Die Frage der Woche Urlaubsfotos machen?
Das Handy vibriert, ein Bild ploppt auf. Grüße von den Eltern, sie genießen gerade ihren Ruhestand, reisen durch Skandinavien und senden der Familie täglich Fotos von sich mit Landschaft, vor kleinen, roten Häuschen inmitten Bullerbü-tauglicher Postkartennatur. Das sind kleine Botschaften, die einen Tag – oder auch nur Sekunden – versüßen können. Sie versichern: Jemand ist weit weg, aber er denkt gerade an dich. Das ist nicht der einzige Grund, warum Fotos im Urlaub Freude bereiten.
Zugegeben. Die siebenmillionste Fotografie des Eiffelturms bei Nacht – „Schatz guck mal wie der funkelt!“– hat kaum nachhaltigen Wert. Aber dann gibt es jene Fotos, die bleiben, deren Wert mit den Jahren steigt. Momentaufnahmen von auffällig unauffälligen Orten, Momenten und vor allem Menschen. Es können hochpeinliche Schnappschüsse sein, oder aber Bilder von schönen
Motiven – nur einen Wimpernschlag zu früh abgedrückt. Original italienische Spaghetti-und-Bolognese-Spuren im Gesicht eines lachenden Kindes, bibbernde Mienen beim Bad in einem kalten skandinavischen See, der Moment der Ankunft und Rast auf einem hohen Gipfel der Alpen. Solche Momente festzuhalten, lohnt sich immer.
Ein Foto ist eine Spur der Zeit ohne Verfallsdatum und der Spruch „Ich erinnere mich noch, als war es gestern“oft gnadenlose Übertreibung. Manche mögen unken: Das Digitale sei vergänglich, knipps, wisch und weg. Aber die Zeit ist ein Filter und am Ende bestehen dann doch jene Bilder, die nicht gestellt sind, sondern Fotos, die geschehn. Also: Fotografieren Sie, digital oder analog. Machen Sie ein Fotobuch draus, zeigen sie es Freunden, Enkeln, jedem, der sich nicht rechtzeitig wehrt. Knipsen Sie weiter.
Wenn Jemand eine Reise thut // So kann er was verzählen“, wie wir seit Matthias Claudius wissen. Wie wir aber auch wissen, wird heute gar nix mehr verzählt, sondern es wird gezeigt, geshared, gepostet, das heißt: Es werden Millionen Fotos digital verschickt oder auf Plattformen wie Instagram hochgeladen, auf dass die Welt weiß, wo man gerade ist, was man gerade isst, wie doll der eigene Urlaub doch ist. Die SmartphoneBildchen müssen daher oft den eigenen sonnenverbrannten Schädel zeigen als Beweis, auch wirklich da gewesen zu sein. Und im besten Fall – man will ja Likes und Klicks – noch dazu recht spektakulär sein, was zur Folge hat, dass immer öfter Meldungen von verunglückten SelfieKnipsern auftauchen, die beim finalen Schnappschuss die Klippe runterrauschen. Und wäre es nicht so traurig – man müsste laut lachen. Traurig aber auch, dass mit der Bilderflut ein digitaler Ikonoklasmus einsetzt,
der die einzelne Aufnahme, die Landschaft, den Moment entwertet. Es ist halt doch etwas anderes, mit einem 24er-Film behutsam die Motive für den nächsten salzstängelsatten Dia-Abend auszuwählen – oder einfach drauflos zu knipsen, die halbwegs gelungenen Bilder zu versenden und die restlichen 573 dann unbesehen vergammeln zu lassen im Zwischenspeicher der Erinnerung. Überhaupt bringen sich viele, die die Welt nur noch im Schein des Displays wahrnehmen und trotz der gegenteiligen Intention, genau um diese. Was verzählen? In einem der berühmtesten deutschen Verse, auch von Claudius, heißt es: „Der Mond ist aufgegangen, // Die goldnen Sternlein prangen // Am Himmel hell und klar. // Der Wald steht schwarz und schweiget, // Und aus den Wiesen steiget // Der weiße Nebel wunderbar.“Schwierig, das in ein geiles Handy-Pic zu packen, selbst mit automatischem Nacht-Modus.