Wertinger Zeitung

Der ewige Währungshü­ter

Porträt Helmut Schlesinge­r war einmal Präsident der Bundesbank. Er legte sich mit fast allen Mächtigen an. Auch mit 95 vertritt er eine klare Meinung

- Economist

Seine Zeit an der Spitze der Deutschen Bundesbank war nur ein Intermezzo – doch Helmut Schlesinge­rs bisweilen kompromiss­loser Einsatz für eine stabile D-Mark blieb in Erinnerung. Es heißt, der gebürtige Penzberger habe sich in seiner zweijährig­en Amtszeit mit so ziemlich allen Mächtigen außerhalb der Notenbank angelegt. „Bayerische­r Preuße“, „unbequemer Mahner“, „engstirnig­er Geld-Nationalis­t“– solche Attribute musste sich der Währungshü­ter damals gefallen lassen.

Der promoviert­e Volkswirt kam 1952 zur Bank deutscher Länder, der Vorläuferi­n der Bundesbank, und baute sie praktisch mit auf. Das trug ihm die Bezeichnun­g „Verwalter des Herrschaft­swissens der Bundesbank“ein. „In den 42 Jahren, die ich bei der Bundesbank war, gab es auch Zeiten, in denen nicht alles

hundertpro­zentig gelaufen ist“, erinnert er sich im Gespräch. „Das Gesamterge­bnis ist jedoch erstaunlic­h: Die D-Mark, die ein Besatzungs­kind war, wurde zur zweitwicht­igsten Währung der Welt.“

1972 rückte Schlesinge­r als Chefvolksw­irt ins achtköpfig­e Direktoriu­m und damit in den Zentralban­krat auf. Acht Jahre später wurde er Vizepräsid­ent der Notenbank und beerbte schließlic­h im August 1991 Karl Otto Pöhl als Bundesbank-Präsident. Da war er schon 67 Jahre alt. Im September 1993 machte er darum Platz für Hans Tietmeyer.

Hätte er gerne weiter die Fäden gezogen? „Jedes weitere Jahr wäre mir zweifelsoh­ne schwergefa­llen“, sagt der Jubilar, der am Mittwoch 95 Jahre alt wird. Nach seinem Ausscheide­n war er unter anderem Professor an der Universitä­t in Princeton (USA) und als Berater im Auftrag der Bundesregi­erung im Ausland tätig. Euro-Schuldenkr­ise, Griechenla­nd-Drama, Staatsanle­ihenkäufe – wachsam verfolgt Schlesinge­r die Arbeit der heutigen Währungshü­ter. „Ich lese täglich Zeitung, die Monatsberi­chte und die Presseausz­üge der Bundesbank – und den von vorne bis hinten.“Auf E-Mails antwortet er prompt – mit Unterstütz­ung seiner Frau Carola, mit der er seit demnächst 70 Jahren verheirate­t ist. Durchhalte­vermögen zeigte der Vater von drei Töchtern und einem Sohn auch im Privaten. „Die Alpen haben mir schon gefehlt, als wir nach Hessen gezogen sind“, sagt Schlesinge­r. Schon damals habe er sich vorgenomme­n, zweimal im Jahr in die Berge zu fahren. In der Zwischenze­it absolviert­e er sein persönlich­es Fitness-Programm: „Als kleine Übung bin ich jeden Tag zu Fuß in den 13. Stock der Bundesbank gelaufen. Im Parterre habe ich einem Mitarbeite­r meine Aktentasch­e gegeben, der konnte mit dem Lift fahren.“

„Alt werden ist gar nicht so schlimm. Alt zu sein ist schon etwas anderes“, sagt Schlesinge­r mit fester Stimme. Will er nun 100 werden? „Ich kann dem lieben Gott kein Ziel nennen. Ich habe in der Bundesbank ein Geldmengen­ziel eingeführt, das war schon schwer genug.“Jörn Bender, Friederike Marx (beide dpa)

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Foto: dpa

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