter, es drohten Wind und stärkerer Seegang. „Die Menschen schlafen an Deck, können sich nicht einmal ausstrecke­n.“Stärkerer Seegang bedeutet Wellen, die das Deck fluten. An Schlaf oder auch nur Ruhe sei dann nicht mehr zu denken. Reisch konstatier­t: „Dann müssen wir die Reißleine ziehen.“Dabei steht der Landsberge­r seit Tagen mit der Bundesregi­erung in Kontakt. Laut Reisch vertröstet ihn die Regierung ständig.

Auch Italien werde – trotz des Aus von Innenminis­ter Salvini – kurzfristi­g keine Hilfe anbieten, meint Reisch. Sein Boot sei dort mit einem „Bann“belegt, bei Einfahrt in einen Hafen drohe ihm eine Million Euro Strafe. Und auch den Menschen an Bord fällt es zusehends schwerer, den Mut zu bewahren. Schließlic­h können sie die rettende Küste schon erblicken. Reisch erläutert: „Wir von der Crew lassen uns jeden Tag etwas einfallen, damit die Stimmung nicht kippt.“Über Nacht habe man 2000 Liter Süßwasser erzeugt, damit konnten am Freitag alle Menschen duschen. Eine Erleichter­ung – „sie können sich nicht vorstellen, wie es gestunken hat. Mancher hat sich seit Wochen nicht richtig waschen können.“Ansonsten können die Menschen an Bord nicht viel tun, einige helfen beim Putzen des Decks. Oder warten auf die Essensausg­abe: Dreimal am Tag bereitet die Mannschaft auf einem Drei-Platten-Herd Essen für 104 Personen zu, meist Couscous.

„Noch haben wir genug Lebensmitt­el, aber zwei meiner Crewmitgli­eder sind bereits ausgefalle­n.“Reisch führt aus, er werde vom Nothafenre­cht Gebrauch machen, wenn sich bis Sonntag keine Lösung ergibt. Der nächste Hafen ist das maltesisch­e Valletta. An ein Einlenken bis dahin glaubt er nicht mehr so recht.

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