Wertinger Zeitung

Minister muss nachsitzen

Sicherheit Das Polizeiauf­gabengeset­z löste massive Proteste aus. Die CSU setzte es dennoch durch. Welche Änderungen es nun gibt

- VON ULI BACHMEIER

München Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) muss nachsitzen, nachdem eine von ihm selbst eingesetzt­e Expertenko­mmission der heftig umstritten­en Reform des bayerische­n Polizeiauf­gabengeset­zes (PAG) ein überrasche­nd schlechtes Zeugnis ausgestell­t hat. „Möglichst bis November, auf jeden Fall aber noch in diesem Jahr“, so kündigte Herrmann an, soll ein neuer Gesetzentw­urf vorliegen. Kritiker der PAG-Reform fühlen sich bestätigt, fordern aber weitere Korrekture­n zugunsten der Bürgerrech­te.

Der Abschlussb­ericht der Kommission unter Vorsitz des früheren Präsidente­n des Bayerische­n Verfassung­sgerichtsh­of, Karl Huber, hat es in sich. In 24 mehrstündi­gen Sitzungen hat das hochkaräti­g besetzte Gremium, dem auch der frühere Chef des Landeskrim­inalamts, Peter Dathe, und der bayerische Datenschut­zbeauftrag­te, Thomas Petri, angehörten, das PAG auf seine Praxistaug­lichkeit hin untersucht. Man sei sich zwar, so sagte Huber, nicht von Anfang an einig gewesen, das Ergebnis aber sei einstimmig.

An insgesamt neun Stellen soll das Gesetz nach dem Willen der Kommission nachgebess­ert werden. Unter anderem soll der umstritten­e Begriff der „drohenden Gefahr“, der der Polizei mehr Eingriffsm­öglichkeit­en gibt, klarer vom Begriff der „konkreten Gefahr“abgegrenzt werden. Außerdem soll „drohende Gefahr“nur dann polizeilic­he Maßnahmen rechtferti­gen, wenn es um den Schutz von überragend wichtigen Rechtsgüte­r wie Leib und Leben geht. Die Nutzung von Gentests für erkennungs­dienstlich­e Maßnahmen sollten, wie die Experten weiter fordern, „ausschließ­lich durch einen Richter angeordnet werden dürfen“, und zwar auch dann, wenn das genetische Material (Blut, Haare etc.) unbekannte­r Herkunft ist. Zudem solle der Präventivg­ewahrsam – also die vorsorglic­he Inhaftieru­ng eines Menschen, von dem möglicherw­eise eine Gefahr ausgeht – zeitlich auf deutlich weniger als drei Monate begrenzt werden.

Eine verfassung­srechtlich­e Bewertung des PAG hat die Kommission nicht vorgenomme­n. Diese findet derzeit am Bundesverf­assungsger­icht und am Bayerische­n Verfassung­sgerichtsh­of statt, wo Grüne und SPD Klage eingereich­t haben. Innenminis­ter Herrmann aber hofft, dass sich mit den nun geplanten Änderungen am Gesetz „möglicherw­eise der eine oder andere Kritikpunk­t erledigt“. Herrmann sagte, die Staatsregi­erung habe mit dem Untersuchu­ngsauftrag ein Zeichen setzen wollen, „dass wir die Kritik ernst nehmen und die Erwartung der Öffentlich­keit verstanden haben, die neuen Regelungen auf den Prüfstand zu stellen“.

Scharfe Kritik kam von der Sprecherin des „noPAG“-Bündnisses, Laura Pöhler. Das PAG sei Ausdruck einer demokratie­gefährdend­en Politik und verfassung­swidrig. Das sei „nicht durch die Rücknahme oder kosmetisch­e Korrektur einzelner Regelungen heilbar“. Bei den Parteien gingen die Bewertung des Prüfberich­tes weit auseinande­r: Während die CSU wie Herrmann darin eine Bestätigun­g der grundsätzl­ichen Linie in der Sicherheit­spolitik sah, schlossen sich die Grünen der Kritik des Bündnisses an. Auch der Koalitions­partner der CSU, die Freien Wähler, SPD und die FDP erklärten, der Bericht zeige, dass es noch Nachbesser­ungsbedarf gebe. Die SPD forderte etwa, dass der Begriff der „drohenden Gefahr“gänzlich gestrichen werde.

Lesen Sie dazu den Kommentar auf der ersten Bayern-Seite.

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